| # taz.de -- Briefwahl: Hätten Sie es richtig gemacht? | |
| > Beim Volksentscheid Tegel gingen viele Stimmen von Briefwählern verloren. | |
| > Betroffene sind verärgert. Auch die Linkspartei fordert nun Aufklärung. | |
| Bild: Viele Briefwähler tüteten die Zettel falsch ein | |
| Der Briefwähler aus Tempelhof wollte alles richtig machen. Er las sich das | |
| Merkblatt genau durch. „Ich habe den Beipackzettel so verstanden, dass nur | |
| der Stimmzettel für die Bundestagswahl in den blauen Umschlag sollte“, | |
| erzählt er. Da hätte aber auch der Tegel-Stimmzettel hineingehört. Die | |
| Folge: Die Stimme des Tempelhofers gegen die Offenhaltung Tegels wurde wohl | |
| nicht gewertet. | |
| Wie dem Historiker ging es auch vielen anderen BriefwählerInnen: Sie | |
| steckten den Tegel-Zettel gemeinsam mit dem Wahlschein in den roten | |
| Umschlag. Weil auf dem Wahlschein aber auch der Name steht, war das | |
| Wahlgeheimnis nicht mehr gewährleistet, ihre Stimmen gingen verloren. Bis | |
| zu 100.000 BriefwählerInnen könnten nach Angaben von Geert Baasen, Leiter | |
| der Geschäftsstelle der Landeswahlleitung, betroffen sein. | |
| Hätte die Anleitung (siehe unten) besser formuliert werden müssen? Oder | |
| sind die BerlinerInnen zum Abstimmen einfach zu doof? In den sozialen | |
| Medien gingen die Meinungen dazu am Dienstag und Mittwoch auseinander. „Ich | |
| war verwirrt! Wohin sollte der Tegel-Zettel?“, fragt eine. „Dann hab ich’s | |
| auch falsch gemacht. Es war aber wirklich nicht eindeutig formuliert!“, | |
| klagt ein anderer. „Sorry, aber wer zu dämlich ist, den Wahlschein korrekt | |
| abzugeben, der bleibt dann eben draußen vor der Tür“, gibt wieder ein | |
| anderer zurück. | |
| Eine Wahlhelferin aus Neukölln kennt die Problematik. „Unglaublich viele | |
| haben das falsch verstanden“, berichtete sie am Mittwoch der taz. Von den | |
| rund 1.000 Einsendungen in ihrem Briefwahllokal hätten rund 150 den | |
| Tegel-Zettel – genau wie der Tempelhofer Historiker – falsch eingetütet. | |
| Rund 50 steckten wiederum den Wahlschein fälschlicherweise in den blauen | |
| Brief mit rein. | |
| Dass tatsächlich so viele Menschen nicht verstanden haben, welcher Zettel | |
| wohin gehört, spricht gegen die Briefwahlunterlagen – und damit gegen die | |
| Landeswahlleitung, die sie herausgibt. „Das wird noch aufzuarbeiten sein“, | |
| sagte Michael Efler, demokratiepolitischer Sprecher der Linkspartei, der | |
| sich jahrelang beim Verein Mehr Demokratie engagierte. Er bezeichnet die | |
| Situation als „total unbefriedigend“. Efler will den Senat bei der heutigen | |
| Sitzung im Abgeordnetenhaus befragen, wie es zu der Wahlpanne kommen | |
| konnte. | |
| Auch Sven Kohlmeier, innenpolitischer Sprecher der SPD, ist unzufrieden. Es | |
| sei nicht das erste Mal, dass es Schwierigkeiten gebe bei Wahlen. Bereits | |
| nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld, bei dem zwei Gesetzentwürfe | |
| zur Auswahl standen, habe man der Landeswahlleiterin aufgegeben, die | |
| Abstimmung unkomplizierter zu gestalten. „Unsere Anforderung ist schon, | |
| dass Wahlen und Volksabstimmungen so stattfinden, dass man sie auch | |
| versteht“, sagte Kohlmeier am Mittwoch. | |
| Geert Baasen von der Landeswahlleitung sagte, die einzelnen Ergebnisse auch | |
| der Briefwahllokale würden jetzt überprüft. „Dabei auffallende Fehler | |
| werden, so weit möglich, korrigiert.“ Das offizielle Ergebnis des | |
| Volksentscheids werde am 13. Oktober 2017 im Amtsblatt für Berlin | |
| veröffentlicht. | |
| Eine Wertung der falsch eingetüteten Stimmen soll es aber nicht geben. Ein | |
| Stimmzettel, der im Umschlag mit dem Wahlschein eingeschickt wurde, gelte | |
| wie ein offen abgegebener Stimmzettel, so Baasen. „Der zählt nicht mit, er | |
| ist zurückzuweisen.“ Eine andere Zählweise hätte am Ausgang des | |
| Volksentscheids aber auch nichts geändert, betonte der Leiter der | |
| Geschäftsstelle. Selbst wenn 100.000 BriefwählerInnen mehr mit Nein | |
| gestimmt hätten, wären die Jastimmen noch in der Mehrheit gewesen, so | |
| Baasen. | |
| Der Tempelhofer Historiker sagt, ihm hätte es schon geholfen, wenn in der | |
| Anleitung zur Briefwahl gestanden hätte, man solle „beide“ Stimmzettel in | |
| den blauen Umschlag stecken. Baasen sagt, er glaube nicht, dass das viel | |
| geändert hätte. Schon vor dem Volksentscheid hätten Leute angerufen und | |
| nachgefragt, welcher Zettel wohin gehöre. „Die haben den Merkzettel gar | |
| nicht gelesen“, berichtete er. | |
| ## „Nervige Wurschtigkeit“ | |
| Für die Zukunft werde sich die Landeswahlleitung aber überlegen, wie sie | |
| die Abstimmung klarer gestalten kann. „Wir werden gucken, wie man das | |
| deutlicher machen kann“, sagte Baasen. Um zu sehen, wie die Leute die | |
| Unterlagen verstünden, seien auch simulierte Testläufe denkbar. | |
| Dem Tempelhofer Briefwähler reicht das nicht. Es ärgert ihn, dass die | |
| Landeswahlleitung den gelaufenen Volksentscheid auf sich beruhen lassen | |
| will. „Ich bin genervt von dieser Wurschtigkeit“, sagt er. „Meine Stimme | |
| ist nicht egal.“ | |
| 27 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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