| # taz.de -- AfD-Wahlkampfabend in Pforzheim: Erika Steinbach for AfD | |
| > Nach ihrem CDU-Austritt macht Erika Steinbach Werbung für die AfD. In | |
| > Pforzheim punktet sie vor allem bei der Mittelschicht und | |
| > Russlanddeutschen. | |
| Bild: Erika Steinbach (links) winkt, Alexander Gauland (Mitte) und Alice Weidel… | |
| Pforzheim taz | Alice Weidel hat es wieder getan: Am Mittwochabend in | |
| Pforzheim verschwindet sie mal eben schnell vom Podium. 1.200 Menschen im | |
| Congresscentrum fällt das nicht auf. Weidel interessiert hier gerade wenig, | |
| genauso wenig wie Alexander Gauland, der neben Weidel auf dem Podium sitzt. | |
| Auch der baden-württembergische Spitzenkandidat Jörg Meuthen wirkt ganz | |
| unscheinbar – neben der Hauptrednerin des Abends: Erika Steinbach. | |
| 54 Minuten lang redet sich das frühere CDU-Mitglied in Rage. Weidel, ganz | |
| die Anstandsdame, schenkt zweimal Wasser nach, während Steinbach das | |
| AfD-Vokabular herunterbetet. Die Spitzen gegen Kanzlerin Angela Merkel | |
| (CDU) kommen besonders gut an. Der Saal johlt, als Steinbach vom | |
| „Rechtsbruch“ orakelt, den Merkel mit ihrer Willkommenspolitik 2015 | |
| begangen haben soll. Dass der Europäische Gerichtshof anders geurteilt hat, | |
| bleibt unerwähnt. | |
| Gerne sei sie hergekommen, erzählt die parteilose Steinbach zu Beginn. Es | |
| ist ihr einziger Auftritt im AfD-Wahlkampf. Dass er im badischen Pforzheim | |
| stattfinden muss, liegt nahe. Pforzheim trägt zwar den wunderbar klingenden | |
| Beinamen Goldstadt, nur sind die goldenen Zeiten längst passé. Die | |
| 120.000-Einwohner-Stadt liegt zwischen der Technologie- und Beamtenstadt | |
| Karlsruhe und der Wirtschaftsmetropole Stuttgart. Irgendwie im Nichts also, | |
| ohne ICE-Anbindung. Vor allem aber liegt Pforzheim in der Arbeitslosenquote | |
| landesweit ganz vorne. Bei den Landtagswahlen 2016 punktete die AfD in | |
| keiner anderen Stadt so stark wie in der Goldstadt: 24,2 Prozent, stärkste | |
| Kraft – noch vor den Kretschmann-Grünen. | |
| Steinbach kann hier auch bei den Russlanddeutschen punkten – viele leben in | |
| Pforzheim und in der nahe gelegenen Oberrheinregion. Auch dort erzielte die | |
| AfD stellenweise Rekordergebnisse. Steinbach, die von 1998 bis 2014 | |
| Präsidentin des Bundes der Vertriebenen war, weiß, dass ihre einstigen | |
| Klienten nicht immer so gefeiert wurden wie auf Wahlkampfveranstaltungen | |
| der AfD. „Früher hat man sie Russen und Pollacken genannt“, sagt Steinbach | |
| und erklärt damit, warum die AfD für diese Gruppe, die früher mehrheitlich | |
| die Kohl-CDU gewählt hat, nun in besonderer Verantwortung stehe. | |
| ## „Selbst wenn Merkel meine Schwester wäre“ | |
| Ihren Vortrag beginnt Steinbach mit ein paar Worten zu den Personalkämpfen | |
| innerhalb der AfD. Die seien völlig normal für eine so junge Partei. Sie, | |
| als erfahrener Politprofi, weiß wie das Geschäft läuft, signalisiert sie. | |
| Um dann in den Angriffsmodus zu schalten, indem sie erklärt, dass Grüne, | |
| FDP, „die beiden SPD-Parteien“ (SPD und Linke), ebenfalls Richtungskämpfe | |
| austragen würden. Und: „Selbst die CDU ist keine friedfertige Partei“, so | |
| Steinbach. Sie muss es ja tatsächlich wissen. | |
| 43 Jahre lang hielt sie der CDU die Treue. Sie weist auf Heiner Geißler | |
| hin, der sich einst gegen Helmut Kohl gestellt hatte. Zeit für die | |
| Steinbach'sche Nostalgie-Show, die Spitzenkandidat Gauland vorbereitet | |
| hatte. Er und Steinbach kennen sich aus gemeinsamen Frankfurter Zeiten, | |
| hatte er schon vorab informiert. Für einen Linken habe ihn Steinbach damals | |
| gehalten. | |
| Mittlerweile dürfte sich dieser Eindruck geändert haben. Gauland und | |
| Steinbach verstehen sich prächtig. Auch wenn sie Merkel nicht persönlich | |
| angreifen mag, weil sie die Kanzlerin „persönlich sehr sympathisch“ findet, | |
| wettert Steinbach doch: „Selbst wenn Merkel meine Schwester wäre, kann ich | |
| Merkel nicht empfehlen.“ Der Saal tobt. Merkel-muss-weg-Rufe ertönen, erst | |
| recht als Steinbach nachlegt: „Der Bruch des Amtseids muss unter Strafe | |
| gestellt werden.“ | |
| ## Zwei rechtsextreme Gruppen im Publikum | |
| Unter den Johlenden und Klatschenden sind viele, die der sogenannten | |
| Mittelschicht angehören. Das Steinbach-Publikum wirkt sehr | |
| südwest-spezifisch. Größtenteils fein herausgeputzt hat man sich, um den | |
| eigenen Wohlstand nicht verlegen. 4.000 Euro im Monat verdiene er, meint | |
| ein Mann aus Remchingen, der jüdische und griechische Wurzeln vereint. Aber | |
| es reiche halt eben nicht mehr, so wie früher, als nur der Vater den | |
| Unterhalt verdienen musste. Und heute? Die drei Kinder besuchten einen | |
| Privatkindergarten, man habe schon zu knabbern. Die Freundin des ältesten | |
| Sohns ist in der Antifa, das verträgt sich nicht immer, aber irgendwie | |
| schon. Er wird AfD wählen. | |
| Unter den Steinbach-Fans sind aber auch Mitglieder der „Berserker | |
| Pforzheim“ und des „Freundeskreis Herz für Deutschland“, zwei rechtsextr… | |
| Gruppen. Die Berserker nahmen unter anderem an der „Hogesa“-Demo (Hooligans | |
| gegen Salafisten) in Köln teil. Auch das ist die AfD – sogar im | |
| vermeintlich tiefbürgerlichen Baden-Württemberg. | |
| Vor dem Congresscentrum gibt es aber auch Protest: 550 Gegendemonstranten | |
| zählt die Polizei. Sie machen lautstark deutlich, warum Pforzheim die | |
| Goldstadt bleiben soll – natürlich möglichst ohne AfD. | |
| 7 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| David Joram | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Erika Steinbach | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Alice Weidel | |
| Schwerpunkt AfD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung: Erika Steinbach wird Vorsitzende | |
| Die ehemalige CDU-Frau will sich in ihrer neuen Funktion besonderns für die | |
| „Freiheit der Wissenschaften“ einsetzen. Die sieht sie seit Jahren unter | |
| Druck gesetzt. | |
| Störaktionen gegen Merkel-Auftritte: CDU beschuldigt AfD-Anhänger | |
| Wieder fliegen Tomaten bei einem Wahlkampfauftritt von Kanzlerin Merkel. | |
| CDU-Generalsekretär Tauber schimpft auf die mutmaßlichen | |
| AfD-Sympathisanten. | |
| Neue Publikation aus AfD-Kreisen: Rechter als die „Bild“ | |
| Es gibt ein neues Medium: den AfD-nahen „Deutschland-Kurier“. Woher das | |
| Geld kommt, ist unklar. Erika Steinbach hat eine Kolumne. | |
| AfD und Ehe für alle: Vorauseilende Islamisierung | |
| AfD-Chefin Alice Weidel hält die Ehe für alle für falsch – wegen der | |
| „Islamisierung“. Diese Doppelzüngigkeit zeigt, wie ähnlich die AfD | |
| Islamisten ist. | |
| CDU-Austritt: Erika Steinbach geht rechts ab | |
| Die als rechts außen geltende menschenrechtspolitische Sprecherin rechnet | |
| mit Merkels Flüchtlingspolitik ab und wünscht die AfD in den Bundestag. | |
| Kommentar Steinbach auf Twitter: Ein Dank an Erika Steinbach | |
| Erika Steinbach offenbart auf Twitter ihre Links-Rechts-Schwäche. Ein | |
| Windchen der Entrüstung bricht los und zeigt den Wert einer Kurznachricht | |
| für die politische Bildung. |