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# taz.de -- Kolumne American Pie: Die Hoffnung nach dem Sturm
> Erst kam Hurrikan „Harvey“, nun folgen Siege im Baseball: Die Heimerfolge
> der Houston Astros werden als Symbol des Widerstandsgeistes gefeiert.
Bild: Josh Reddick bei einem Sieg der Houston Astros
Draußen vor dem Stadion stand der selbsternannte Prophet und verkündete
durch ein krächzendes Megaphon, dass die Apokalypse bald bevorsteht. Und
wer sich umsah, der konnte leicht Anzeichen des dräuenden Weltuntergangs
erkennen: In tiefen Pfützen, die in der Mittagsschwüle dampften, sammelte
sich das letzte Wasser [1][der Überschwemmungen, die die Stadt heimgesucht
hatten]. Aber das wollten die Menschen nicht sehen, die sich zu Tausenden
auf den Weg gemacht hatten, um die heimkehrenden Helden zu begrüßen.
Hurrikan „Harvey“ hat nicht nur mehr als 60 Menschen auf dem Gewissen und
viele mehr obdachlos gemacht, er hatte auch die Baseballmannschaft
vertrieben. Die Houston Astros waren in der vergangenen Woche vor dem Sturm
geflüchtet, hatten in Florida gespielt.
Nun kehrten sie zurück mit einem sogenannten Doubleheader: Gleich zwei
Spiele gegen die New York Mets am Samstag. Nachmittags kamen 30.000, am
Abend dann mehr als 34.000. Und die wollten die Katastrophe, die ihre Stadt
heimgesucht hatte, vielleicht nicht vergessen, aber doch eine Rückkehr zur
Normalität simulieren.
Die Heimkehr der Astros hatte schnell eine politische Dimension bekommen.
Bürgermeister Sylvester Turner hatte das Management des MLB-Klubs
bearbeitet, so bald wie möglich mit den Heimspielen in die geplagte Stadt
zurückzukehren – trotz der zusammengebrochenen Infrastruktur, trotz
unbewohnbarer Stadtviertel. „Wir standen in der Vergangenheit vor
Herausforderungen und wir werden in der Zukunft vor Herausforderungen
stehen. Wichtig aber ist, dass wir wieder aufstehen, wenn wir am Boden
liegen“, sagte Turner, „und diese Spiele sind ein Zeugnis des Willens,
wieder aufzustehen.“
Eine seltsam zwiespältige Stimmung herrschte dann im Stadion, bedrückt und
doch erwartungsfroh. Sowohl Publikum wie Mannschaft waren angespannt – im
Gegensatz zur gewohnten relaxten Atmosphäre bei Baseballspielen, die meist
Familienpicknicks mit kontemplativer Sportbetrachtung sind. Die Astros
hatten zu Lebensmittelspenden aufgerufen und Gratistickets in
Notunterkünften verteilt. Doch die gedämpfte Stimmung war schnell
verflogen, als die Astros beide Spiele gewannen.
## „Boston Strong“
Die Rückkehr in ihre Stadt war auch der Beginn einer kleinen Siegesserie,
die die Führung der Astros in ihrer Division festigte. Denn sportlich lief
es glänzend für den Klub. Zu Mitte der langen, 162 Spiele währenden Saison
war man zwar aufgrund von Verletzungen etwas aus dem Tritt geraten, aber
die Qualifikation für die Play-offs war nicht wirklich in Gefahr.
Dann kam „Harvey“. Und mit ihm eine psychologisch schwierige Situation. Die
Astros sind nun ein Symbol für den Widerstandsgeist der Stadt. An diesem
Druck kann eine Mannschaft zerbrechen. Oder sie kann von ihm zum Erfolg
getragen werden, so wie die Boston Red Sox 2013: Nach dem Terroranschlag
auf den Boston Marathon im April jenes Jahres wurde jedes Heimspiel der Red
Sox zu einer Demonstration gegen den Terror und für den Willen, sich nicht
unterkriegen zu lassen. Spieler hielten mal tränenreiche, mal trotzige
Reden, hinter der Auswechselbank hing ein Trikot mit der Aufschrift „Boston
Strong“. Dass die Red Sox dann die World Series für sich entschieden, war
eine Klimax an der Grenze zum Kitsch.
Dass die Geschichte 2017 ähnlich verläuft, darauf hoffen sie nun in
Houston. Und haben dem Schicksal schon etwas nachgeholfen. Am vergangen
Donnerstag verpflichteten sie mit Justin Verlander einen der besten Pitcher
seiner Generation. Der 34-Jährige kam im Tausch für drei Nachwuchstalente.
Die Houston Astros haben eine hoffnungsvolle Zukunft gegen eine hoffentlich
erfolgreiche Gegenwart eingetauscht. Und Hoffnung ist wohl das, was Houston
gerade dringend braucht.
5 Sep 2017
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## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Sturm Harvey
Houston
Baseball
Basketball
Schwerpunkt Rassismus
USA
Houston
Texas
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