# taz.de -- Schäden durch Erdwärme-Bohrungen: Die Stadt haftbar, nicht die Bo… | |
> Wegen Geologie-Unkenntnis führten Bohrungen in Staufen zu erheblichen | |
> Schäden. In einer Einigung übernimmt die Stadt die meisten Kosten. | |
Bild: Rissig durch Ignoranz: das Staufener Rathaus | |
Freiburg taz Im südbadischen Staufen geriet in den letzten Jahren nach | |
Bohrungen für Sonden einer Erdwärmepumpe die gesamte historische Altstadt | |
in Bewegung. Mehr als 270 Häuser bekamen Risse, manche davon so mächtig, | |
dass man mit der Hand hineingreifen konnte. Die Schäden summieren sich auf | |
mehr als 50 Millionen Euro. | |
Die verantwortlichen Bohrfirmen werden – so legt es eine nun getroffene | |
außergerichtlichen Einigung fest – nur 1,175 Millionen Euro für die | |
entstandenen Schäden bezahlen. Die Stadt verzichtet auf alle weiteren | |
Forderungen. Der Großteil der Sanierungskosten bleibt somit an der Stadt, | |
dem Land und den betroffenen Hauseigentümern hängen. | |
Die Hintergründe sind eindeutig. Im Herbst 2007 hatten Bohrunternehmen | |
unter dem Rathaus der 7.700-Einwohner-Stadt sieben Löcher von jeweils 140 | |
Meter Tiefe niedergebracht, um das Rathaus mit Erdwärme zu versorgen. Was | |
dann passierte, ist geologisch inzwischen geklärt: Im Untergrund von | |
Staufen, wo der Schwarzwald in die Rheinebene übergeht, liegt eine 75 Meter | |
dicke Gips-Keuper-Schicht. In diesen Horizont drang durch die Bohrungen | |
Wasser ein, was dazu führte, dass das dort anstehende Mineral Anhydrit sich | |
zu Gips wandelte – ein Prozess, bei dem das Gestein fast 60 Prozent an | |
Volumen gewinnt. | |
Erste Schäden am Rathaus traten schon wenige Wochen nach den Bohrungen auf. | |
Ein Jahr später maß die Stadt Staufen eine Hebung ihrer Altstadt von 11 | |
Millimetern im Monat. Techniker versuchten, die Bohrungen sukzessive | |
abzudichten – die Bewegungen wurden zwar eingedämmt, das Gelände hebt sich | |
aber immer noch um rund zwei Millimeter pro Monat. In der Summe ergaben | |
sich in den letzten zehn Jahren örtlich Hebungen von mehr als 60 | |
Zentimetern und seitliche Verschiebungen von mehr als 45 Zentimetern – für | |
einzelne Gebäude oder Gebäudeteile blieb da am Ende nur noch der Abriss. | |
Durch diesen Missstand wurde Staufen zeitweise zur Hochburg von Geologen | |
und Geotechnikern. 2010 kamen 350 Fachleute, um über die Sanierung zu | |
beraten. Schnell wurde klar, dass die Verursacher niemals in der Lage sein | |
werden, für Verluste in dieser Größenordnung aufzukommen. So traf das Land | |
Baden-Württemberg im März 2014 eine Finanzierungsvereinbarung mit den | |
kommunalen Landesverbänden und der Stadt über die Begleichung der ersten 30 | |
Millionen Euro. Danach übernehmen das Land einerseits und alle Städte und | |
Gemeinden Baden-Württembergs andererseits jeweils 12 Millionen Euro der | |
Kosten, die Stadt Staufen 6 Millionen Euro. | |
Bürgermeister Michael Benitz, der schon im Amt war, als die Stadt den | |
Auftrag zu den fatalen Bohrungen vergab, spricht von „zehn Jahren | |
Ausnahmezustand“. Denn die Hebungen haben vielfältige Konsequenzen; neben | |
den permanenten Untersuchungen und Reparaturen an den Gebäuden ist vor | |
allem die Sicherheit des Erdgasnetzes ein Dauerthema. | |
Aber Staufen kämpft. Die Erdwärmepumpe hat der gemütlichen Kleinstadt | |
südwestlich von Freiburg schon vor Jahren ein vielsagendes Stadtmotto | |
beschert: „Staufen darf nicht zerbrechen.“ | |
26 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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