# taz.de -- Strom und Wärme aus der Erde: Geothermie gerät unter Druck | |
> Aus der Wärme der Erde Strom zu erzeugen klingt genial. Doch ein Projekt | |
> in den USA scheitert. Auch in Deutschland bringen Beben und hohe Kosten | |
> die Branche in Verruf. | |
Bild: Michael Benitz, Bürgermeister von Staufen im Breisgau, zeigt auf Risse i… | |
BERLIN taz | Ein schwerer Rückschlag für die Energieerzeugung aus Erdwärme: | |
In den USA sollte 160 Kilometer nördlich von San Francisco mit Staatsgeld | |
ein Geothermie-Kraftwerk entstehen. Es sollte ein Renommierprojekt der | |
Regierung von US-Präsident Barack Obama werden, doch jetzt steht es vor dem | |
Aus. Wie die New York Times berichtete, hat der Bauherr die Bohrungen nach | |
"einer Flut von Problemen" gestoppt. | |
Auf Schwierigkeiten stößt die Geothermie-Branche auch in Europa. Dieser | |
Tage wurde die Risikoanalyse aus Basel fertig, wo der Bau eines | |
Erdwärmekraftwerks vor drei Jahren Beben bis Stärke 3,4 ausgelöst hatte. | |
Die Untersuchung zeigt, dass sich bis zu 200 spürbare Erdstöße ereignen | |
könnten, wenn die Anlage wie geplant in Betrieb ginge. Besonders brisant: | |
Beben mit einer Magnitude von bis zu 4,5 seien möglich. Damit ist das | |
Projekt tot. Der zuständige Geologe steht unterdessen wegen der | |
Erschütterungen in Basel vor Gericht. | |
Vor allem im pfälzischen Landau, wo seit 2007 ein Erdwärmekraftwerk in | |
Betrieb ist, dürfte man die Erkenntnisse aus Basel mit mulmigem Gefühl | |
vernehmen. Denn auch in Landau wurden im August und September zwei Beben | |
bis Stärke 2,9 gemessen. Die Landesregierung knüpfte darauf hin den | |
Weiterbetrieb an neue Auflagen. | |
In der badischen Gemeinde Staufen zerfällt derzeit die Altstadt, seit für | |
eine Erdwärmeanlage eine Gipsschicht unter dem Rathaus angebohrt wurde. | |
Jetzt quillt sie durch den Eintritt von Wasser auf. In einem Gebiet von 300 | |
mal 300 Meter Größe sind bereits mehr als 230 Gebäude beschädigt, das erste | |
Haus steht vor dem Abriss. Die Stadt wollte eine Wärmepumpenheizung bauen – | |
und hinterließ nun Schäden von mehr als 50 Millionen Euro. | |
Schon gibt es im Südwesten einen zweiten Fall: Auch in Schorndorf östlich | |
von Stuttgart ist eine Schule nach Erdbohrungen für eine Wärmepumpe stark | |
beschädigt, auch acht Privathäuser sind betroffen. Und in Wiesbaden bohrten | |
im November – auch hier ging es um eine Wärmepumpe – Bauarbeiter | |
versehentlich eine unter Druck stehende Wasserblase an, was zu einer | |
Überflutung in der Innenstadt und zu einem Großeinsatz der Feuerwehr | |
führte. Haften müsse in einem solchen Fall prinzipiell der | |
Grundstückseigentümer beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherung, heißt | |
es beim Bundesverband Wärmepumpe. Nur bei groben Fehlern hafte das | |
Bohrunternehmen. In Staufen prüft die Stadt genau das gerade und erwägt | |
eine Haftungsklage gegen die Bohrfirma. | |
Neben den geologischen Problemen sind es die enormen Kosten, die der | |
Branche zunehmend zu schaffen machen – obwohl der Staat sie gut bedacht | |
hat: Fast 27 Cent je Kilowattstunde können Erdwärmekraftwerke für jede | |
Kilowattstunde an Einspeisevergütung bekommen. Darüber hinaus stellt das | |
Marktanreizprogramm bis zu zwei Millionen Euro an Zuschuss für jede Anlage | |
bereit, für die Bohrungen gibt es zusätzlich bis zu fünf Millionen Euro pro | |
Projekt. Und zudem bürgt auch noch die staatliche Bank KfW für Kredite bei | |
privaten Instituten in Höhe von bis zu 80 Prozent der Bohrkosten – solche | |
Rundumversorgung gibt es selten. | |
Dankbar sind die Geothermiker dennoch nicht. Während die Fotovoltaikbranche | |
sehr genau vorrechnet, wie der Solarstrom in Zukunft von Jahr zu Jahr | |
billiger wird, blockt das Geothermielager das Thema ab. Auf "solche | |
Spekulationen" wolle man sich nicht einlassen, hieß es kürzlich auf der | |
Jahrestagung der Branche. Der Grund ist klar: Längst ist absehbar, dass mit | |
sinkenden Kosten des Solarstroms die Geothermie bald den teuersten Part im | |
regenerativen Energiemix einnehmen wird. | |
Verantwortlich dafür ist auch der teilweise sehr hohe Eigenstromverbrauch | |
der Kraftwerke. Denn die Anlagen brauchen nicht nur Strom, um das heiße | |
Wasser aus der Erde zu pumpen, sondern mitunter auch noch, um das | |
abgekühlte Wasser wieder zu verpressen. Aus Landau wurden nun erste Zahlen | |
bekannt: Bis zu 25 Prozent der erzeugten Strommenge gehe für den Betrieb | |
des Kraftwerks direkt wieder drauf, musste die Betreiberfirma dieser Tage | |
eingestehen. | |
Angesichts dieser vielfältigen Probleme bleiben in Deutschland auch die | |
Zubauprognosen sehr bescheiden. Die Branche selbst geht inzwischen davon | |
aus, dass sie im Jahr 2020 weniger als ein Prozent zum deutschen Strommix | |
beitragen wird – während die anderen erneuerbaren Energien zusammen fast 50 | |
Prozent prognostizieren. Die Relationen sind deutlich: Was die Geothermie | |
in den kommenden zehn Jahren zubauen will, schafft die Windkraft bereits in | |
einem einzigen Jahr und die Fotovoltaik in maximal zwei Jahren. | |
21 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
Bernward Janzing | |
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Energiepolitik | |
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