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# taz.de -- Im badischen Staufen bröckelt es: Unterm Städtle ist der Teufel l…
> In der badischen Kleinstadt Staufen wurde 2007 gebohrt, um Energie aus
> Erdwärme zu gewinnen. Seitdem bröckeln Mauern, Fußböden reißen auf.
Bild: Einer der unzähligen Risse in Staufen.
STAUFEN taz | Fans von Goethe kennen Staufen - vielleicht. In dem
beschaulichen Ort in Südbaden nämlich soll Dr. Faustus gelebt haben. Im
Gasthaus Löwen am Marktplatz soll Faust bei alchemistischen Experimenten
umgekommen sein. Mephistopheles, der Oberteufel, habe ihn geholt. 1546 soll
das gewesen sein.
Viel mehr Spektakuläres ist über Staufen mit seinem mittelalterlichen
Stadtkern, der badische Gemütlichkeit ausstrahlt, nicht zu sagen, wäre man
vor zwei Jahren nicht auf die Idee gekommen, das Rathaus mit Erdwärme
beheizen zu wollen. Bei den 142 Meter tiefen Erdwärmebohrungen wurde
„jungfräuliches Gestein“, wie Ralph Watzel vom Institut für Geologie,
Rohstoffe und Bergbau in Freiburg sagt, durchstoßen. Mit fatalem Ergebnis.
Denn seit 2007 hebt sich die Erde unter der Stadt. Rund ums Rathaus sind es
bereits fast zwanzig Zentimeter. Und jeden Monat kommt ein Zentimeter dazu.
Dem können die alten Häuser der Altstadt nicht mehr so lange Stand halten.
Der Gasversorger hat schon mal das Gasnetz in kleinere Segmente unterteilt.
Zuerst tauchten Risse auf. Mittlerweile sind aus den Rissen schon Spalten
geworden. Manche von ihnen weiten sich, an anderen Stellen stauchen sie
sich auch. Der ganze Boden unter der Erde ist wie im Fluss. Dem Bauamt
hinterm Rathaus ist der Schaden am meisten anzusehen. Fenster rutschen ins
Parallelogramm, Böden heben sich, Wände springen auf. Durch manche Spalten
kann man durchsehen auf die Fassaden der gegenüber liegenden Häuser. An
anderen Gebäuden kann man mit Gips und Farbe das Schlimmste noch
verstecken. Denn der Verfall geschieht in Zeitlupentempo. Deshalb wird der
Katastrophenfall nicht ausgerufen, entschied das Regierungspräsidium.
Seit zwei Jahren müssen die Bewohner der historischen Altstadt mit dieser
Entwicklung leben. „Wenn es ein Erdbeben wäre“, sagt der Bürgermeister
Michael Benitz der sonntaz, „dann wäre der Schaden auf einen Schlag da. Man
könnte reparieren und es wäre nicht für die Katz.“ So aber, weiß man nich…
was noch kommt. 197 Hausbesitzer haben bereits Risse gemeldet, sieben
städtische Gebäude kommen dazu. Die Immobilien sind nichts mehr Wert. Der
Schaden wird derzeit bereits auf 41 Millionen Euro geschätzt. Der drohende
Verlust an Kultur ist nicht mitgerechnet.
Denn noch immer ist nicht abschließend geklärt, was die Ursache ist.
Vermutlich steigt entlang der Bohrsonden für die Geothermieanlage Wasser in
Erdschichten, in denen Material lagert, das aufquillt, sobald es nass wird.
Das ist die Arbeitsthese einer geologischen Erkundungsbohrung, mit der die
Wissenschaftler versuchen herauszufinden, welcher Schaden angerichtet
wurde, als die Erdwärmesonden verlegt wurden. Alles spricht dafür, dass die
These stimmt. Wie groß aber die Hebung sein wird, darüber schweigen die
Geologen noch. Was bisher an Information durchsickert, klingt nicht gut.
Mindestens 30 Meter mächtig ist die Schicht, in der quellfähiges Material
lagert. Anhydrid, eins der quellfähigen Mineralien, kann sein Volumen um 60
Prozent erhöhen. Wie viel Anhydrid in der quellfähigen Schicht ist, sagt
Watzel vom Geologischen Institut nicht, bevor die Erkundungsbohrung, die
sich seit Wochen hinauszögert, nicht abgeschlossen ist.
Wie die Menschen in Staufen mit der schleichenden Katastrophe umgehen, ist
Thema einer dreiseitigen Reportage in der sonntaz. Sie müssen entscheiden,
ob sie um ihre Existenz kämpfen oder um die Gemeinschaft und die über
Jahrhunderte gewachsene kleinstädtische Kultur.
7 Aug 2009
## AUTOREN
Waltraud Schwab
Waltraud Schwab
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Wegen Geologie-Unkenntnis führten Bohrungen in Staufen zu erheblichen
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