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# taz.de -- Beleidigte Polizei: Das falsche T-Shirt
> Auf St. Pauli will ein Polizist eine Frau wegen eines „A.C.A.B.“-Shirts
> anzeigen. Die Betroffene vermutet steigende Repression nach dem
> G20-Gipfel.
Bild: Dieses A.C.A.B.-Graffiti hat die Polizei am 7.7. vermutlich nicht interes…
HAMBURG taz | Die aufgeheizte Stimmung während des G20-Gipfels an der Elbe
hallt auch im Alltag nach. Die Polizei auf St. Pauli scheint immer noch
nervös zu sein. So sehr, dass sich ein Beamter von einem T-Shirt irritieren
lässt und der Trägerin eine Anzeige aufdrückt. „Damit habe ich nun wirklich
nicht gerechnet“, sagt die Verkäuferin des kleinen Ladens „Obst & Gemüse�…
am Hein-Köllisch-Platz, die den baumwollnen Stein des Anstoßes lieferte.
Ihr Vergehen: Am falschen Ort mit dem falschen T-Shirt mit einem falschen
Akronym.
Sie trug am vergangenen Donnerstag zur Arbeit ein verwaschenes schwarzes
T-Shirt mit weißen Aufdruck „A.C.A.B“ („All cops are bastards“). Gegen
Nachmittag musste das Kollektiv des Bioladens die Feuerwehr rufen. Weil von
der Fassade des mehrstöckigen Altbaus Steinteile herunterfielen. „Wenn man
die Feuerwehr ruft, kommt auch die Polizei“, sagt eine Kollegin der
Betroffenen. Mit einem Einsatzwagen waren der Beamter und eine Beamtin vor
der Feuerwehr vor Ort, berichteten sie.
Zum Schutz ihrer Kunden hatte die Mitarbeiterin an der Eingangstür bereits
einen Sonnenschirm aufgestellt. Nach einem kurzen Gespräch sperrte die
Polizei das Gefahrengebiet mit weiß-roten Plastikband ab. „Ich stand vor
unserem Laden, schaute zu“, sagt die Betroffene, die schon Feierabend
hatte. Plötzlich ging der Beamte auf sie zu und sagte, er fühle sich von
ihr persönlich beleidigt. Er werde sie anzeigen und er wolle ihre
Personalien aufnehmen. Dabei habe er auf das T-Shirt mit der Parole
gezeigt, erinnert sich die Betroffene. Sie hätte wenigstens ihre Jacke
zumachen können, so lange sie da wären, soll er weiter gesagt haben.
„Vielleicht dachte er, ich wäre eine Zuschauerin. Aber als ich in unseren
Laden ging, um meinen Personalausweis zu holen, wusste er, dass ich da
nicht rumstand, um ihn zu provozieren“, sagt die 37-Jährige.
Das Akronym „A.C.A.B“ wird in verschiedenen Jugend- und Subkulturen
verwendet. Als Tattoo auf Hooliganarmen, als Parole an Wänden besetzter
Häusern, als Slogan bei Fußballspielen oder eben als Aufdruck bei
Bekleidung. Seit Ende der 70er begann „Alle Polizisten sind Bastarde“
zunächst in Großbritannien in verschiedenen Szenen beliebt zu werden.
In Deutschland scheint die Polizei auf die Abkürzung sensibel zu reagieren.
Immer wieder stellten Beamte Anzeigen. Bereits 2000 entschied das
Amtsgericht Tiergaren in Berlin, dass das Tragen eines Bekleidungsstücks
mit „A.C.A.B.“ höchstens eine Beleidigung eines Kollektivs sei, dieses
Kollektiv sei aber eine unüberschaubare Masse an Polizisten.
Das Oberlandesgericht verurteilte 2013 indes einen Fußballfan des FC Bayern
München zu 3000 Euro Strafe, weil er auf einer Hose die vier Buchstaben
stehen hatte. Der 33-jährige Leiharbeiter aus Mügeln bei Leipzig zog bis
vor das Bundesverfassungsgericht. Mit Erfolg: Die Karlsruher Richter
entschieden am 17. Mai 2016, wer das Kürzel „ACAB“ öffentlich zur Schau
stellt, macht sich nicht wegen Kollektivbeleidigung von Polizisten
schuldig. Genau heißt es in dem Urteil, dass die „Kundgabe der
Buchstabenkombination ‚A.C.A.B.‘ im öffentlichen Raum … vor dem Hintergr…
der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar“ sei. „Die
Verurteilung wegen Beleidigung gemäß Paragraf 185 Strafgesetzbuch setzt
voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und
abgegrenzte Personengruppe bezieht.“
Was das für den Fall am Hein-Köllisch-Platz heißt, konnte die Polizei noch
nicht sagen. Bis Sonntag ist laut Pressesprecher noch keine Anzeige
eingegangen. Die Betroffene erwartet mit Spannung, was da kommt: „Für den
Fame mag das ja ganz amüsant sein, aber ist das alles nicht recht
unentspannend?“ Sie fragt weiter: „Oder ist das jetzt nach den Protesten
die gestiegene Repression gegen alles, was links sein könnte?“
16 Jul 2017
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Polizei
G20-Gipfel
AfD Bremen
Polizei Sachsen
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