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# taz.de -- Fussball-Europameisterschaft der Frauen: Kicken um Aufmerksamkeit
> Titelverteidiger Deutschland ist bei der EM in den Niederlanden mal
> wieder Favorit. Doch anderswo wächst der Stellenwert des Sports
> schneller.
Bild: Am Sonntag geht es los: Lotta Schelin (rechts) macht sich warm
Vor wenigen Wochen erst haben zwei Frauenteams auf dem Kilimandscharo,
knapp unter dem Gipfel des höchsten Bergs Afrikas, Fußball gespielt. Auf
kargem, steinigem und mit Sand aufgebessertem Geläuf. Mit der spektakulären
Aktion auf fast 6.000 Höhenmetern wollte man auf die immensen Probleme des
Mädchen- und Frauenfußballs im Kampf um Gleichstellung aufmerksam machen.
An diesem Mittwoch nun bezog die deutsche Fußball-Nationalelf in der
platten niederländischen Provinz ihr Quartier für die Frauen-EM. Mit zehn
Tonnen Gepäck, wie der DFB stolz vermeldete, reiste der Tross in der
Nobelherberge in Sint-Michielsgestel an. Einen Gebäudeflügel hat man dort
für sich reserviert.
EM-Neuling Linda Dallmann muss sich vermutlich stündlich zwicken. Sie
bekannte: „Ich bin immer wieder überwältigt, wie wir leben können. Das ist
großer Luxus, und man kann sehr froh sein.“ Der DFB hat offenkundig noch
einmal ein wenig draufgelegt, um seine Auswahlspielerinnen in eine andere
Welt zu entführen. Sechsmal hat man zuletzt den EM-Titel gewonnen, nun soll
der siebte Streich gelingen.
Im Alltag erfahren die DFB-Kickerinnen deutlich weniger Aufmerksamkeit. In
der Bundesliga ist der Besucherschnitt in dieser Saison gerade wieder um 12
Prozent zurückgegangen und in den dreistelligen Bereich (927 Zuschauer)
gerutscht. Die erhoffte positive Trendwende nach dem Gewinn der olympischen
Goldmedaille 2016 in Rio blieb aus. Und auch von der Basis werden
rückläufige Zahlen oder zumindest Stagnation vermeldet. So ist die Zahl der
Mädchenmannschaft von 13.400 im Jahr 2012 auf 12.300 im Jahr 2016
geschrumpft.
Die ehemalige Nationalspielerin Petra Landers beklagte kürzlich im
taz-Interview, dass mit dem Abgang von DFB-Präsident Theo Zwanziger vor
allem der Unterbau des Frauenfußballs leide. Hannelore Ratzeburg, die für
Frauenfußball zuständige DFB-Vizepräsidentin, will davon nichts wissen. Sie
argumentiert rückwärtsgewandt und erklärte jüngst dem Deutschlandfunk, dass
vieles, was man erreicht habe, mittlerweile als selbstverständlich
angesehen werde – selbst von den Aktiven.
## Fast viermal so viel Preisgeld
An der Spitze des Frauenfußballs ist indes einiges in Bewegung. Bei der EM
in den Niederlanden schüttet die Uefa an die Teams mit 8 Millionen Euro
fast viermal so viel Geld aus wie beim letzten Turnier 2013 in Schweden
(2,2 Millionen Euro). Eine beträchtliche Steigerung auch dann, wenn man die
Aufstockung des Teilnehmerfelds von 12 auf 16 Teams berücksichtigt.
Die deutsche Dominanz der letzten Jahre dürfte indes bald ins Wanken
geraten, weil immer mehr europäische Spitzenklubs den Frauenfußball für
sich entdecken. In England haben mittlerweile bis auf Manchester United und
Southampton alle Premier-League-Klubs ein Frauenteam. Bei Manchester City
hat man sich kürzlich dazu bekannt, sowohl bei den Männern als auch bei den
Frauen weltweit die Number One sein zu wollen. Und wie beim Chelsea FC ist
man dabei, entsprechend fundierte Ausbildungs- und Scoutingsysteme
aufzubauen. Das wird auch dem britischen Nationalteam zugutekommen.
Real Madrid und Juventus Turin haben in diesem Frühjahr erklärt, ebenfalls
Frauenteams aufbauen zu wollen. Mit den Gehaltszahlungen von Olympique Lyon
und Paris Saint-Germain können die Frauenbundesligisten schon seit einiger
Zeit nicht mithalten.
## Frauenfußball als Marketinginstrument
Und der FC Barcelona hat Mitte Mai ein ganz besonderes Projekt vorgestellt:
Ab 2018 will der spanische Klub mit einem Frauenteam in der US-Profiliga
NWSL starten. „Der FC Barcelona festigt damit seinen Status als globale
Marke und stärkt gleichzeitig sein Engagement im Frauenfußball“, heißt es.
In den USA genießt der Frauenfußball eine größere Popularität als der
Männerfußball.
Es bleibt abzuwarten, wie beständig das noch recht frische Interesse dieser
großen Klubs weiterverfolgt wird und was dabei für die Basis rausspringt.
Dass der Frauenfußball mittlerweile von diesen Vereinen als
gewinnbringendes Marketinginstrument wahrgenommen wird, kann man einerseits
als Erfolg feiern, andererseits begeben sich die Fußballerinnen vielleicht
in unliebsame Abhängigkeiten.
Wobei die Spielerinnen schon jetzt auf das Wohlwollen und die
Aufmerksamkeit ihrer männerdominierten Verbände angewiesen sind. Das führt
dann dazu, dass ihre Interessensvertreterinnen sich so handzahm verhalten
wie DFB-Vize Hannelore Ratzeburg. Am Freitagabend stattete DFB-Chef
Reinhard Grindel den deutschen Titelverteidigerinnen einen
Höflichkeitsbesuch im EM-Quartier ab.
Es ist ja selbst von der Verbandszentrale in Frankfurt aus nicht sonderlich
weit ins Nachbarland. Zum Auftaktspiel der Deutschen gegen die Schwedinnen
am Montag wird Grindel allerdings nicht in den Niederlanden sein. Er sei
„leider verhindert“, teilt man beim DFB mit.
16 Jul 2017
## AUTOREN
Johannes Kopp
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