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# taz.de -- Synchronschwimmen in der Krise: Es plätschert sich aus
> Durch Sparmaßnahmen ist die Sportart in Deutschland in ihrer Existenz
> bedroht. Warum die Deutsche Meisterin trotzdem durchhalten will.
Bild: Auch hier ist Marlene Bojer dabei: das deutsche Synchronschwimmteam
Im Leben der Synchronschwimmerin Marlene Bojer gibt es eine magische Zahl,
die 80. Im Duett mit ihrer Partnerin Daniela Reinhardt möchte die
Vorzeigeathletin der Münchner Isarnixen bald die Hürde von 80
Wertungspunkten knacken, am liebsten schon bei der Weltmeisterschaft in
Budapest.
Am Freitag beginnen die Frauen ihre Wettkämpfe in der ungarischen
Hauptstadt. Bei den Swiss Open vor knapp zwei Wochen waren Bojer und
Reinhardt mit 79,1330 Punkten bereits nah dran am großen Etappenziel, über
dem der große Karrieretraum Tokio 2020 thront.
„Ich war schon auf zwei Weltmeisterschaften, jetzt kommt meine dritte. Da
bleibt nur noch das absolute Highlight Olympia. Ich will einfach alles
schaffen“, sagt Bojer im Gespräch mit der taz. Denn die amtierende deutsche
Meisterin im Solo, im Duett und in der Kombination weiß: „Ohne dieses Ziel
wäre es fad.“
Allerdings merkt Deutschlands beste Synchronschwimmerin auch, dass die
Sportart ihr immer mehr Opfer abverlangt, vor allem finanziell. An ihr
Mauerblümchen-Dasein haben sich die Sportlerinnen längst gewöhnt. Im Zuge
der Sparmaßnahmen des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), der ab 2019 mit
ein Viertel weniger Geld auskommen muss, ist es für die Synchronsparte
inzwischen schwer geworden. „Bei uns wird es echt etwas spärlich. Schon in
diesem Jahr mussten wir einen großen Betrag selber zahlen, um zu
Wettkämpfen fahren zu können“, erzählt Bojer und präzisiert: „Jeder von…
tausend Euro. Das ist natürlich eher nicht okay.“
## Null Euro Sporthilfe
Schon gar nicht, wenn man, wie sie, nicht mehr bei den Eltern wohnt, neben
dem Leistungssport noch studiert und in Bayern Miete zahlen muss, wo der
Landesverband nicht die kompletten Kosten übernimmt. Im Moment greift die
Studentin der Druck- und Medientechnik für die Finanzierung von Lehrgängen
und Wettkämpfen auf die Reserven aus einem Praxissemester im vergangenen
Jahr zurück. „Ich habe einen Puffer, ansonsten wären Mama und Papa dran.
Ich bin jetzt 24 und möchte nicht immer zu meinen Eltern rennen und sagen:
Oh, ich brauch hier die Fahrkarte oder dies und das.“
Obwohl der DSV den dicken Rotstift erst in eineinhalb Jahren ansetzen muss,
spüren die Synchronschwimmerinnen die Sparmaßnahmen schon jetzt. Im Vorjahr
erhielt Bojer, WM-Teilnehmerin 2009 und 2015, 200 Euro Sporthilfe plus 400
Euro aus einem Stipendium. „Aktuell“, sagt sie, „habe ich null Euro.“
Statt wie bisher neun werden nun nur noch drei Synchronschwimmer von der
Sporthilfe unterstützt. Und selbst diese Plätze sind noch nicht benannt.
Seit dem 1. Januar herrscht totale Ebbe. „Das erschwert die Sache
zusätzlich, weil man mit nichts planen kann und ziemlich viel selber
vorschießen muss. Und wenn du dann nicht unter den dreien bist, die das
Geld bekommen, bist du auch am Arsch“, sagt Marlene Bojer.
## Nur alle sechs Wochen zum Lehrgang
Das Vertrauen der gebürtigen Münchnerin in den DSV ist nach elf Jahren
Leistungssport schwer erschüttert. Auch weil sich die
Synchronschwimmerinnen als klassische Teamsportlerinnen im Schnitt nur alle
sechs Wochen zu Lehrgängen in Heidelberg oder Karlsruhe treffen.
„Im internationalen Vergleich haben wir einen Riesennachteil gegenüber
denen, die jeden Tag zusammen trainieren“, sagt Bojer, die den
schleichenden Tod ihrer Sportart kommen sieht. „Einige“, ahnt sie, „werden
noch bereit sein, für ein paar Wettkämpfe eigenes Geld zu investieren. Aber
langfristig wird das Ganze ein bisschen ausplätschern, weil man von
niemandem Unterstützung bekommt.“
Ihr selbst ist die Lust an den Formationen, Sprüngen und Drehungen im
Wasser noch nicht vergangen. Vielmehr plant sie, das Geld für
Trainingslager gemeinsam mit ihrer Vereinskollegin Reinhardt in einem
eigenen Projekt per Crowdfunding aufzutreiben. „Wir zwei haben Olympia 2020
einfach ganz klar auf dem Schirm.“
14 Jul 2017
## AUTOREN
Andreas Morbach
## TAGS
Schwimmen
Sportförderung
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