# taz.de -- Dänische Firma exportiert an Regime: Spitzeltechnik? Könnt ihr ha… | |
> Dänemark genehmigte den Verkauf avancierter Überwachungstechnologie. Und | |
> zwar an Staaten wie Saudi-Arabien, Oman und Katar. | |
Bild: Die Genehmigung für den Export über Saudi-Arabiens Grenzen erteilte die… | |
Stockholm taz | Dänemark hat hochspezialisierte Spitzeltechnik an | |
autoritäre Regime verkauft. Das haben die dänische Tageszeitung Information | |
[1][und die britische BBC enthüllt]. In Kopenhagen hatte man bislang keine | |
Bedenken, die Exporte zu genehmigen. Und das, obwohl neben Menschenrechten | |
auch europäische Sicherheitsinteressen tangiert sein könnten. | |
Es geht unter anderem um ein „Evident“ genanntes System, das die auf | |
Überwachungstechnik spezialisierte Firma ETI in Nørresundby entwickelt hat. | |
Diese gehört mittlerweile zum britischen Rüstungskonzern BAE und heißt nun | |
BAE Systems Applied Intelligence A/S. Verkauft wurde die Technik | |
beispielsweise an Staaten wie Saudi-Arabien, Oman und Katar. | |
Nach Einschätzung von Nicholas Weaver von der Berkeley-Universität in | |
Kalifornien, Experte für Spitzeltechnik und Spähsoftware, ist sie in der | |
Lage, zu überwachen, was eine ganze Bevölkerung so online treibt. „Man kann | |
sehen, welche Webseiten besucht werden und wo die Leute sich gerade mit | |
ihren Smartphones bewegen“, sagt er. Zumindest teilweise könne sogar | |
verschlüsselte Mail-Korrespondenz mitgelesen werden. | |
„Es ist klar, dass man damit totalitären Regimen ein Handwerkszeug liefert, | |
das dazu beiträgt, die Bevölkerung zu unterdrücken“, kritisiert Trine | |
Christensen, Generalsekretärin von Amnesty International in Dänemark. „Wie | |
konnte Dänemark so etwas genehmigen?“ | |
## Lücke in EU-Regelungen | |
Darauf gibt es vermutlich eine einfache Antwort: Weil es den dänischen | |
Wirtschaftsinteressen dient. Die Genehmigung für den Export des Systems | |
nach Saudi-Arabien erteilte die Wirtschaftsbehörde Erhvervsstyrelsen, die | |
sich bei ihren Entscheidungen jeweils mit Außen- und Wirtschaftsministerium | |
abstimmen muss, beispielsweise im Februar 2016. Zwei Wochen später stattete | |
eine hochrangige dänische Wirtschaftsdelegation mit MinisterInnen und dem | |
Kronprinzenpaar an der Spitze Riad einen Besuch ab. Dabei wurde eine ganze | |
Reihe von Verträgen über einträgliche Geschäfte abgeschlossen. „Evident“ | |
war augenscheinlich ein erfolgreicher Türöffner. | |
Kopenhagen habe bei den Exportgenehmigungen ganz bewusst eine Lücke in den | |
EU-Regelungen ausgenutzt, meint Information. Zwar heißt es dort, | |
europäische Technologie dürfe nicht dazu beitragen, Menschen in anderen | |
Ländern zu unterdrücken. Allerdings müssen diese Gesichtspunkte im Rahmen | |
von Exportgenehmigungen nur „berücksichtigt“ werden, ausschlaggebend sind | |
sie nicht. | |
Festzustehen scheint, dass man in Kopenhagen besonders großzügig ist. Aus | |
einem vertraulichen Mailverkehr, den Information zitiert, geht hervor, dass | |
Großbritannien jedenfalls Teile des Exports nicht genehmigt hätte: „Wir | |
möchten deutlich darauf hinweisen, dass wir den Export der | |
Krypto-Analyse-Software nicht genehmigen würden“, schrieb der zuständige | |
Beamte der britischen Abteilung für Wirtschaft, Innovation und Ausbildung | |
vor einem Abschluss mit den Vereinigten Arabischen Emiraten an die dänische | |
Behörde. Dabei verwies er auf eine Bestimmung für den Export von „Waffen | |
und Dual-Use-Produkten, die geeignet sein könnten, die nationale Sicherheit | |
Großbritanniens und alliierter Staaten zu gefährden“. | |
## Reaktion auf die Enthüllungen | |
„Natürlich ist es absolut unvernünftig, Produkte zu liefern, die der | |
eigenen Sicherheit schaden könnten“, sagt Hans Jørgen Bonnichsen, | |
ehemaliger Chef des dänischen Verfassungsschutzes PET, der „ehrlich gesagt | |
gar nicht versteht“, dass man das in Kopenhagen offenbar anders gesehen | |
hat. | |
Es wird nicht die einzige Frage sein, die die in den letzten fünf Jahren | |
verantwortlichen PolitikerInnen nun beantworten müssen. „Es scheint einen | |
Bedarf zu geben, die nationale Exportkontrolle zu verschärfen“, sagte | |
Wirtschaftsminister Brian Mikkelsen in Reaktion auf die Enthüllungen. | |
„Dänemark scheint ja ein richtiges Schlupfloch für den Export von | |
Massenüberwachung an Unterdrückerregime zu sein“, kritisiert Nikolaj | |
Villumsen, außenpolitischer Sprecher der linken Einheitsliste: „Das ist | |
inakzeptabel und muss sofort aufhören.“ | |
16 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.information.dk/indland/2017/06/britisk-myndighed-advarede-danma… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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