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# taz.de -- Kolumne „Lügenleser“: Blockierte Spartaner
> Die Identitäts-Faschisten kamen in Berlin keinen Fußbreit voran. Nun
> lügen sie sich im Netz ihre Niederlage zurecht.
Bild: Fahnensymbol der „Identitären Bewegung“: der griechische Buchstabe L…
Wenn die montäglichen Demonstrationen des letzten Jahres von Pegida und Co
etwas gezeigt haben, dann dass es in Deutschland immer nur jemanden
braucht, der den Rassismus der Massen artikuliert.
Handelte es sich zuvor um eine undefinierbare Masse von wütenden
Netzkommentatoren, bekamen die vermeintlich Abgehängten nun Gesichter. Und
diese Gesichter wurden nun rumgereicht.
Kein TV-Sender, der sich das teils absurde Schauspiel auf dem Theaterplatz
entgehen ließ. Schließlich boten die Protagonisten neben der Tragödie ja
auch jede Menge Komödie. Hier waren sie nun, die Menschen aus dem Tal der
Ahnungslosen, denen man leider einen PC und WLAN zur Verfügung gestellt
hat. Eine Internetbewegung schaffte es auf die Straße.
In Berlin versuchte am Wochenende eine andere Internetbewegung die Straße
zu erobern. Die Hobbyspartaner um den extra aus Wien angereisten
Extremisten Martin Sellner hatten europaweit mobilisiert, um im
Migrantenbezirk Wedding zu zeigen, dass sie mehr können, als rein
theoretisch die Aktionsformen der Antifa zu kopieren, nicht ganz so doll
nach Neonazis auszusehen und sinnlos vor der CDU-Zentrale rumzugammeln.
## Demo-Desaster
Dass die „Identitäre Bewegung“ jedoch dieselben Initialen wie
„Internetbewegung“ ihr eigen nennt, sollte sich als sich selbst erfüllende
Prophezeiung erweisen. Die Demonstration wurde ein Desaster.
Nach wenigen Metern bereits blockiert, von Anwohnern beschimpft und von
einigen tatkräftigen Aktivisten mit Backpfeifen nach Hause geschickt, so
endete der Ausflug der friedliebenden Patrioten, die sich auch ein paar
Hooligans der HoGeSa zur Unterstützung geholt hatten. Half alles nichts.
Das wäre eigentlich die ganze Geschichte.
Wenn da nicht das Internet wäre. Dort wird sich die Niederlage nun fröhlich
zurechtgelogen. Faschisten zeichnet es allerdings schon immer aus, dass sie
lügen und nicht zu ihrer politischen Haltung stehen. Ein Kommunist wird
immer für den Kommunismus sprechen, auch der Sozialdemokrat trägt die
abgewetzte Fahne merkwürdig stolz vor sich her, selbst die Knalltüten von
der FDP stehen für ihre Meinung gerade.
Nur der Faschist möchte nicht so richtig raus mit der Sprache. Den Gipfel
der Scheinheiligkeit bilden dabei die sogenannten Identitären. Hippe
Instagram-Accounts, volles Haar und trendy Bärte, Wanderstiefel oder
Rüschenkleid statt Bomberjacke. Die Tattoos mit der Schwarzen Sonne oder
dem „Blut und Ehre“-Schriftzug verdeckt der Hemdkragen nur mäßig.
## Weltbild gesichert
Die eindeutige Niederlage in Berlin wird also dort schöngeredet wo die
Gruppierung ihren Nachwuchs rekrutiert: im Internet. Solange das WLAN
funktioniert, ist das eigene Weltbild gesichert.
In Dresden haben die Rassisten übrigens längst das getan, was sie,
abgesehen vom Verschleiern ihrer eigentlichen Ziele, am besten können: Sie
haben sich zerstritten.
Lutz Bachmann ließ es sich denn auch nicht nehmen, in Berlin mal nach den
Rechten zu schauen. Auf seiner Facebook-Seite las man dann von einem Erfolg
auf ganzer Linie. Natürlich. Was auch sonst.
13 Jul 2017
## AUTOREN
Juri Sternburg
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