| # taz.de -- Nach dem Anschlag von London: Nicht nachgeben | |
| > Der Tatort ist nach dem Anschlag noch weiträumig abgesperrt. Bewohner und | |
| > Gäste der Stadt schwanken zwischen Sorge und Gelassenheit. | |
| Bild: Gedenken an die Opfer des Anschlages von London | |
| London taz | Auf der Themse fahren wie immer die Touristen-Boote unter der | |
| London Bridge hindurch, es folgt jedoch ein schwarzes Schnellboot der | |
| Metropolitan Police. Die forensische Beweisaufnahme nach dem Anschlag von | |
| Samstagabend ist in vollem Gang. Mehrere Busse stehen noch immer auf der | |
| Brücke. Die Stadtrundfahrten der „Golden Tours“ drehen ihre Runden. | |
| Vor der Tate Modern Gallerie arbeitet wie an jedem Tag der bei Kindern so | |
| beliebte Seifenbläser, wenn auch vor weniger Zuschauern als sonst. Ein paar | |
| Schritte weiter singt Nicola Lynne, 30, „Walking on Sunshine“. „Ich fragte | |
| mich, ob ich heute überhaupt kommen sollte, nach dem was am Samstag | |
| passiert ist, und dann dachte ich: Doch, ich muss, aber ich suchte | |
| spezielle aufmunternde Lieder aus und wollte nicht ohne dieses T-Shirt | |
| kommen.“ Auf dem Hemd der Jazzsängerin prangt in riesigen Buchstaben das | |
| Motto einer britischen Antirassismuskampagne: „Love not Hate“. | |
| Auch das Hobby-Fußballteam, das sich jeden Sonntag auf dem Sportplatz | |
| hinter dem Borough Market trifft, ist wieder hier. „Wir entschlossen uns | |
| schon letzte Nacht, uns das Spiel nicht nehmen zu lassen“, erzählt der | |
| Rechtsanwalt Sergiy Burnus, 35, der seit sechs Jahren in London lebt. „In | |
| meiner alten Heimat der Ukraine rechnet man mit Terror, hier nicht. Alle | |
| kamen heute eine halbe Stunde später als normal, aber sie kamen.“ Beim | |
| Spiel fühlten sie sich dennoch ein bisschen betrübt, so Sergiy. | |
| Von einem betrübten und gebrochenem Herzen spricht auch der aus Somalia | |
| stammende Abdi Gibreel, 42, am Perkins Square, gleich um die Ecke vom | |
| Tatort. Er habe gehört, dass die Täter das angeblich für Allah taten, doch | |
| sie hätten nichts mit Muslimen wie ihm gemeinsam. „Ich bin diesem Land für | |
| meine Aufnahme dankbar. Wir müssen alle gemeinsam diese Terroristen | |
| bekämpfen“, sagt er. Er konnte gestern die Wohnung seiner Mutter wegen den | |
| Absperrungen der Polizei nicht verlassen. | |
| ## Angst vor Nachahmern | |
| In einem anderen Sozialbau in unmittelbarer Nähe des Tatorts, dem | |
| Northfleet House, erzählt Englischlehrer Del Osborne, 51, wie seine | |
| deutsche Frau gestern Abend aus Deutschland zurückgeflogen sei, aber wegen | |
| des Attentats nicht nach Hause kommen konnte. „Sie übernachtete bei | |
| Bekannten in Croydon und kam erst heute Morgen an“, schildert er. Osborne | |
| erzählt, wie er bereits seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New | |
| York im Jahr 2001 größere Menschenmengen meidet, obwohl er schon davor mit | |
| dem Terror der IRA aufgewachsen sei. „Aber die“, erinnert er sich, „riefen | |
| wenigstens vorher noch an und gaben Warnungen.“ | |
| Am dem Tatort nächstgelegenen und weitestgehend abgeriegelten Krankenhaus | |
| Guys and St. Thomas, wo auch einige der Opfer der Terrorattacke behandelt | |
| werden, erzählen die Krankenpflegerinnen Sonia Wilson und Sonia Ofiks Ntiz | |
| auch von ihrer Angst. Wilson sagt, sie wusste es könnte hier an London | |
| Bridge geschehen, da hier immer so viele Menschen sei. Sie fürchtet jetzt, | |
| dass es an anderen Orten auch geschehen könnte, beispielsweise in ihrem | |
| Einkaufszentrum am südlichen Stadtrand. | |
| Gleich neben dem Krankenhaus stehen mehrere Fernsehteams, genau wie an | |
| allen anderen Absperrungen, zusammen mit einigen Schaulustigen, die mit | |
| Handyfotos festhalten, dass sie hier waren. Absurdität und Kuriosität, und | |
| Unverständnis für den Ernst der Situation vermischen sich mit harten | |
| Reportagen. Auf der Straße sitzen Journalisten und tippen konzentriert in | |
| ihre Laptops. | |
| Mooz Avi, 66, und Avital Avi, 63, verstehen den Ernst der Lage sehr genau. | |
| „Wir fühlen uns ganz wie zu Hause“, sagen die Touristen aus Israel | |
| sarkastisch. Ihr Hotel ist in der Nähe des Tatorts, und so hörten sie die | |
| ganze Nacht lang Sirenen und Helikopter, berichten sie. „Wir machen | |
| trotzdem weiter Urlaub“, versichert Avital. „Es ist wichtig, nicht mit dem | |
| normalen Leben aufzuhören“, so Mooz. | |
| ## Sikh-Kundgebung nahe Trafalgar Square | |
| Tiefer in der Stadt gedenken britische Sikhs in einem Meer oranger Turbane | |
| und Fahnen des Massakers am Goldenen Tempel 1984 im indischen Bundesstaat | |
| Punjab. Einige posieren am Straßenrand mit Plakaten, auf denen sie ihre | |
| Ablehnung des Terrorismus' verkünden. Mandip Singh und Harninder Kaur, | |
| beide 40 und aus den englischen Midlands hierher gereist, sprechen wie | |
| viele andere von ihrer Solidarität mit den Opfern in London. | |
| Harninder berichtet, dass nach solchen Attentaten oft Sikhs wegen ihres | |
| Aussehens und aufgrund der Ignoranz mancher angegriffen werden, obwohl sie | |
| nichts mit islamistischen Anschlägen zu tun haben. Verschiedene | |
| Sikh-Organisationen taten alles, was sie konnten, um am Samstagabend | |
| Menschen und Familien in Not zu helfen. So wurden Essen und Wasser | |
| verteilt. Doch Harpreet Singh, 34, aus Birmingham, glaubt, dass einige der | |
| Botschaften an diesem alljährlichen Zusammenkommen dennoch falsch seien. | |
| „Einer der Redner hat gerade der indischen Regierung den Tod gewünscht. | |
| Solches Denken bringt uns nicht weiter“, glaubt er. | |
| Neben dem Trafalgar Square geht das ganz gewöhnliche Londoner Leben seinen | |
| Gang, die normale Heiterkeit, Leute in Restaurants und Cafes, vielleicht | |
| mit etwas weniger Menschen als an einem gewöhnlichen Sonntag. Auch die | |
| Londoner Polizei wollte das so, ganz im Sinne der Idee, die Angst vor dem | |
| Terror nicht überhandnehmen zu lassen. Und doch haben sieben Menschen am | |
| Samstag inmitten dieser Stadt, auf brutale Weise ihr Leben verloren. | |
| Der Stadttourbus der „Golden Tours“ fährt bis fast vor den Tatort, bevor er | |
| wegen einer Polizeisperre abbiegt. Was der Tourguide gerade den Gästen im | |
| Bus erzählt, ist von außen nicht zu hören. | |
| 4 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Zylbersztajn | |
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