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# taz.de -- Trainerwechsel in Argentinien: Der Mann vom Baum
> Argentinien hat einen neuen Fußballnationaltrainer. Jorge Sampaoli ist
> hoch umstritten. Beim Spiel gegen Brasilien gibt er seinen Einstand.
Bild: „Weder guter Trainer noch guter Mensch“ oder große Hoffnung? An Samp…
Es gibt eine Anekdote, die fast alles sagt über Jorge Sampaoli. Sie ist
über 20 Jahre alt und stammt vom Beginn seiner Trainerkarriere tief in der
argentinischen Provinz nahe der Stadt Rosario. Wegen
Schiedsrichterbeleidigung wurde er nach einer Viertelstunde vom Platz
geworfen. Also kletterte er auf einen Baum, um weiter seine Anweisungen zu
geben. Das Foto davon brachte es in die Lokalpresse – und verschaffte ihm
erstmals eine gewisse Berühmtheit sowie einen neuen Job.
Sampaoli ist beharrlich, ein bisschen wahnsinnig. „No escucho y sigo“ („I…
höre nicht zu und mache weiter“) – diese Songzeile seiner Lieblingsrockband
Callejeros hat er sich als Leitsatz auf den linken Arm tätowiert. Sie hat
eine Laufbahn befeuert, die ihn jetzt gegen alle Wahrscheinlichkeit ans
Ziel seiner Sehnsüchte gebracht hat. „Seit ich den Verstand benutzen kann,
träume ich davon, die argentinische Nationalmannschaft zu trainieren“,
sagte er, als er sich von seinem Klub Sevilla verabschiedete.
Am heutigen Freitag debütiert er nun in Melbourne (12 Uhr MEZ) mit einem
Freundschaftsspiel gegen Brasilien, gegen das es für einen Argentinier
natürlich keine Freundschaftsspiele gibt. Schon gar nicht angesichts der
kritischen Lage der Nationalelf in der WM-Qualifikation, die vier Spieltage
vor Schluss gerade so eben einen Playoff-Platz hält. Und erst recht nicht
angesichts dieser Erwartungshaltung: „Wir haben den besten Fußballtrainer
der Welt verpflichtet“, jubilierte Argentiniens neuer Verbandspräsident
Claudio Tapia, nachdem sein klammes Gremium die 1,5 Millionen Euro fälliger
Ausstiegsklausel an Sevilla zusammengekratzt hatte.
Sampaoli bekam den gewünschten Fünfjahresvertrag bis 2022 – so etwas gab es
in Argentinien noch nie – bei neun Trainern allein in den letzten 13
Jahren! Aber Sampaoli verspricht, was die Vorgänger nicht schafften: Titel,
guten Fußball und einen glücklichen Messi. Mit Chile gewann er 2015 (im
Finale gegen Argentinien) die erste Südamerikameisterschaft der
Landesgeschichte. Und Messi gilt als Anhänger seines leidenschaftlichen
Offensivstils.
Natürlich gibt es auch andere Meinungen. Allen voran von Carlos Bilardo,
1986 Argentiniens letzter Weltmeistertrainer. „Er ist weder ein guter
Trainer noch ein guter Mensch“, keilte der. Die Antipathie dürfte sich vor
allem gegen die Persönlichkeit richten. Zum einen mutiert der so
kleinwüchsige wie muskelbepackte Sampaoli an der Seitenlinie auch heute
noch so zuverlässig zum verbalen Hooligan, dass er allein in der Champions
League vorige Saison zweimal vom Platz flog. Wie seine Lieblingsbands
inszeniert er sich gern als Systemgegner („Vieles in der heutigen Welt
ermüdet mich“), nach Spielschluss wiederum kommt er mit dicker schwarzer
Hornbrille zur kahlen Glatze bisweilen etwas arg professoral daher.
Für viele ist Sampaoli ein Fremder, und das ist wohl auch der Hauptgrund
für die Aversionen. Er hat nie in der ersten argentinischen Liga gespielt
oder trainiert. Mit 19 beendete ein Schien- und Wadenbeinbuch seine
Karriere, er arbeitete in einer Bank und später im Standesamt, während er
kleine Mannschaften aus der Provinz coachte. Das Foto auf dem Baum brachte
ihn zu einem Ablegerverein von Newell’s in der dritten Liga. 2002 verließ
er Job und Familie, um ein Angebot aus der ersten peruanischen Liga
anzunehmen. In Chile reüssierte er dann endgültig.
Als er vorige Woche in Buenos Aires vorgestellt wurde, war der Saal voller
als einst bei Diego Maradona, und der Neue pflegte einen Diskurs, den die
Zeitung La Nación in seiner patriotischen Penetranz „ein Stück weit
demagogisch“ nannte. „Wie schön, nah an dem zu sein, was man aus der Ferne
bewunderte“, zitierte er zu Beginn den Gaucho-Barden José Larralde, um
später auszuführen: „Wir stehen alle unter der Fahne.“
9 Jun 2017
## AUTOREN
Florian Haupt
## TAGS
Fußball
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
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Fußball
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