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# taz.de -- Urheberrecht von Regierungsdokumenten: Jetzt muss Europa entscheiden
> Die Funke-Mediengruppe veröffentlichte interne Regierungsdokumente zur
> Situation in Afghanistan. Durfte sie diese online stellen?
Bild: Wenn es nur nach deutschem Recht gegangen wäre, hätte die Funke-Gruppe …
Karlsruhe taz | Kann mit dem Urheberrecht die Pressefreiheit ausgehebelt
werden? Darüber muss jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Verfahren am Donnerstag in Luxemburg
vorgelegt.
Hintergrund ist die Auseinandersetzung um die [1][so genannten
„Afghanistan-Papers“]: Im Jahr 2013 hatte die Funke-Mediengruppe
[2][vertrauliche Berichte der Bundesregierung] über die Situation in
Afghanistan für die Jahre 2005 bis 2012 auf ihrem Webangebot
[3][www.derwesten.de] veröffentlicht. Die Bundesregierung klagte auf
Unterlassung und berief sich auf ihr Urheberrecht an den Berichten. Die
Klage war in zwei Instanzen erfolgreich. Doch die Funke-Gruppe ging in die
Revision zum BGH und berief sich auf die Pressefreiheit.
Bei der Verkündung machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher nun
klar: Wenn es nur nach deutschem Recht gegangen wäre, hätte die
Funke-Gruppe auch beim BGH verloren. Die Regierungsberichte seien
urheberrechtlich geschützt und die Journalisten konnten sich auf keine der
gesetzlichen Schranken des Urheberrechts berufen.
So sei es keine „Berichterstattung“, wenn einfach vollständige Dokumente
online gestellt werden. Auch das „Zitatrecht“ passe nicht, da das Zitat als
Beleg für eigene Gedanken diene, die hier aber fehlten. Eine zusätzliche
gerichtliche Abwägung von Urheberrecht und Pressefreiheit habe der BGH
bisher immer abgelehnt, weil das deutsche Urheberrechtsgesetz als
abschließende Entscheidung durch den Gesetzgeber angesehen wurde.
## Zurück zur EU-Richtlinie
Nun aber legte der BGH den Fall überraschend dem EuGH vor. Da das
Urhebergesetz in diesen Fragen weitgehend die EU-Richtlinie über die
Informationsgesellschaft (InfoSoc) von 2001 umsetze, müsse der
EU-Gerichtshof entscheiden, ob sich aus dem EU-Recht eine andere Lösung
ergibt. Zu berücksichtigen seien dabei auch die EU-Grundrechte aus der
Europäischen Grundrechte-Charta, insbesondere die „Freiheit der Medien“ und
die „Informationsfreiheit“.
Für die Funke-Gruppe ist das Weiterreichen an den EuGH tendenziell positiv.
Zwar ist der Ausgang des Verfahrens in Luxemburg völlig offen. Die Chancen
stehen aber besser, als wenn der BGH allein entschieden hätte.
Andererseits wäre auch der Weg zum Bundesverfassungsgericht versperrt, wenn
der EuGH zum Schluss käme, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung
der EU-Richtlinie keinen Spielraum hatte.
Funke-Anwältin Anna Lissner sagte nach der BGH-Verkündung: „Wenn die
Bundesregierung mit ihrer Berufung aufs Urheberrecht durchkommt, ist der
investigative Journalismus tot.“ Ganz so schlimm wird es aber selbst bei
einer Niederlage nicht kommen. Investigativer Journalismus besteht weniger
darin, nach dem Modell von Wikileaks unkommentiert Dokumente ins Netz zu
stellen. Typisch ist eher, geheime Dokumente selbst auszuwerten, zu
beschreiben und sie allenfalls punktuell zu veröffentlichen. So verfuhren
die Medien zum Beispiel mit den Snowden-Dokumenten oder den so genannten
Panama-Papers.
## Urheberrecht und Kunstfreiheit
Auch ein zweites Verfahren legte der BGH am Donnerstag in Luxemburg vor. Im
Dauerstreit, ob Hiphopper erlaubnisfrei fremde Beats und Tonfetzen benutzen
dürfen, muss nun ebenfalls der EuGH entscheiden. Dort geht es um die Frage,
ob HipHop-Produzent Moses Pelham 1997 für den Song „Nur mir“ von Sabrina
Setlur ein zwei Sekunden langes Sample aus dem Kraftwerk-Stück „Metall auf
Metall“ nutzen durfte.
Der BGH hatte dies 2012 verboten, denn Pelham hätte den Beat auch selbst
einspielen können. Das Bundesverfassungsgericht hob das BGH-Urteil aber im
Mai 2016 auf. Der Zugriff auf das Originaldokument sei von der
Kunstfreiheit gedeckt und diene der „ästhetischen Reformulierung des
kollektiven Gedächtnisses kultureller Gemeinschaften“, so die
Verfassungsrichter.
Diese Entscheidung, so BGH-Richter Büscher, sei wohl nur für die Zeit bis
zum Inkrafttreten der EU-InfoSoz-Richtlinie im Jahr 2001 relevant. Für die
Zeit ab 2001 müsse der EuGH entscheiden, ob auch die EU-Kunstfreiheit dem
Schutzrecht von Kraftwerk vorgehe.
In beiden Fällen wird es bis zu einer EuGH-Entscheidung rund eineinhalb
Jahre dauern.
2 Jun 2017
## LINKS
[1] /!5380210/
[2] /Medienrechtler-ueber-Klage-gegen-WAZ/!5062535/
[3] http://www.derwesten.de
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Afghanistan
WAZ
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