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# taz.de -- Polizeiwissenschaftler über Social Media: „Die Polizei muss krit…
> Selbstironisch auf Twitter, lustig auf Facebook – das bringt ein besseres
> Image, sagt der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr.
Bild: Mit Twitter im Einsatz
taz.am wochenende: Herr Behr, die Berliner Polizei findet im Einsatz einen
Hamster, tauft ihn „Sir Henry“ und nimmt ihn auf Streife mit. Muss die
Polizei auf Twitter witzig sein?
Rafael Behr: Witz ist eher eine knappe Ressource im polizeilichen
Alltagshandeln. Wir haben es aber mit einem Kultur- und Sprachwandel
innerhalb der Polizei zu tun, erzwungen durch neue Medien. Das kommt nicht
immer gut an. Wenn Herrschaft Witze macht, wird so getan, als sei das
hierarchische Verhältnis zwischen Polizei und Zivilgesellschaft aufgelöst.
Die Möglichkeit, lustig zu sein, ist in Hierarchien aber ziemlich einseitig
verteilt. Meistens dürfen die Untergebenen keine Witze machen.
Führt diese Lockerheit und Selbstironie der Polizei in den sozialen Medien
trotzdem zu einem besseren Image der Polizei?
Ja, weil die Polizei hier etwas zeigen kann, was sie sonst verborgen hält,
nämlich Jugendlichkeit und Spontaneität. Insgesamt wird die Sprache hier
authentischer, und das ist in Sachen Wertschätzung der Polizei und Respekt
eine positive Entwicklung. Die Beamten veröffentlichen auf ihren Kanälen
aber natürlich eher banale oder positive Dinge, Menschenrechtsverletzungen
oder scharfe Einsätze tauchen hier nicht auf.
Bei einem Fußballspiel in Frankfurt twittert die Polizei: „Kommt gut nach
Hause und passt auf euch auf“. Läuft man hier nicht Gefahr, Polizisten mit
sympathischen Bekannten zu verwechseln?
Ja natürlich, aber das ist gewollt. Das ist auch schon auf anderen Wegen
versucht worden. In den 90er Jahren fing die Polizei an, sich als
„Dienstleister für Sicherheit“ und die Bürger als „Kunden“ zu bezeich…
Sie wollte sich nicht mehr als Büttel des Staates präsentieren. All das
sind Euphemismen. Bei einer Festnahme ist der Kundenbegriff ja völlig
untauglich. Es bleibt weiterhin ein hierarchisches Verhältnis, man gibt
sich nur ein anderes Gesicht.
Bei der individuellen Kennzeichnungspflicht hat sich die Polizei immer
gegen viel Transparenz gewehrt, auf Twitter steht sie in der
Öffentlichkeit. Ist das ein Widerspruch?
Polizei darf man sich nicht als monolithischen Block vorstellen. Es gab
schon immer eine, ich nenne es mal: Sonnenscheinpolizei. Auf der einen
Seite gibt es die freundlichen Twitter-Redaktionen, auf der anderen die
Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten. Die stehen da, behelmt und
maskiert. Das ist die Kriegerpolizei und das hat nichts mehr mit lockerer
Kommunikation zu tun. Das zeigt, wie sehr diese Arbeitsteilung auch als
Arbeitsbündnis funktioniert, denn die freundliche Polizei könnte es nicht
geben ohne diejenigen, die im Einsatz die harte Seite des Staates zeigen.
Es verändert sich eher die Kommunikation der Polizei nach außen. Sie ist
schneller, dafür büßt sie an Präzision und politischer Korrektheit ein, wie
wir das in Köln in der Silvesternacht gesehen haben. Da kommunizierte die
Onlineredaktion auf Twitter im neuen, unkomplizierten Stil und fand an dem
Begriff „Nafri“ überhaupt nichts Böses.
Solche Fehler passieren also auf Twitter automatisch?
Ja, und die Balance zwischen Schnelligkeit, Glaubwürdigkeit und
Angemessenheit ist dabei die große Herausforderung. Die traditionelle
Kommunikation läuft in einer Hierarchie ab, in der stark auf politische
Korrektheit geachtet wird. Das wird durch die neue Kommunikation
unterlaufen. Da können ungeschickte Formulierungen vorkommen oder
Stellungnahmen, für die nicht ausreichend Informationen vorliegen. Es wird
darauf ankommen, ob die Zivilgesellschaft der Polizei das gestatten wird.
Wie kann die Zivilgesellschaft darauf Einfluss nehmen?
Die Polizei in Köln hat nach der Silvesternacht 2016 schon ein paar
negative Reaktionen bekommen. Andererseits haben wir auch gesehen, was
Simone Peters von den Grünen passiert ist, als sie das ernsthaft
skandalisieren wollte. Sie ist medial in Grund und Boden gehauen worden. Im
Moment kriegt jeder, der die Polizei für ihr Handeln kritisiert, einen
riesigen Shitstorm an den Hals. Ich finde das bedenklich. Polizeiliches
Handeln muss kritisierbar bleiben. Aber eine sachliche Debatte scheint mir
im Moment nicht möglich. Alle rufen nach mehr Polizei und
Durchsetzungsfähigkeit. Ich erkenne darin eine kollektive Form der Angst,
die Kritik eher verhindert.
Brauchen wir mehr Polizei?
Mehr Polizei muss nicht zu mehr Sicherheit führen. Da gibt es sehr
fundierte theoretische empirische Überlegungen dazu. Wenn plötzlich viel
Polizei in einem Gebiet ist, dann sucht sie sich Arbeit. Da werden Delikte
aufgeklärt, die vorher liegen gelassen wurden, und dann steigt statistisch
die Kriminalität, auch wenn es nur um Fahrraddiebstahl geht. Und damit
steigt die Angst in der Bevölkerung. Tatsächlich wird aber lediglich das
Dunkelfeld kleiner. Es gibt keinen Maßstab dafür, wann wir genug Polizei
haben.
Die Twitter-Redaktionen haben Bilder von Demonstrationen oder Einsätzen
veröffentlicht, ohne die Personen unkenntlich zu machen. Ist das illegal?
Ich habe das zum ersten Mal in Frankfurt bei der zweiten
Blockupy-Demonstration miterlebt. Da kamen sofort Leute und fragten: „Was
ist mit Datenschutz?“ Natürlich muss man den Datenschutz beachten und darf
Leute nicht an den Pranger stellen. Aber ich sehe im Moment noch nicht den
orwellschen Überwachungsstaat, in dem sich durch Twitter und Facebook das
Herrschaftsinstrumentarium ausweitet. Da ist die Vorratsdatenspeicherung
schon kritischer.
14 May 2017
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Polizei
Social Media
Polizei Berlin
Innere Sicherheit
Tatort
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