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# taz.de -- Türkische Zeitung feiert 93. Geburtstag: Cumhuriyet wird sich nich…
> Seit 190 Tagen befindet sich Murat Sabuncu, Chefredakteur der Cumhuriyet
> im Gefängnis. Sein Sohn über die demokratischen Herausforderungen für
> beide „Republiken“.
Bild: Angehörige der inhaftierten Cumhuriyet-Mitarbeiter*innen
Die Zeitung Cumhuriyet (dt.: Republik) ist derselben juristischen Willkür
ausgesetzt wie auch die türkische Republik. Auf der einen Seite stehen
Journalisten, die aufgrund absurder Beschuldigungen ihrer Freiheit beraubt
werden, auf der anderen Seite eine Türkei, die sich dem illegitimen
Beschluss der Hohen Wahlkommission (YSK) zum Referendumsergebnis beugt.
Im November 2016 wurden neun Mitarbeitende der Cumhuriyet festgenommen.
Ihnen wird die Mitgliedschaft in diversen Terrororganisationen vorgeworfen.
Unter ihnen befindet sich auch mein Vater Murat Sabuncu, Chefredakteur der
Cumhuriyet. Die Verhaftungswelle hörte mit seiner Verhaftung nicht auf.
Inzwischen sind der Herausgeber Akın Atalay, der Korrespondent Ahmet Şık
und sogar ein Mitarbeiter aus der Buchhaltung, Emre İper, verhaftet worden.
## Demokratie ist noch nicht tot
Als Leser*innen wurden wir im Vorfeld des Referendums nicht nur der
kritischen Stimmen jener Journalisten beraubt, die bei der Cumhuriyet
arbeiten, sondern aller Medienschaffenden, die sich derzeit in Haft
befinden. Eine unabhängige Presse, die zu einer freien Meinungsbildung
hätte beitragen können, wurde verhindert.
In einer Zeit, in der das „Ja-Lager“ über das Monopol der freien
Meinungsäußerung verfügte, bemühten wir uns vergebens um oppositionelle
Informationen in Zeitung und Fernsehen. Nach einem schmerzhaften
Referendumsergebnis hat die hohe Wahlkommission eine mehr als nur
streitbare Entscheidung gefällt, die das Grundgesetz mit Füßen tritt und
die Türkei der juristischen Willkür überlässt.
Auch nach dem Referendum erhielt ich, ähnlich wie nach der Verhaftung
meines Vaters, eine Menge Solidaritätsbekundungen. Vor allem Freund*innen
aus Europa schickten Nachrichten, die sich eher wie Beileidsbekundungen
lasen, so als würde die Demokratie in der Türkei zu Grabe getragen werden.
## Millionen engagieren sich für die Freiheit der Gedanken
Ihr alle, die pessimistische Prognosen in Bezug auf die Cumhuriyet und die
türkische Republik verkündet: Ihr tut uns Unrecht! Vergesst nicht meinen
Vater, seine Kolleg*innen und die Millionen Menschen, die im Kampf für
Demokratie ihre Freiheit geopfert haben. Vergesst nicht das Engagement
jener, die sich Tag für Tag dafür einsetzen, dass sich die Türkei zu einem
Land entwickelt, in dem Menschen die Rechte und Freiheiten ihrer
Mitmenschen respektieren, friedlich und würdevoll zusammenleben und sich
selbst verwirklichen können.
Wir versuchen alles in unserer Macht Stehende, damit sich die Türkei nicht
einem „Ein-Mann-Regime“ unterwirft. Unzählige Menschen, deren Namen wir
nicht einmal kennen, engagieren sich selbstlos für die Freiheit der
Gedanken. Und am allerwichtigsten sind wohl die jungen Menschen, die in
Zeiten solcher Ungerechtigkeiten erwachen und sich ihrer gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst werden. Sie stehen in den Startlöchern und sind
bereit, die Zukunft ihres Landes mitzugestalten.
## Gerechtigkeit wird siegen
Die Cumhuriyet, die ihren Namen dem Republikgründer Atatürk verdankt,
feiert dieser Tage ihren 93. Geburtstag und sicher sind die Herzen der
Leser*innen genauso gebrochen, wie die Stifte der Schreibenden. Dennoch
versuchen wir uns den Mut in unseren Herzen zu bewahren und sind bereit,
jenen, die unsere Herzen und Stifte gebrochen haben, die Hände zu reichen.
Denn wir haben einen gemeinsamen Nenner und das ist die „Cumhuriyet“ (dt.:
Republik). Ihr zuliebe wollen wir unsere Meinungsverschiedenheiten beiseite
legen. Trotz der aktuellen Umstände sind wir zuversichtlich, dass sich das
Blatt zum Guten wenden und Gerechtigkeit siegen wird. Wir jedenfalls werden
nicht aufhören, uns sowohl für die Cumhuriyet, als auch für die Republik
einzusetzen. So, wie beide sich nicht verbiegen lassen und geschlagen geben
werden.
8 May 2017
## AUTOREN
Muratcan Sabuncu
## TAGS
taz.gazete
Pressefreiheit in der Türkei
Cumhuriyet
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