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# taz.de -- Wissenschaftlerin über Hamas-Führung: „Al-Sinwar frisst Hanija …
> Ismail Hanija ist der neue Chef des Hamas-Politbüros. Er bestimmt somit
> deren Politik, doch die Realität sieht anders aus, sagt Ronit Marzan.
Bild: Ismail Hanija im April 2017 bei der Eröffnung einer Moschee im südliche…
Die Hamas hat am Wochenende Ismail Hanija zum neuen Chef des Politbüros
gewählt. Erst im Februar ist Jijia Al-Sinwar zum Hamas-Chef im Gazastreifen
gewählt worden. Wie verteilen sich die Zuständigkeiten der beiden Männer?
Ronit Marzan: Hanija ist als Chef des Politbüros theoretisch derjenige, der
die Politik der Hamas insgesamt bestimmt. Leider müssen wir beobachten,
dass die lokale Hamas-Führung im Gazastreifen unter Al-Sinwar de facto den
Ton in der Bewegung angibt. Al-Sinwar gelingt es, der politischen Führung
die Grundsätze der Kassambrigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, aus
dem er selbst kommt, aufzuzwingen. Hanija, der nach den gewonnen Wahlen
2006 für kurze Zeit palästinensischer Regierungschef war, ist im Grunde
eine eher graue Figur und ein schwacher politischer Führer. Al-Sinwar wird
sich dafür starkgemacht haben, dass Hanijah auf den Posten des
Politbürochefs gewählt wird, eben weil er so schwach ist.
Sie sagen, dass Al-Sinwar für den radikaleren Weg steht und gleichzeitig
der starke Mann in der Hamas ist. Wie erklären Sie dann die [1][jüngst
erweiterte Hamas-Charta], die zum ersten Mal von der Gründung des Staates
Palästina in den Gebieten von 1967 anstatt in ganz Palästina, Israel
inbegriffen, spricht?
Die Änderungen gehen auf den scheidenden Politbürochef Chaled Maschaal
zurück, der, wie ich vermute, eng mit Asmi Bischara zusammenarbeitet.
Bischara ist palästinensischer Philosoph, und er war israelischer
Abgeordneter, der unter dem Verdacht der Spionage polizeilich gesucht wird
und in Katar Exil fand. Wenn wir die Interviews von Maschaal und Bischara
vergleichen, dann fallen viele Parallelen auf. Maschaal lernt von Bischara.
Er spricht von „Falsafa“, von einer „Philosophie“ des Kampfes, wenn er …
neue Charta präsentiert. So ein Begriff passt nicht zu einem Mann, der von
Beruf Ingenieur ist, es sei denn, er lässt sich von einem Philosophen
beraten.
Maschaal spricht von einem neuen, moderateren Weg, der eine Brücke
darstellen soll zwischen der ethnisch-religiösen Radikalisierung, wie die
IS sie repräsentiert, einerseits, und die auf Dialog und Kompromiss
ausgerichtete Politik der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im
Westjordanland auf der anderen Seite. Die Hamas will etwas Neues bringen.
Sie sagt Ja zu einem Staat in den Grenzen von 1967, gleichzeitig will sie
nicht auf den bewaffneten Kampf verzichten, weil, so argumentiert Maschaal,
Israel nur durch den bewaffneten Kampf zu Kompromissen gezwungen werden
kann. Damit hat er recht, wie ich denke. Die Gewalt hat Israel aus dem
Gazastreifen gezwungen. Aber Maschaal signalisiert eine neue Offenheit dem
Westen gegenüber auch indem sich die Hamas offiziell von den ägyptischen
Muslimbrüdern lossagt.
Wie sollte Israel darauf reagieren?
Israel täte gut daran, die Hamas in den politischen Prozess einzubeziehen
anstatt sich ausschließlich auf die PLO (Palästinensische
Befreiungsorganisation) und die Führung im Westjordanland zu beschränken.
Chaled Maschaal hat, wie ich denke, den Posten des Politbürochefs
aufgegeben, um sich auf sein nächstes Ziel zu konzentrieren: Regierungschef
in den Palästinensergebieten, Seite an Seite mit einem Präsidenten, der von
der Fatah gestellt wird. Aus israelischer Sicht wäre es jetzt schon
sinnvoll, wenn Maschaal aus dem Exil zurück in den Gazastreifen zieht, um
dort gemeinsam mit Hanija einen Gegenpol zu dem radikaleren Al-Sinwar zu
bilden.
Glauben Sie, dass mit Hanija als Politbürochef eine Beilegung des Konflikts
zwischen Fatah und Hamas möglich sein wird?
Fatah und Hamas werden ohne Zutun aus dem Ausland zu keiner Einigung
kommen. Hier fällt US-Präsident Donald Trump eine wichtige Rolle zu. Er
sollte zunächst zwischen Katar und Ägypten vermitteln, denn die Regierung
in Doha ist Schirmherr der Hamas und die Regierung in Kairo steht auf der
Seite der Fatah. Eine Versöhnung zwischen Katar und Ägypten ist
Voraussetzung für ein Zusammengehen der beiden großen palästinensischen
Fraktionen und eine Einheitsregierung von Fatah und Hamas.
Der scheidende Politbürochef Chaled Maschaal hat vom Exil aus regiert.
Inwiefern spielt es eine Rolle, dass sein Nachfolger ein Politiker ist, der
selbst im Gazastreifen lebt?
Maschaal sitzt in Katar, direkt neben dem Finanzhahn, durch den die
Regierung in Doha die Gelder in den Gazastreifen fließen lässt. Einen
Politiker an die Spitze der Bewegung zu bringen, der im Gazastreifen lebt,
ist ein Signal, dass man das Machtzentrum im Gazastreifen haben will und
nicht im Exil. Denkbar ist, dass Al-Sinwar versuchen wird, sich finanziell
mehr Autonomie zu verschaffen, indem er einen direkten Draht zur iranischen
Führung aufbaut. Ich hoffe sehr, dass Maschaal bald in den Gazastreifen
zurückkehr und Hanija den Rücken stärkt. Wenn Hanijah allein bleibt, frisst
ihn Al-Sinwar zum Frühstück.
7 May 2017
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## AUTOREN
Susanne Knaul
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