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# taz.de -- Fußball in den USA: Schweini macht den Eurosnob
> Bastian Schweinsteiger mäkelt in alter Tradition an der fußballerischen
> Qualität der Major League herum. Seine Rechtfertigung macht es nicht
> besser.
Bild: Kopfball kann er, und sonst?
Lothar Matthäus und Hermann Urbas. Frank Rost und Torsten Frings. Kai
Herdling und Florian Lechner. Christian Tiffert und Arne Friedrich. Andreas
Görlitz, Jermaine Jones und Bastian Schweinsteiger. Die deutschen Kicker,
die es in die Major League Soccer (MLS) verschlug, haben sich nach ihren
ersten hautnahen Erfahrungen im amerikanischen Fußball alle in ähnlicher
Weise geäußert: Das habe hier nicht ganz das Niveau, auf dem man sich in
Europa bewegt habe.
Schweinsteiger, der jüngst der Süddeutschen Zeitung eine erste kritische
Bilanz seines Wirkens bei den Chicago Fire [1][in den Block diktiert hatte]
und dafür in US-Soccer-Kreisen angegangen wurde, steht also in einer
Ahnenreihe deutscher US-Fußballkritiker.
Sie alle mussten erst einen Kulturschock in Sachen Taktik und
Spielverständnis verarbeiten. Das hat wohl wenig mit altkontinentaler
Arroganz zu tun, sondern eher etwas mit dem Wissens- und
Wettkampfvorsprung, den Europäer auf dem weltweit größten und extrem
kompetitiven Fußballmarkt sammeln konnten.
Man erlebe in Kanada und den USA als gereifter Profi – oder wie es in den
Staaten bisweilen heißt: als Eurosnob – viele neue Dinge, sagte Frings
einmal der Bild am Sonntag, „und in Amerika zu leben, ist auch nicht das
Schlechteste. Als junger hungriger Spieler jedoch hast du in der MLS nichts
zu suchen, weil dir die Liga zu wenig bieten kann“. Frings hat seine
Karriere in Toronto ausklingen lassen.
Als er die erste Saison in der fremden Liga absolviert hatte, ließ er
seinem Frust in typisch Frings’scher Manier freien Lauf: „Ich hatte
gedacht, dass unsere Elf ein höheres Niveau hat. So ist es leider nicht.
Wir haben eine ganz schlechte Saison gespielt.“ Etwas diplomatischer
äußerte sich Jermaine Jones 2014 im kicker: „Man kann es nicht mit
Deutschland oder einer Topliga in Europa vergleichen, dafür ist die MLS
noch immer zu neu. Aber dass viele Mannschaften inzwischen wirklich sehr
gute Talente haben, brauche ich nicht zu erwähnen. Und die Athletik hier
ist teilweise der Wahnsinn.“ Was hängen blieb: Rennen können sie, Fußball
spielen nicht so richtig.
## Gut bezahltes Fußballpraktikum
Noch mehr gefällig? „Es wird viel gelaufen und auch ungestüm kollektiv nach
vorne gerannt. Das technisch-taktische Verständnis ist leider nicht so
ausgeprägt. Da gibt es großen Nachholbedarf. Es fehlt den Mannschaften oft
am Rhythmus, es wird selten in bestimmten Situationen etwas Ruhe ins Spiel
gebracht, wenn es angebracht erscheint“, analysierte Arne Friedrich 2012 in
der Berliner Zeitung. Auch das klang irgendwie nach dritter Liga in Birma.
Schweinsteiger verfolgte in der SZ also nur mit schlafwandlerischer
Sicherheit diese Traditionslinie deutscher Nörgelei. Seine Kritik begann er
mit dem vernichtenden Urteil, die Liga sei „interessant“, um dann
festzustellen: „Es passieren manchmal Dinge, die man überhaupt nicht
verstehen kann – das können Entscheidungen von Schiedsrichtern sein oder
auch Laufwege und Pässe von Mitspielern.“ Auch hier wieder: Rennen können
sie. Aber sonst? Ein einziger Hühnerhaufen.
Neu war, dass man das nicht einfach so hinnahm, das Genöle von den
Euro-Importen, die in der MLS als designated players bezeichnet werden.
Fans, Liga und auch Medien demonstrierten ein gewachsenes
Selbstbewusstsein, schließlich ist die MLS auf stetigem Wachstumskurs, wird
im Jahre 2018 schon mit 22 Teams ins Rennen gehen und hat seit vier, fünf
Jahren einen durchaus beachtlichen Zuschauerschnitt in den Play-off-Spielen
von etwa 22.000 Fans.
Bastian Schweinsteiger war deshalb gezwungen, seine Kritik ein wenig
abzumildern. Nein, es stimme nicht, dass es taktische Schwächen gebe, sagte
er dem Sender ESPN: „Vielleicht ist es hier der Stil wie in anderen
Sportarten wie Eishockey oder Basketball: Wenn du den Ball gewinnst, geht
es sofort nach vorne. Das ist attraktiv.“
Blöd nur, dass er damit schon wieder ins nächste Fettnäpfchen trat, denn
jetzt klang es so, als würden die Mannschaften in der MLS nur kopflos
drauflos stürmen. Nun ja, es muss Schweinsteiger nicht weiter stören. Er
verlebt in Chicago eh ganz reizende, nicht enden wollende Flitterwochen mit
der ehemaligen Tennisspielerin Ana Ivanovic. Und gelegentlich absolviert er
auf seine alten Tage ein recht gut bezahltes Fußballpraktikum. Viel besser
kann man es nicht treffen.
16 May 2017
## LINKS
[1] http://www.sueddeutsche.de/sport/usa-bastian-der-bessermacher-1.3466605
## AUTOREN
Markus Völker
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