# taz.de -- WahlhelferInnen gesucht: Überzeugte Demokraten, meldet euch! | |
> 21.000 WahlhelferInnen braucht Berlin für die Bundestagswahl. | |
> Ausprobieren lohnt sich, meint unsere Autorin. Sie war bei der vorherigen | |
> Wahl dabei. | |
Bild: Wer Strichlisten mag, ist als Wahlhelfer sicher besonders geeignet. | |
Ein Brief vom Bezirkswahlbüro Lichtenberg liegt auf meinem Schreibtisch: Ob | |
ich bei der Bundestagswahl als Wahlhelferin arbeiten möchte? Ich hatte mich | |
zu den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2016 freiwillig gemeldet und war in | |
einem Wahlbüro stellvertretende Wahlvorsteherin. | |
Jetzt wirbt die Verwaltung wieder um Unterstützer: 21.000 Wahlhelfer sucht | |
Berlin insgesamt für den 24. September, an dem neben der Bundestagswahl | |
auch der Tegel-Volksentscheid stattfindet. Wer einen Beitrag zur Demokratie | |
leisten will und vor dem Führen von Strichlisten und akribischer Zählarbeit | |
nicht zurückschreckt, sollte das mal ausprobieren. Wer sich vor allem für | |
die 50 Euro „Erfrischungsgeld“ interessiert, die es als Belohnung für den | |
Wahlvorstand gibt, ist hier falsch. Das Geld verdient man andernorts | |
schneller. | |
Und so war es auch nicht verwunderlich, dass bei meinem Einsatz fünf der | |
sieben Wahlhelfer im Wahllokal im Bezirksamt arbeiteten und zu der | |
Wahlhelfertätigkeit quasi verpflichtet wurden. Für sie gab es einen Tag | |
Freizeitausgleich und 30 Euro Erfrischungsgeld – eine wesentlich gerechtere | |
Anerkennung. | |
Wie viel Arbeit das Ehrenamt tatsächlich bedeutet, hatte ich unterschätzt. | |
Bereits vor dem Wahltag saß ich einen Samstagvormittag lang zur Schulung im | |
Rathaus. Ich lernte, wahlberechtigte von nicht wahlberechtigten Berlinern | |
und gültige Stimmzettel von ungültigen zu unterscheiden. Das hört sich | |
einfach an, doch der Teufel steckt im Detail. Was etwa, wenn ein Bürger | |
Briefwahl beantragt hat und trotzdem ins Wahllokal kommt? Darf er dort dann | |
überhaupt noch abstimmen? Oder hat er vielleicht seine Stimme schon per | |
Brief abgegeben und will nun ein zweites Mal wählen? | |
Und was ist mit Menschen, die seit zwei Monaten in Berlin wohnen, beim | |
Bürgeramt aber noch keinen Termin für die Anmeldung bekommen haben? So eine | |
Frau musste ich am Wahltag leider abweisen. Für angemeldete Neuberliner | |
gibt es in den Wählerlisten komplizierte Codes aus Buchstaben und Zahlen, | |
aus denen man mit einem Schlüssel erkennen kann, ob sie wahlberechtigt | |
sind. Auch kürzlich verstorbene Menschen stehen oft noch in den Listen, | |
sind aber mit einem Code versehen. | |
Nach der Schulung hieß es, das Wahlgesetz zu lesen. Schließlich hatte ich | |
am Wahltag Hausrecht im Wahllokal. Eine weitere vorbereitende Arbeit blieb | |
mir glücklicherweise erspart: Die schweren Koffer mit Stimmzetteln, Fahnen | |
und weiterem Material, das man im Wahllokal so braucht, hat meine | |
Wahlvorsteherin am Vortag allein vom Bezirkswahlbüro in den Kofferraum | |
ihres Pkw geladen. Ohne Auto wäre der Transport gar nicht möglich gewesen. | |
Der Tag der Abgeordnetenhauswahl: Um 7 Uhr mussten alle Helfer im Wahllokal | |
sein. Jetzt hieß es, Urnen aufzustellen, Stifte bereitzulegen, Fahnen | |
aufzuhängen. Wir entfernten Wahlwerbung in der unmittelbaren Umgebung des | |
Lokals und verteilten die Aufgaben, damit pünktlich ab 8 Uhr gewählt werden | |
konnte. So ein Tag im Wahllokal dauert, bis am Abend die Stimmen fertig | |
ausgezählt sind. Zwischendrin hat jeder Wahlhelfer vier Stunden frei. | |
Ich habe nur freundliche WählerInnen erlebt und war am Abend beim Auszählen | |
erschrocken, dass auch in „meinem“ Wahllokal in einer | |
Einfamilienhaussiedlung in Lichtenberg die AfD Stimmen bekam. Es waren | |
wenige, doch ich fragte mich, wer von den freundlichen Leuten wohl bei den | |
Rechtspopulisten sein Kreuz gemacht hatte. | |
Ein paar Mal musste ich Bürger ermahnen. Einen jungen Mann etwa, der laut | |
erklärte, welche Partei er wähle, und einige Familien, die gemeinsam die | |
Wahlkabine aufsuchen wollten. Das darf nicht sein – Wahlgeheimnis eben. | |
Einem erst siebzehnjährigen Jungen händigten wir versehentlich auch die | |
Stimmzettel für die Abgeordnetenhauswahl aus, obwohl er aufgrund seines | |
Alters nur im Bezirk und nicht im Land wahlberechtigt war. Er hat diesen | |
Irrtum auch genutzt und alle drei Zettel ausgefüllt. Vor dem Einwurf in die | |
Urne fiel das aber doch auf. | |
Beim Auszählen der Stimmzettel war für mich erstaunlich, dass fast alle | |
Bürger mit Erst- und Zweitstimme sowie für den Bezirk dieselbe Partei | |
gewählt hatten. Da hatte ich durchaus mit mehr Entscheidungsvielfalt | |
gerechnet. Es war ein Vorteil, dass wir sieben Wahlhelfer ein gutes Team | |
waren und nicht gegeneinander arbeiteten. Ein paar strittige Fragen gab es | |
aber doch: Ist ein Wahlzettel gültig oder ungültig, wenn er eingerissen | |
ist, man jedoch erkennen kann, wo das Kreuz gemacht wurde? Hier war ein | |
Mehrheitsbeschluss nötig. | |
Als wir kurz vor 21 Uhr nach Hause gingen, beneidete ich meine | |
Mitwahlhelfer aus dem öffentlichen Dienst um den arbeitsfreien Folgetag. | |
Den hätte ich auch nötig gehabt. Ob ich mich für die Bundestagswahl wieder | |
bewerbe? Ich weiß es noch nicht. | |
Und so geht's: | |
Voraussetzung: Um als WahlhelferIn zu arbeiten, muss man mindestens 18 | |
Jahre alt sein und einen deutschen Pass haben. Ein Hauptwohnsitz in Berlin | |
ist nicht zwingend: Es können auch Personen helfen, die nicht hier wohnen. | |
Es wird auch kein besonderes Fachwissen vorausgesetzt: Wer mitmacht, | |
bekommt vor dem Wahltag eine Schulung. | |
Bezahlung: Für die Tätigkeit im Wahlvorstand gibt es ein sogenanntes | |
„Erfrischungsgeld“ von 50 Euro. WahlhelferInnen, denen Freizeitausgleich | |
gewährt wird, bekommen 30 Euro. | |
Einsatz: Wünsche von WahlhelferInnen, zum Beispiel in ein bestimmtes | |
Wahllokal zu kommen, werden so weit wie möglich berücksichtigt, heißt es | |
von der Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach. Sie bezeichnet den | |
Einsatz als „wichtiges Ehrenamt im Dienste unserer Demokratie“ und fordert | |
die BürgerInnen auf mitzumachen. | |
Kontakt: Interessierte können sich melden unter [1][www.wahlen-berlin.de] | |
oder 030-90 21-21 21. | |
15 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://wahlen-berlin.de | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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