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# taz.de -- Berliner Designerin im Porträt: Versteckte Details
> Nobi Talai, in Deutschland aufgewachsene Iranerin, denkt europäisch
> modern, lässt sich aber von der nomadischen Kultur Arabiens inspirieren.
Bild: Die Modemacherin Nobi Talai
In der modernen Mode verschwimmen keine Grenzen von Kulturen und Nationen.
Denn Kulturen und Nationen werden zerschnitten und neu zusammengesetzt, bis
neue Stile, neue Formen, ungesehene Dinge herauskommen, getragen von
Menschen, die zwischen den Grenzen leben.
Die in Berlin arbeitende Mode-Designerin Nobi Tailai etwa, die zu den vom
German Fashion Council geförderten Berliner Mode-Talenten gehört, ist
Iranerin, aufgewachsen in Deutschland, denkt modern europäisch, aber lässt
sich inspirieren von der nomadischen Kultur Irans, von weiten Gewändern im
Wind und schattenloser Sonne.
Doch eigentlich liebt sie über alles die Modehauptstadt der Welt: Paris.
Mit Vorliebe geht sie über Pariser Flohmärkte oder auf Möbelauktionen. Dort
findet sie einen unendlichen Schatz an Inspiration für ihre
Modekollektionen.
Sie liebt Paris auch als Ort der Inszenierung. Letztes Jahr im Oktober
zeigte sie ihre Sommerkollektion 2017 in einer Glaspassage, der „Garage
Lübeck“, einem beliebten Ort für Pariser Avantgarde Designer, einen
Katzensprung entfernt vom berühmten Mode Museum im Palais Galliera. Anfang
März diesen Jahres präsentierte sie, wieder unter der Patronage des German
Fashion Council, ihre Kollektion Herbst/Winter 2018.
Diesmal schickte sie die Schickeria in eine Kirche: die Amerikanische
Kathedrale in der edlen Avenue George V. Was hatte man dort zu beichten?
Sex, Drugs, Rock’n’Roll auf Boogie-Woogie-Schuhen sind in ihrer Kollektion
nicht zu übersehen. Zwischen goldenen Leuchtern und bunten Glasfenstern,
zwischen Altarbildern und Kanzeln stakelten die Schönheiten und in der
zweiten Reihe geruhte bescheiden die Chefredakteurin der arabischen Vogue,
Prinzessin Deena Abdulaziz, Platz zu nehmen.
## Die Kleider von Berbern, Beduinen, Tuaregs
Ihr dürften viele von Nobi Tailais Sachen mit ihren weiten Schnitten
vertrauter gewesen sein als anderen Pariser Gästen: Sie kennt die Mode von
Berbern, Beduinen, Tuaregs aus ihrer Heimat. Der nomadische Stil sich zu
kleiden legt oft deckenartig mehrere Schichten übereinander. Aber nicht
erst für die jetzige Kollektion Herbst/Winter 2018 hat Nobi Talai diesen
Stil auf ihre ganz eigene Weise europäisiert.
Sie verbindet ihn mit Elementen aus der Bauhaus-Ästhetik. Diesmal – im
Kirchambiente passend – drängen sich auch mittelalterliche, gotische
Elemente in den Vordergrund. Man sieht rüstungsartige Capes und kurze
Jacken, oft aus Nappaleder oder Plüsch-Pelz, über schmalen, eng anliegenden
Lederhosen. Wo die Oberteile nomadisch weit sind und tiefe Falten haben,
liegen in der Körpermitte riesige Schnallen. Sie sind nicht nur optischer
Akzent, sondern halten funktional die ganze Form zusammen.
Die outfits sind oft sehr wandelbar: An einer weit geschnittenen
Schürzenhose kann man die weit abstehenden Seitenteile entweder nach vorne
binden oder nach hinten. Der weite Schnitt am schmalen Körper wird oft
hinten mit flatternden, seidenen Seidenbändern zusammengebunden, die eine
Art Markenzeichen Nobi Talais geworden sind.
In den Farben aber dieser Hochzeit von Nomadentum, Bauhaus, Gotik zaubert
Nobi Talai eine ganze, fein komponierte Welt. Sie besteht aus Braun und
Blau und Schwarz und Weiss. Das Braun spielt in Leder nach Rotbraun oder
Bordeauxrot. Darunter in Kobaltblau als knalliger Kontrast eine Hose. Oder
eine hellblaue, weite Hose unter einem weiten dunkelblauen Cape. Dazwischen
ein ganzes weißes Outfit, mit einem fellartigen langen Mantel.
Dann eine klassische, europäische Hemdbluse in strahlendem Hellblau über
einem japanisch gebundenen sattweissen Rock. Und dann das Schwarz, die
Farbe des Leders und seiner Rocker. Wie in einem Prisma werden durch ihre
Farben die verschiedenen Welten der Nobi Talai sichtbar.
## In Nobi Talais Atelier in der Auguststrasse
Nicht zwei Wochen später sitze ich in Nobi Talais Atelier in der
Auguststrasse, Berlin Mitte. Der Raum ist edel, gediegene Bauhausmöbel, mir
gegenüber Nobi an einem schwarz lackierten Tisch und neben mir steigen die
Wölkchen von Duftkerzen auf, die im ganzen Raum einen unglaublichen Duft
verbreiten. Es ist eine besondere Atmosphäre, die an etwas Orientalisches
erinnert.
Nobi erzählt zunächst lauter Dinge, die mit Mode gar nichts zu tun haben.
Sie erzählt von den Gerüchen ihrer Kindheit, von Zimtstangen und wie eine
Sandstrasse in Teheran nach dem Regen riecht … und die Wölkchen neben mir
steigen auf als wären sie aus Organza, jenem Hauch von einem Stoff, der in
Nobis Kollektionen immer wieder auftaucht.
Geboren 1978, mitten in die islamische Revolution, verbrachte Nobi Talai
einen Teil ihrer Kindheit in Teheran. Vor allem ihre Großmutter habe sie
behütet und geprägt, eine Schneiderin für iranische Haut-Couture. Ihren
Stil verehrt Nobi noch heute. Auch die Sorgfalt und Präzision im
Handwerklichen habe die Oma ihr beigebracht.
Von ihr habe sie viel gelernt, was sie etwa durch ihr ganzes Studium an der
Berliner Modeschule Esmode begleitet hat. Nobis Familie emigrierte dann
Mitte der 1989 nach Deutschland. Nobi ging also in Deutschland zur Schule,
aber das Verhältnis zu ihrer Großmutter ist nie abgerissen.
Als wir dann anfangen, ein wenig über Inspiration und Poesie zu sprechen,
steht sie plötzlich auf und führt mich an Teile der neuen Kollektion, zeigt
mir die Stücke von außen und innen, die Nähte und wie es genau gemacht ist,
was sich versteckt und für keine Show zu sehen ist, sondern nur für die,
die es trägt und täglich um sich hat.
## Oskar Schlemmers triadisches Ballett als Inspiration
Nobi spricht dann über ihre Kollektion dieser Saison, die ich Paris gesehen
hatte. Wie sehr sie zur Zeit an kubistischen Formen interessiert ist, wie
die Bilder Fernand Légers und Oscar Schlemmers triadisches Ballett eine
starke Inspiration für die aktuelle Kollektion sind, nicht zuletzt für ihre
flächigen Accessoirs, die grossen Schnallen, die riesigen Ohrringe, oft aus
gefärbtem Horn.
Nobi arbeitet gern mit Naturmaterialien: Wenn man Horn abschleift und
färbt, weiss man nicht, was am Ende herauskommt, es ist ein Experiment. Sie
liebt diese „ungeplante Vielfalt“. Wir sprechen dann auch über Farben, üb…
Kurkuma-Gelb, Safran-Orange. Das Blau Yves Kleins, dieses nagelneue,
knallige Blau, das einen so sehr anspringt in einigen Stück der Kollektion,
habe es bislang in ihren Kollektionen noch nicht gegeben. Wie scharf es
sich gegen die reichen Brauntöne des Sands, der Wüstenfarbe abhebt …
Sie erklärt mir auch, wie der Bezug auf die Kleidung der Wüsten-Nomaden
keinen ethnologischen, fokloristischen Charakter habe, nichts mit
Verzierung und Dekoration zu tun. Was sie inspiriere, sei die reduzierte,
abstrahierte Übernahme einer Farbe, einer Struktur, einer simplen Idee, wie
jene flächigen, mehrfach übereinander gelegten Schichten der Nomaden, die
immer auf Reisen viele Kleider übereinander anziehen und dann die
verschiedenen Schichten mit einem Gürtel zusammenhalten.
Nobi Talai zeigt, wie man das macht, äußere oder innere Seite
übereinanderlegt, Röcke mit Falten aus Double Face Stoff arbeitet oder ein
ganzes Hemdkleid aus einem einzigen Stück Stoff ohne Seitennähte, nur
hinten eine einzige Naht. Nobi schätzt gerade die europäische Sachlichkeit
gegen das ornamentale Ausufern und holt die Kleidung einer anderen Kultur
in eben diese Sachlichkeit hinein.
Und dann immer wieder die versteckten Details: Knöpfe aus Horn, die man
nicht sieht, aber die ganze Konstruktion zusammenhalten, die man zuknöpfen
kann oder nicht, oder ganz feine, kaum sichtbare Lederkanten, an Ärmeln,
Röcken, Hosenbünden. Das verleiht dem Ganzen eine sehr edle Note. Und dann
verrät sie mir ein Geheimnis: In jedem Teil ist unsichtbar als Unterschrift
irgendwo der Name Nobi Talai eingewebt.
2 May 2017
## AUTOREN
Marina Razumovskaya
## TAGS
Mode
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taz.couture
Fashion Week
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