| # taz.de -- Sherry und sein Image: Nenn mich nicht süß! | |
| > Sherry war der Liebling der Wirtschaftswunderzeit, üppig und lieblich. | |
| > Dabei trinkt man ihn in seiner Heimat Andalusien trocken. Eine Zeitreise. | |
| Bild: Viel Tradition und auch Folklore: ein Sherryprüfer bei der Arbeit | |
| Alle lieben Omas. Aber wenn Omas etwas lieben, ist es das schlechteste | |
| Marketing überhaupt: Dem Käsekuchen ist es so ergangen, dem Bohnenkaffee – | |
| und auch dem Sherry. | |
| In seiner lieblichen Version war er ein Star der Nachkriegszeit, als sich | |
| die Menschen nach den harten Kriegsjahren gern am Süßen, Üppigen erfreuten. | |
| Doch nach dem Wirtschaftswunder alterte sein Image, zusammen mit seinen | |
| treuen Fans, bis fast nur noch die Omas übrig blieben. Spätestens in den | |
| 80er Jahren waren trockene Weine angesagt. | |
| Dabei wird Sherry von treuen Liebhabern und Fachleuten zu den | |
| interessantesten Weinen der Welt gezählt. Potenzial wäre also da. Das | |
| Problem ist: Wieso denkt eigentlich jeder, Sherry sei immer nur süß? | |
| Sherry stammt aus Andalusien, dem tiefsten Süden Spaniens. Dort bilden die | |
| Orte Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa | |
| Maria das sogenannte Sherry-Dreieck, aus dem alle Weine kommen müssen, die | |
| sich Sherry nennen wollen. | |
| Doch nicht nur die Herkunft zeichnet sie aus, sondern auch die verwendeten | |
| Trauben, das einmalige Herstellungsverfahren und die daraus entstandene | |
| Sortenvielfalt. Im Sherryland werden die Weißweintrauben Palomino Fino, | |
| Pedro Ximenez und Moscatel angebaut, wobei der Hauptanteil auf die | |
| Palomino-Traube fällt. Aus ihr werden alle Grundweine für den Sherry | |
| hergestellt. Und, Überraschung: Die sind alle trocken! | |
| ## Der Wein wird „augespritet“ | |
| Recht vereinfacht gesagt unterläuft jeder junge Wein aus der | |
| Palomino-Traube einen Stabilisierungsprozess: Mit hochprozentigem Brandy | |
| wird sein Alkoholgehalt von ungefähr 12 Prozent auf 15 oder 17 Prozent | |
| „aufgespritet.“ Das macht ihn haltbarer. Dann werden die Weine zum Reifen | |
| in Eichenfässer abgefüllt. | |
| Die 15-prozentigen werden zu hellen Finos, die sich luftgeschützt unter | |
| einer wabbeligen Hefeschicht zu komplexen Weinen mit einem ausgeprägten | |
| Hefe- und Mandelaroma entwickeln. Die 17-prozentigen bilden wegen des hohen | |
| Alkoholgehalts keine Hefeschicht, sondern oxidieren mit der Luft im Fass zu | |
| mahagonifarbenen Weinen, die nach Trockenfrüchten und Nüssen schmecken. | |
| Diese Weine aus Jerez erleben schon seit Jahrhunderten Boomphasen in | |
| Europa. Dabei bauten die Phönizier und später die Römer bereits in der | |
| Antike in der Region Wein an und überzogen den Mittelmeerraum mit Amphoren | |
| voller Vinum Ceretanum. | |
| Zum richtigen Exportschlager wurde Sherry ab dem 15. Jahrhundert. Von | |
| Fernando Magellan sagt man, dass er auf seiner Weltumrundung mehr Geld in | |
| Sherry als in Waffen investierte. Vor allem aber die Briten, die | |
| klimabedingt wenig Glück mit dem Weinanbau haben, liebten den Sherry. Als | |
| Francis Drake 1587 seiner Königin Elizabeth als Beute fast 3.000 Fässer | |
| davon mitbrachte, war sie begeistert. Eine wahrhaft königliche PR-Aktion! | |
| Jeder, der in England etwas auf sich hielt, trank Sherry – auch der | |
| Shakespeare-Charakter Falstaff. | |
| ## Marktgerechte Mischungen | |
| Im 19. Jahrhundert bescherte die Industrialisierung dem Sherry frisches | |
| Kapital aus Großbritannien und Amerika, einen neuen Boom – und seinen | |
| heutigen Charakter. Durch modernes Know-how konnten die „Bodegas“, wie die | |
| Sherry-Weinereien heißen, Aufspritung, Fermentation und Fassreifung besser | |
| kontrollieren als in den Jahrhunderten zuvor. Es entstanden komplexe, | |
| raffinierte, einzigartige und vor allem trockene Weine. | |
| Doch die Welt merkte davon nicht viel. Denn Sherry wurde in Fässern | |
| gehandelt und erst in den großen europäischen Hafenstädten wie Bristol, | |
| Amsterdam oder Bremen abgefüllt – und unter Zugabe von Süßweinen für den | |
| heimischen Markt abgemischt. Dem Zeitgeist entsprechend entstanden so | |
| schwere, volle Weine in zwei Geschmacksrichtungen: ziemlich süß (medium) | |
| und sehr süß (cream). Der Beginn eines enormen Missverständnisses. | |
| Hundert Jahre später verfestigte sich das süße Image, als der spanische | |
| Diktator Franco in den 1950er Jahren versuchte, Spanien mit einer Art | |
| faschistischen Planwirtschaft nach vorne zu bringen. Seine Schlager für den | |
| Export: Sonne, Südfrüchte und Sherry. Eine staatlich finanzierte | |
| Sherry-Welle schwappte über Europa, dessen Durst kaum bewältigbar schien. | |
| Es waren goldene Zeiten für die Wirtschaft von Jerez. Einzig der Versuch, | |
| auch trockene Weine auf dem Markt zu positionieren, scheiterte. Die süß | |
| verschnittenen Sherrys blieben die Lieblinge der | |
| Wirtschaftswundergeneration. | |
| Bis der Abstieg kam. Nun rächte sich, dass man auf Quantität und nicht auf | |
| Qualität gesetzt hatte. Die Folgezeit war keine leichte im Sherryland. | |
| Weinberge mussten gerodet werden und viele Bodegas wechselten die | |
| Eigentümer. Es dauerte eine Weile, bis man in Jerez wieder auszog, um die | |
| Welt von der Güte des Sherrys zu überzeugen. | |
| ## Passt zu Austern, Steaks und Schokolade | |
| Doch dieses Mal soll sie die Vielfalt des Sherrys entdecken, wie sie in | |
| Spanien schon lange bekannt ist. Und so verliebt sich weltweit gerade eine | |
| junge Generation Sommeliers, Bartender und Weinliebhaber in die Weine aus | |
| Jerez, umarmt die Bandbreite der Geschmacksrichtungen, die es möglich | |
| macht, zu Austern, Steaks oder Schokolade immer den passenden Sherry zu | |
| trinken. | |
| Entsprechend steigen die Verkaufszahlen der sogenannten Boutique-Bodegas, | |
| wie etwa Maestro Sierra und Rey Fernando de Castilla, die auf Handwerk und | |
| Qualität setzen. Auch zeitgemäße Ansätze in der Produktion finden ihren Weg | |
| nach Jerez: Die Bodega Delgado Zuleta, eine der ältesten der Region, hat | |
| den ersten Bio-Sherry auf den Markt gebracht. | |
| Einen Boom wie zu Nachkriegszeiten werden wir wohl nicht erneut erleben. | |
| Das muss auch nicht unbedingt sein. Aber dem Sherry wäre schon viel | |
| geholfen, wenn man bei ihm nicht automatisch an Oma denken muss. | |
| 26 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Cathrin Brandes | |
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