# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Loden-Kalle produziert Fake News | |
> Die Bayern, ein Opfer des Schiedsrichters? Gibt’s doch gar nicht! Die | |
> Viktimisierung des sogenannten Rekordmeisters hat bizarre Dimensionen. | |
Bild: Schiedsrichter Viktor Kassai weist den Weg | |
Manchmal, wenn gewaltige Mächte einen Stock ins prächtig geschmierte | |
bajuwarische Fußballgetriebe halten, dann bleibt den Roten nur noch eines | |
übrig: Sie müssen das Weltwissen zu ihren Gunsten verändern. Also machten | |
sich nach dem Ausscheiden der Bayern im Viertelfinale der Champions League | |
gegen Real Madrid ein paar Spitzfindige daran, den Wikipedia-Eintrag des | |
ungarischen Schiedsrichters Viktor Kassai zu faken. | |
Der Mann aus Tatabanya sei ein Mitglied des Madrider Klubs, er „spiele“ | |
sogar für die Königlichen, was nur heißen könne, dass Kassai ein gedungener | |
Manipulator sei, der den Spaniern durch zweifelhafte Entscheidungen den | |
Sieg zugeschustert habe. Kassai erkannte in der Tat zwei Abseitstore für | |
die Madrilenen an und schickte Arturo Vidal in der 84. Minute mit Gelb-Rot | |
vom Platz, aber auch die Bayern profitierten von einem diskussionswürdigen | |
Elfmeterpfiff; und ein Abseitstor wurde ihnen außerdem geschenkt. | |
Auch beim Platzverweis passte alles ins Opfernarrativ der Bayern: Vidals | |
zweite Gelbe Karte sei gar kein Foul gewesen. Dass sich aber ein wie | |
gewohntübermotivierter Vidal zuvor durch die halbe Real-Elf geholzt hatte | |
und schon früher hätte vom Platz fliegen können, das versteckten die Bayern | |
im Kleingedruckten. Am eifrigsten schrieb der fallsüchtige Arjen Robben die | |
Opfererzählung der deutschen Fußballoligarchen fort. Der Holländer, der den | |
Elfmeter clever herausgeschunden hatte, fand diese ganze | |
Schiedsrichterchose einfach nur „Wahnsinn“. | |
Auf die Spitze trieb es Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der in bester | |
Fake-News-Manier postulierte: „Wir sind beschissen worden, im wahrsten | |
Sinne des Wortes.“ Loden-Kalle setzt damit eine alte Klubtradition fort: | |
die des Bullshitting, also einer Kommunikationsstrategie, die so ähnlich | |
wie eine Nebelkerze im Stadion wirkt. Schien eben noch alles glasklar, so | |
herrscht nach der Bullshit-Attacke kurz Verunsicherung; alle sind irgendwie | |
verdattert. | |
## Münchener Terror-Trainer | |
Von Alt-Neu-Präsident Uli Hoeneß ist der Satz überliefert: „Eines ist ganz | |
klar: dass die Schiedsrichter im Zweifelsfall immer gegen Bayern pfeifen, | |
weil sie dann die ganze Woche Ruhe haben.“ Noch mehr Bullshit gefällig? | |
„Unsere Fans nehmen Fehlentscheidungen sehr gut hin, die Fans anderer | |
Vereine machen Telefonterror bei den Schiedsrichtern. Deshalb pfeifen sie | |
im Zweifelsfall immer gegen Bayern.“ | |
Könnte nicht vielmehr das Gegenteil richtig sein? Die Schiedsrichter in der | |
Bundesliga sind mit den Jahren immer pfleglicher mit den Bayern umgegangen, | |
weil eine strenge Regelauslegung den Terror der Herren Rummenigge und | |
Hoeneß (oder Sammer) heraufbeschworen hätte. Es sind zahlreiche verbale | |
Einschüchterungsversuche dokumentiert bis hin zu der Hoeneß’schen Drohung, | |
dieser oder jener Referee werde, sollte er noch einmal so einen Scheiß | |
pfeifen, kein Bayernspiel mehr leiten. Das hat in der Gilde der | |
Schiedsrichter bisweilen zu vorauseilender Milde geführt – sofern der | |
Delinquent ein rotes Trikot trägt. | |
Nun werden die Herren von der Säbener Straße sicherlich einwenden: Unsinn. | |
Doch jeder neutrale Beobachter kann diese Beißhemmung deutscher | |
Schiedsrichter studieren – wenn er denn will. Robben, Ribéry oder Lahm | |
stehen quasi unter Artenschutz. Das ist nicht schlecht, allerdings sollte | |
gleiches Recht für alle gelten. | |
Wenn der FC Bayern München auf internationalem Terrain aber nun auf | |
selbstbewusste Schiedsrichter trifft wie Kassai oder wie im Hinspiel auf | |
den Italiener Nicola Rizzoli, dann sind sie perplex, haben Schwierigkeiten, | |
sich auf die ungewohnte Unerbittlichkeit der Schiris einzustellen, und | |
werden, wenn die Sache schiefgegangen ist, zu schlechten Verlieren. | |
19 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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