Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Fußballerinnen von Turbine Potsdam: Ein Traditionsclub erfinde…
> Letzte Saison musste sich Turbine Potsdam mit Platz sieben begnügen. Doch
> dieses Jahr hat das Team gute Chancen auf die Meister schaft. Woran
> liegt's?
Bild: Svenja Huth (r.) von Turbine Potsdam im Zweikampf mit Clara Schöne vom S…
Zur Herbstmeisterschaft gab es einen 8:0-Kantersieg, überschwängliches Lob
vom Gegner und eine Botschaft aus Frankfurt von Siegfried Dietrich:
„Potsdam ist für uns momentan ein Vorbild, wie eine Mannschaft einen
Umbruch hinbekommt“, sagte der Manager und Investor des FFC Frankfurt,
großer und umstrittener Strippenzieher des deutschen Frauenfußballs.
Die längste Zeit seiner Laufbahn hat der langjährige Rivale Turbine nicht
so laut zur Tabellenführung gratuliert. Aber Zeiten ändern sich, die großen
Favoriten auf die Meisterschaft heißen mittlerweile Wolfsburg und Bayern,
und Siegfried Dietrich fängt an, viel für den Erfolg von Turbine Potsdam
übrigzuhaben. Es freue ihn, dass die Mannschaft oben stehe. „Das spricht
dafür, dass nicht nur Geld Tore schießt.“
Das klang ein bisschen ironisch aus dem Mund des Mannes, der das Geld
überhaupt erst in den deutschen Frauenfußball holte. Aber die Wiedergeburt
des Traditionsvereins Turbine Potsdam inspiriert. Trotz der jüngsten
0:1-Heimniederlage am Sonntag gegen Freiburg liegen die Potsdamerinnen auf
guter Position im Meisterschaftsrennen. Es war erst die zweite Niederlage
überhaupt in der Liga in dieser Spielzeit, beide Male gegen Freiburg.
Ansonsten: Alles glänzend, alles auf Aufbruch. Und für viele Beobachter
eine Überraschung.
Gegen die finanzstarken und mit Nationalspielerinnen gespickten Teams aus
München und Wolfsburg ist Potsdam diese Saison mehr als ebenbürtig, spielte
lange den attraktivsten Fußball der Liga und schlug beide Titelfavoriten in
deren eigenem Stadien. Es ist jetzt schon eine überragende Saison: Aktuell
ist man Zweiter, drei Punkte Rückstand auf Wolfsburg. Turbine könnte zum
ersten Mal seit 2012 wieder Meister werden. Und der neue Trainer Matthias
Rudolph, der nach der letzten Krisensaison das Amt von Dauercoach Bernd
Schröder übernahm, muss sich immer wieder fragen lassen: Was hat er bloß
mit dem Team gemacht?
Matthias Rudolph lacht. Der 34-Jährige, immer ruhig und bescheiden,
diskutiert sein eigenes Verdienst ungern. Lieber nennt er Dinge wie
„Abwehrstärke“ und „hohe Trainingsqualität“. Aber er sagt auch: „De…
Unterschied zu letztem Jahr ist, dass die Mannschaft geschlossen ist. Sie
ist ein Team. Ich habe meinen Teil dazu beigetragen.“
Natürlich hat Rudolph mehr getan: Er hat bei Turbine die Viererkette
eingeführt, er hat das Training taktischer werden lassen, er hat
Verteidigerin Tabea Kemme höchst erfolgreich in den Sturm zurückbeordert,
um nur einiges zu nennen. Rudolph selbst aber erwähnt vor allem immer
wieder „Zusammenhalt und Chemie“, das ist ihm wichtig. „Es geht darum,
offen zu kommunizieren, auch zu kritisieren. Ich hatte das Gefühl, dass es
das in der letzten Saison nicht genügend gab.“
Es ist die einzige leise Kritik, die der Cheftrainerdebütant äußert. Bei
Vergleichen mit Vorgänger Schröder hält er sich zurück. 45 Jahre hat der
autoritäre Schröder Potsdam trainiert und dominiert. Als Rudolph übernahm
und große Erfolge feierte, war man schnell dabei, Schröder anhand einer
letzten Saison als antiquierten Diktator in Grund und Boden zu schreiben.
Rudolph, der selbst neben Schröder Ko-Trainer war und die Disziplin
schätzte, ärgert das. „Es wird von den Medien irgendwas gesucht, was aneckt
und womit sich der aktuelle Erfolg leicht erklären lässt. Irgendwann
prallen diese Fragen an einem ab. Es ist im Erfolgsfall immer leicht, zu
sagen, die Mannschaft spielt befreiter. Aber sie muss befreit gewesen sein,
als sie die Meisterschaft und die Champions League gewonnen hat.“
Er will weiterentwickeln, nicht radikal umbrechen. Trotzdem ist
unbestreitbar, dass Rudolph die Atmosphäre bei Turbine verändert hat.
Einige Spielerinnen freuten sich sehr laut über die kommunikative, nahbare,
freundliche Art des neuen Cheftrainers. Rudolph hat nicht nur Mannschaft
und Trainerteam näher zusammengeführt, sondern auch die Spielerinnen
untereinander.
Teambuilding will er das nicht nennen, hochtrabende Begriffe sind nicht
sein Ding: „Das klingt aufgesetzt. Ich finde, eine Mannschaft muss sich von
innen finden.“ Die Pädagogik kommt nicht durch Zufall: Im Hauptberuf ist
Rudolph Lehrer. „Der Job hilft mir ganz klar“, sagt er und grinst. „Es gi…
viele Parallelen und ähnliche soziale Prozesse.“
Vormittags, wenn Rudolph unterrichtet, übernehmen seine zwei Assistenten
das Training. Noch funktioniert so eine Aufteilung. Aber die Branche
entwickelt sich rasant weiter. „Wir müssen uns professionalisieren, das ist
ganz klar“, sagt Rudolph. Man arbeite daran. Die Potsdamerinnen haben schon
jetzt deutliche finanzielle Nachteile gegenüber den zu Männerlizenzvereinen
gehörenden Wolfsburgerinnen und Münchnerinnen – die beiden Teams, die
zuletzt international früh ausschieden, werden zukünftig eher noch mehr
investieren.
Und so bringt die Erfolgssaison von Turbine auch die Frage mit sich, was
das hier ist: ein letzter Ausreißer nach oben, bevor Potsdam – wie so viele
reine Frauenvereine – langsam zur zweiten Garde wird? Oder ein Vorbild, das
es schafft, mit der neuen Zeit Schritt zu halten? Sie wollen das Zweite
schaffen.
Rudolph findet, das Investment von Männervereinen im Frauenfußball sei
legitim. „Wenn bald RB Leipzig oben auftaucht, wird sich die Konkurrenz
noch verschärfen. Mit der Situation müssen Traditionsvereine umgehen
können. Man muss das Bestmögliche rausholen.“ Mit verbesserter
Infrastruktur soll Turbine punkten und vor allem mit der traditionell guten
Jugendarbeit.
Ob das reicht? Zumindest diese Saison reicht es. Wenige Spieltage vor Ende
der Saison hat Turbine immer noch gute Chancen auf die Meisterschaft: Der
Rückstand auf Wolfsburg beträgt nur drei Zähler, und das direkte Duell
steht noch aus. Mit einem Sieg könnte Turbine punktgleich ziehen.
Langfristig wird es, das werden sie auch in Potsdam wissen, schwierig. Aber
der neue Trainer bringt Optimismus und Ehrgeiz mit. „Turbine hat immer den
Anspruch, oben mitzuspielen“, sagt Rudolph. Immer heißt: nicht nur in
dieser Saison.
25 Apr 2017
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Fußball-Bundesliga
Fußball-Bundesliga
Frauenfußball
1. Bundesliga
Turbine Potsdam
Stasi
Schwerpunkt taz Leipzig
Fußball
Turbine Potsdam
FFC Frankfurt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lichtenberg 47 gegen die Stasi: Der Kiez war stärker als der Staat
Mehr als zwanzig Jahre lang hat der Verein Lichtenberg 47 in der DDR als
Privatverein überlebt, direkt neben dem Ministerium für Staatssicherheit.
Frauenfußball in Leipzig: Phoenix und die Rasenballerinnen
Die Frauen von RB Leipzig wollen in die Bundesliga. Auch unten in der
Landesklasse macht sich ein Leipziger Klub auf den Weg nach oben.
Frauen-Elf des FC Bayern: Kaum Kosten, prima Rendite
Bayern-Präsident Uli Hoeneß macht den Frauenfußball zur Chefsache. Er will
10.000 Zuschauer gegen Paris St. Germain ins Stadion lotsen.
Neuer Turbine-Trainer Rudolph: Eine neue Ära bricht an
3:0 gewinnt Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt. Ein astreines
Heimdebüt für den neuen Coach Matthias Rudolph.
Champions-League-Halbfinale der Frauen: Frankfurt klagt, Wolfsburg klotzt
Frauenfußballvereine haben weniger Geld als Klubs, die auch Männerfußball
anbieten. Frankfurt und Wolfsburg streiten sich, ob das ein Nachteil ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.