# taz.de -- Die Wahrheit: „O weh, o weh! Was muss, das muss!“ | |
> Glückwunsch zum 75. Geburtstag: Die schönsten Anekdoten über die | |
> sympathische deutsche Verlegerin Friede Springer. | |
Bild: Axel Cäsar und Friede Springer haben sich gesucht und gefunden | |
In diesem Sommer feiert die große deutsche Pressezarin Friede Springer ein | |
ebenso rundes wie krummes Wiegenfest. Dieses wichtige historische Ereignis | |
nimmt die Wahrheit heute schon zum hehren Anlass, ausgewählte Anekdoten aus | |
dem schillernden Leben der bedeutenden Föhrerin zu erzählen. | |
Anfang August 1942 besuchte Adolf Hitler die Nordseeinsel Föhr, um dort | |
nach dem Rechten zu sehen und vielleicht auch einige Drückeberger und | |
Wehrverweigerer auszuheben. Als ihm der Gärtnermeister Riewerts aus Oldsum | |
vorgestellt wurde, wollte ihn der Führer versuchen, und er fragte ihn, ob | |
er sich eher als Deutscher oder als Friese fühle. Der brave Gärtner, nicht | |
faul, bemerkte die Falle und antwortete geistesgegenwärtig: „Als Föhrer!“ | |
Da aber erboste sich Hitler und sprach: „Schweigen Se! Öch bünn der | |
einzigste Föhrer!“ Erst dachte der wackere Gärtnersmann, der Führer mache | |
einen Witz, als er aber bemerkte, dass dem nicht so war, beschloss der | |
aufrechte Friese im Geheimen, sollte ihm seine schwangere Frau eine Tochter | |
gebären, so würde er sie „Friede“ nennen, dem alten Kriegstreiber Hitler | |
zum Trotze. Und so kam es dann auch. | |
## Dem Satan die Seele | |
Anfang der fünfziger Jahre versuchte der Teufel den Hamburger Jungverleger | |
Axel Cäsar Springer und bot ihm im Austausch für seine Seele die Herrschaft | |
über den mächtigsten Pressekonzern Deutschlands an: Dafür müsse sich der | |
umtriebige Altonaer aber mindestens fünfmal verehelichen und Liebschaften | |
sonder Zahl eingehen. Sünde, wo ist dein Stachel?, griente der bibelfeste | |
Womanizer in sich hinein, und siegesgewiss versprach er dem Bösen, einem | |
guten Freund die Ehefrau auszuspannen und diese dann selber zu heiraten, | |
„und das sogar zweimal!“. Vom Charme und Wagemut des blendend aussehenden | |
Hanseaten verführt, schenkte ihm der arglose Teufel daraufhin die Idee zu | |
einer Boulevardzeitung ganz neuen Typs, „einer Art Bild-Zeitung“. Springers | |
Schicksal aber sei es, unkte der Satan, immer verrückter zu werden und viel | |
Hass auf sich zu ziehen, Friede jedoch könne er nur finden, wenn er der | |
Welt und ihren Eitelkeiten entsage … | |
## Der Liebestrank | |
Im Frühjahr 1965 kam Friede Riewerts als Kindermädchen ins Haus Axel Cäsar | |
Springers in Hamburg-Blankenese. Von dem Liebreiz der blutjungen Friesin | |
aus Oldsum auf der Nordseeinsel Föhr, die „to hüüs“ Fering, einen Dialekt | |
der nordfriesischen Sprache, gesprochen hatte, war der Verleger, auch sonst | |
kein Kostverächter, so angetan, als hätte ihm die blonde Inselschönheit | |
einen heidnischen Liebestrank aus Walfischtran und Robbenblut eingeflößt. | |
Da er jedoch verheiratet war – zum vierten Mal, und zweimal hatte er | |
demselben Freund die Ehefrau ausgespannt und sie dann geheiratet! –, blieb | |
diese Liebe, so schwer es den beiden fiel, platonisch. | |
## Das Eis ist gebrochen | |
Im Frühjahr 1967 hatte sich Friede Riewerts beim Skilaufen in Gstaad das | |
Kniegelenk verdreht, und da es nicht besser wurde, war sie zu ihrer Familie | |
auf die Nordseeinsel Föhr gefahren, um den schweren Unfall auszukurieren. | |
Da rief sie plötzlich der vielbeschäftigte Verleger von seinem Anwesen auf | |
Sylt an und bat um ein Rendezvous: Er werde mit dem Hubschrauber | |
einfliegen, wo er sie treffen könne … Das schüchterne Inselmädchen war so | |
perplex, dass es auf die Schnelle nichts zu sagen wusste, der | |
weltmännische, allmächtige Pressezar aber bemerkte sogleich die Irritation | |
und schlug galant einen Treffpunkt vor: am Glockenturm in Wyk auf Föhr, was | |
seines Altonaer Akzents wegen jedoch wie „Fick auf Wöhr“ klang: Da konnte | |
sich sogar die naive Insulanerin das Lachen nicht ganz verbeißen, und das | |
Eis war gebrochen. | |
## Der Pakt ist erfüllt | |
An einem Adventswochenende des Jahres 1977 hatte der kunstsinnige | |
Medienkönig mehrere Freunde zu einem großen Konzert in die Lübecker | |
Marienkirche eingeladen. Als die beiden Liebesleute nun traulich in der | |
Suite des Strandhotels Maritim in bequemen Fauteuils saßen, fragte der | |
geniale, doch wankelmütige Großverleger fast beiläufig: „Friede, wollen wir | |
nicht heiraten?“ War das nicht der Traum ihres Lebens gewesen? Und könnte | |
sie dann nicht auch die unsterbliche Seele des tiefgläubigen Mannes retten, | |
die dieser unvorsichtigerweise dem Teufel versprochen hatte? Denn mit ihr | |
hätte der tollkühne Tycoon ja buchstäblich Friede gefunden, und wäre der | |
Pakt dann nicht erfüllt und somit auch juristisch erledigt? Das gab den | |
Ausschlag, und sie sagte ja! | |
## Die Insel der List | |
Der machtbewusste, aber zutiefst empfindsame Superverleger betrübte sich | |
Mitte der achtziger Jahre sehr über die zum Teil ja total übertriebenen | |
öffentlichen Anfeindungen und beschloss, Anteile seines Konzerns zu | |
verkaufen. Dies rief den Teufel auf den Plan, und im Verbund mit dem | |
Münchner Medienunternehmer Leo Kirch wollte er dem gebürtigen Altonaer zehn | |
Prozent seiner Aktien abkaufen. Dabei bediente sich der Versucher des | |
listenreichen Chefs der Deutschen Bank. Die abschließende Sitzung aber fand | |
auf Patmos statt, der Insel des heiligen Johannes (Apokalypse!), und die | |
ganze Zeit hatte Friede ein furchtbar schlechtes Gefühl, und sie dachte: | |
Mach es nicht! Da es jedoch vinkulierte Namensaktien sein sollten, wäre der | |
fast völlig erblindete Kirch völlig einflusslos und quasi angeschmiert, | |
versicherte der aalglatte Banker, als er diabolisch lachend mit seinem | |
Hubschrauber die kleine Mittelmeerinsel Patmos verließ. Dies aber geschah | |
genau am 17. Juni (!) 1985! | |
## Der heilige Eid | |
Als der visionäre Pressetitan 1985 völlig unerwartet das Zeitliche segnete, | |
war seine Witwe am Boden zerstört, der Teufel jedoch rieb sich die Hände, | |
denn er glaubte, mit der unerfahrenen Haupterbin nun leichtes Spiel zu | |
haben, denn die wusste ja nicht einmal, was vinkulierte Namensaktien waren! | |
Wenn die Burda-Brüder und der luziferische Kirch, denen der arglose | |
Konzernchef kurz vor seinem Tode 52 Prozent der Aktien verkauft hatte, sich | |
zusammentäten, könnten sie das Vermächtnis des großen Verlegers endgültig | |
zerstören, freute sich der Böse diebisch. Das aber war der zierlichen | |
Friesin ein Gräuel, und sie schwor in ihrer Muttersprache, in die sie immer | |
unwillkürlich verfiel, wenn sie aufgeregt war, einen heiligen Eid: „Naan, | |
uu naan! Wat skal wel skä!“ Und so kaufte sie 1988 für den doppelten Preis | |
die Aktien von den Burda-Buben zurück, der Teufel aber und Kirch machten | |
lange Gesichter. Die schüchterne Witwe jedoch beschloss, sich nie mehr von | |
den nur auf den eigenen Vorteil bedachten Beratern und Schranzen für dumm | |
verkaufen zu lassen. | |
## Der große Nachfolger | |
Und so wurde aus dem scheuen Friesenmädel die stahlharte Businesslady, die | |
erkannte, dass es zu viele Speichellecker und Hintersassen, Schmeichler und | |
Schleimer gab, denen ihr titanischer Verlegermann leider zu oft seine schön | |
geformten Ohren geliehen hatte. Was also tun? Der große Verleger hatte | |
immer ein Faible für große Männer gehabt, und da war doch dieser baumlange | |
und promovierte Musikkritiker, der schon zwei Zeitungen ruiniert hatte, | |
freilich aus Charakterstärke, denn diese Linksblätter und seine zutiefst | |
wertkonservative Grundhaltung passten eben überhaupt nicht zusammen! Diese | |
Leuchtturmwärter und Wattwürmer im Konzernvorstand, schmunzelte die Witwe | |
in sich hinein, sollten sich noch wundern über einen neuen Chef, der sich | |
auch farblich so gut in das holzgetäfelte Verlegerbüro im 19. Stock des | |
Axel-Springer-Hochhauses einfügte, edel und wertbeständig, als sei er | |
selber aus Mahagoni. Und so kam es dann auch. | |
8 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Kurt Scheel | |
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