# taz.de -- Uneheliche Kinder in Deutschland: Gericht rügt Ungleichbehandlung | |
> Keiner weiß genau, wie viele unehelich geborene Kinder in Deutschland vom | |
> Erbe ihrer Väter ausgeschlossen sind. Das ist Diskriminierung, urteilt | |
> das Straßburger Gericht. | |
Bild: Unehelich geborene Kinder haben in Deutschland noch immer oft kein Anrech… | |
STRAßBURG afp | Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat der | |
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Deutschland wegen der | |
Ungleichbehandlung von unehelich geborenen Kindern im Erbrecht verurteilt. | |
Das Straßburger Gericht gab am Donnerstag zwei Klägern Recht, die in | |
Deutschland vergeblich durch alle Instanzen – bis hin zum | |
Bundesverfassungsgericht – gezogen waren. Die deutsche Justiz hatte ihnen | |
das Recht verweigert, von ihren ledigen Vätern zu erben. | |
Die deutschen Gerichte bezogen sich auf eine ehemals im Erbrecht verankerte | |
Stichtagsregelung: Danach hatten uneheliche Kinder, die vor dem 1. Juli | |
1949 – und damit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes – geboren wurden, | |
keinen Anspruch auf das Erbe des Vaters. Die in Köln und Stuttgart lebenden | |
Kläger wurden 1940 und 1943 geboren und fielen somit unter diese | |
Stichtragsregelung. | |
Aufgrund einer ersten Verurteilung durch das Straßburger Gericht vom 28. | |
Mai 2009 wurde das deutsche Erbrecht zwar geändert: Uneheliche und eheliche | |
Kinder müssen seither gleichgestellt werden, falls ihre Väter nach dem 28. | |
Mai 2009 gestorben sind. Für die beiden Kläger änderte diese | |
Gesetzesänderung allerdings nichts – ihre Väter waren bereits vor diesem | |
Datum gestorben. | |
Der Straßburger Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass auch die neue | |
Stichtagsregelung diskriminierend ist. Er stellte einen Verstoß gegen das | |
Diskriminierungsverbot sowie gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums | |
fest. Über eine Entschädigung der Kläger will der Gerichtshof später | |
entscheiden. | |
## Keine verlässliche Statistik | |
Erst am 9. Februar hatte das Straßburger Gericht in einem ähnlichen Fall | |
einer 1940 geborenen Frau aus Bayreuth Recht gegeben. Auch sie blieb in | |
Deutschland vom Erbe des Vaters ausgeschlossen, weil dieser im Januar 2009 | |
verstorbenen war – also wenige Monate vor dem neuen Stichtag. | |
Wie viele unehelich geborene Deutsche heute nach wie vor vom Erbe ihrer | |
Väter ausgeschlossen sind, ist nach Angaben aus dem Bundesjustizministerium | |
nicht bekannt. Einem Sprecher zufolge gibt es darüber keine verlässlichen | |
Statistiken. | |
Das Urteil wurde von einer kleinen Kammer gefällt und ist noch nicht | |
rechtskräftig. Die Bundesregierung kann dagegen binnen drei Monaten | |
Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof für Menschenrechte kann den Fall | |
dann an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen – er muss dies aber | |
nicht tun. | |
23 Mar 2017 | |
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