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# taz.de -- AKP-Wahlkampf in NRW: Im Haus des Freundes
> Am Sonntag trat der türkische Wirtschaftsminister in Leverkusen und Köln
> auf. Auch Abgeordnete der Opposition waren da, die Gegendemo blieb klein.
Bild: Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi spricht im Senats Hote…
“Wir werden die Türkei zur drittgrößten Wirtschaft Europas machen. Ja zu
einer Türkei, die Freunde mit Sicherheit und Feinde mit Angst erfüllt!“ Die
ungefähr dreihundert Gäste im Saal applaudieren, als der türkische
Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi am Sonntagabend noch hinzufügt: “Wir
lassen uns von niemanden sagen, was wir tun und lassen sollen.“
Nach zwei Absagen der Veranstaltungsorte in Köln-Porz und Frechen hat
Zeybekçi seinen Wahlkampfauftritt im Vorfeld des Verfassungsreferendums
schließlich am Sonntag im Senats Hotel in der Kölner Innenstadt absolviert.
Am Eingang des Hotelkonferenzsaals gab es große Sicherheitsvorkerhungen,
bei denen im Stil von Aufsehern in der Türkei “verdächtige“ Personen mit
dem Vorwand, der Saal sei bereits voll, abgewiesen wurden.
Um das Hotel herum stand eine Hundertschaft von Polizisten bereit, jedoch
begrenzte sich die Gegendemonstration auf 30 Teilnehmer*innen, die Parolen
wie “Faşist Erdoğan“ skandierten. Eine Demonstrantin, die mit ihren zwei
Kindern zur Demo gekommen ist, erzählt: “Wir sind nicht auf Einladung
irgendeiner Organisation hier. Als wir hörten, dass der Auftritt hier
stattfinden soll, haben sich einzelne Leute her begeben, um gegen die
AKP-Politik zu protestieren.“
## „Von Haus zu Haus“
Nachdem vergangene Woche die Veranstaltung im badischen Gaggenau, bei der
der türkische Justizminister Bekir Bozdağ auftreten sollte, abgesagt wurde,
hatte Bozdağ das Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas
ebenfalls abgesagt. Im Anschluss äußerte Bozdağ, es verstoße gegen die
Menschenrechtskonventionen, gegen den Rechtsstaat und die Redefreiheit,
dass ihm nicht erlaubt wurde, in Gaggenau aufzutreten.
Als auch der geplante Wahlkampfauftritt von Nihat Zeybekçi erst vom
Bezirksamt Köln-Porz und dann von einem Frechener Hochzeitssalon abgesagt
wurde, äußerte der Wirtschaftsminister am Freitag, dass er trotzdem kommen
werde: “Wenn sie uns nicht erlauben aufzutreten, werden ich von Café zu
Café, von Haus zu Haus laufen.“
Zuletzt schaltete sich auch am Sonntag Präsident Erdoğan ein, der die
geplatzten Autritte als Antwort auf die Inhaftierung des
Welt-Korrespondeten Deniz Yücel interpretierte: “Sie setzen meine Minister
mit einem Terroristen gleich. (..) Ich glaubte, die Nazizeit in Deutschland
sei vorbei, wir haben uns getäuscht. Wenn ich will, komme ich. Und wenn ihr
mich an der Tür abweist, werde ich die ganze Welt in Aufstand versetzen.“
## Opposition ist auch vor Ort
Vor dem Wahlkampfauftritt Zeybekçis in Köln, besuchte der
Wirtschaftsminister ein Gedenkkonzert für den Volksmusiker Özay Gönlüm im
KulturStadtLev Forum in Leverkusen, das über das türkischen Staatsfernsehen
TRT live übertragen wurde. Circa 400 Besucher befanden sich vor Ort,
darunter auch diverse Abgeordnete wie Cahit Özkan (AKP), Emin Haluk Ayhan
(MHP) und Kazım Arslan (CHP).
Die Veranstalter des Konzerts in Leverkusen äußerten, dass das Konzert
schon seit Monaten geplant sei, und der Auftritt Zeybekçis nichts mit der
aktuellen politischen Krise zu tun habe. Dementsprechend schlug Zeybekçi am
Nachmittag bei seiner Ansprache noch deutlich versöhnlichere Töne an: “Wir
sehen Deutschland wie das Haus eines Freundes. Und wir haben uns heute auch
schon mit den deutschen Kollegen zum Gespräch getroffen.“
Bei einem Essen, das ihm Rahmen des Gedenkkonzerts vom DITIB-Frauenverband
organisiert wurde, sagte der CHP-Abgeordnete Kazım Arslan im Zwiegespräch:
„Beim Verfassungsreferendum geht es nicht darum, eine Regierung zu stürzen,
sondern um die Zukunft unseres Landes und der Demokratie. Wir werden nicht
zulassen, das ein mit 100 Prozent gewähltes Parlament von einem mit 51
Prozent gewählten Präsidenten aufgelöst wird. Deshalb lautet unsere Stimme
eindeutig ‚Nein‘.“
## Verbote machen aus dem „Ja“ kein „Nein“
Die geplatzten Wahlkampfauftritte der vergangenen Woche zum Wahlkampf für
das im April anstehende Verfassungsreferendum, werden von der AKP-Regierung
mit Bezug auf Demokratie und Meinungsfreiheit kritisiert. Aber auf der
anderen Seite ist deutlich sichtbar, wie in der Türkei nach dem
Putschversuch im vergangenen Sommer und dem daraufhin ausgerufenen
Ausnahmezustand mit Notstandsdekreten auf antidemokratische Weise alle
oppositionellen Stimmen mit Druck, Gewalt und Angst zum Schweigen gebracht
werden.
Die Aufhebung der Immunität von HDP- und CHP-Abgeordneten, die Begrenzung
des Verteidigungsrechts vor Gericht sowie die Verhaftung kritischer
Journalist*innen sind nur einige Bespiele dafür, dass die Zustände in der
Türkei äußerst besorgniserregend sind. Trotz alledem wird ein
Auftrittsverbot für AKP-Minister in Deutschland von vielen Deutschtürken
kritisiert. Selbst wenn Verbote dieser Art Druck auf die türkische
Regierung ausüben können, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht
dazu führen, dass sich die “Ja“-Stimmen von AKP-Wählern in Europa in ein
“Nein“ verwandeln.
6 Mar 2017
## AUTOREN
Sibel Schick
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