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# taz.de -- Lichtspielhaus als Überlebenskünstler: Mal Luxuskino, mal Schnäp…
> Das Savoy auf dem Hamburger Steindamm feiert 60. Geburtstag. Dabei nahm
> das Kino schon mehrmals Abschied.
Bild: Kino-Erlebnis der edleren Art: Empfang beim Savoy in Hamburg.
HAMBURG taz | Das Savoy ist nicht das älteste Kino von Hamburg. Das ist
immer noch das Passage Kino in der Mönckebergstraße, das 1913 eröffnet und
2010 von dem süddeutschen Kinobetreiber Heinz Lochmann vor dem Aus gerettet
wurde. Aber das Savoy ist eindeutig das edelste Lichtspiel der Stadt und
jetzt feiert es 60- jähriges Bestehen.
Am 14. März 1957 läuft im Savoy mit „Roter Staub“ der erste Film. In dies…
heute längst vergessenen Cinemascope Farbfilm geht es um die Freundschaft
eines mexikanischen Jungen mit einem wilden Stier. Zur Eröffnung des
Savoays kam darum auch der mexikanische Generalkonsul als Ehrengast.
Außerdem waren Max Schmeling, Bibi Jones und Heinz Erhard drinnen und
„draußen brüllte die etwas rauere Jugend des dortigen Viertels“. So zitie…
der Hamburger Filmwissenschaftler Michael Töteberg aus einem Artikel zur
Eröffnung. Für ihn ein Beleg, dass der Steindamm damals schon zu einem
„Schmuddelviertel“ gehörte.
Das Savoy war mit 957 Plätzen das größte Kino in der Straße und mit dem
Todd-AO-Verfahren, bei dem 70mm-Filme auf eine riesige gekrümmte Leinwand
projiziert wurden, auch das modernste. Es liefen vor allem
Breitwand-Klassiker wie „Lawrence von Arabien“, „My Fair Lady“ und „K…
und Frieden“. „Ben Hur“ stand 118 Wochen auf dem Programm und beinahe jede
Vorführung war ausverkauft. Der Kinobetreiber Herbert Steppan rollte, wann
er nur konnte, den roten Teppich aus und das war damals, so schreibt
Töteberg, das Alleinstellungsmerkmal des Savoys. Mit einem eigens
geschaffenen Filmpreis, dem „Hummel“, lockte Steppan beispielsweise etwa
1958 Maria Schell zu einer Galavorstellung in sein Kino.
In den 70er-Jahren war dann mit einem Filmpalast mit nur einer einzigen
Leinwand kein Geld mehr zu verdienen und als 1978 der Kinomogul Heinz Riech
das Savoy übernahm, machte er daraus eines seiner berüchtigten
Schachtelkinos. Er baute den großen Saal in fünf kleinere Säle um, von
denen der kleinste nur noch 76 Plätze hatte. Als dann 15 Jahren später
endgültig klar wurde, dass diese Parzellierung der großen Kinos ein Irrweg
war, baute Riechs Firma, die UFA, das Savoy wieder zurück. Aber auch nach
der Renovierung kamen immer weniger Besucher und am 17. Dezember 1998 gab
das Savoy seine zunächst letzte Vorstellung.
Inzwischen war der Steindamm mit Sexshops, Spielhöllen und dem
Straßenstrich ziemlich heruntergekommen, aber es gab dort auch viele Läden
von Migranten. Einer von ihnen war der Inder Harris Patscha, der die Idee
hatte, im Savoy Bollywood-Schinken zu zeigen. Die indische Gemeinde von
Hamburg war ohnehin vom Kino begeistert und so wurden im Savoy bis zum
Sommer 2003 regelmäßig Hindi-Filme und später auch türkische
Publikumsrenner vorgeführt.
Nach einem erneuten Besitzerwechsel wurde das Foyer zu einem orientalischen
Schnäppchenmarkt umfunktioniert. Im Kinosaal lagerte die Ware. Ein
glücklicher Umstand, denn der Kinosaal wurde nicht umgebaut, wie dies bei
fast allen anderen Kinos, die zu Läden wurden, der Fall war. So konnte er
mit wenig Aufwand wieder genutzt werden, als 2008 das Kommunale Kino der
Stadt ein Ausweichquartier brauchte.
Dessen Stammhaus, das Metropolis Kino, wurde damals gerade abgerissen und
auf demselben Grundstück im Keller Stein für Stein und Sitzreihe für
Sitzreihe wieder aufgebaut. Für die lange Bauzeit wurde eine andere
Spielstätte in zentraler Lage gesucht – und das Savoy gefunden. Drei Jahre
lang gastierte das Metropolis so erfolgreich am Steindamm, dass das
Kommunale Kino und kulturelle Stadtteilinitiativen anschließend versuchten,
es als zweite Spielstätte des Metropolis zu erhalten. Doch dieser Versuch
scheiterte und im November 2011 gab es wieder eine letzte Vorstellung im
Savoy.
Ausgerechnet Hans Joachim Flebbe rettete schließlich das Savoy. Jener
Flebbe, der als Mitbegründer der Cinemaxx-Kinogruppe als erster in den
deutschen Großstädten Multiplex-Kinos bauen ließ und so für das Kinosterben
in den 90er-Jahren mitverantwortlich war. 2009 war er aus dem Unternehmen
Cinemaxx ausgeschieden, weil er rechtzeitig erkannte, dass die nächste
Strukturkrise des Kinomarkts anstand. Seitdem machte er aus Kinos, die
schließen mussten, sogenannte Premium-Kinos.
Flebbe baute auch das Savoy um, allerdings nicht zu einem Luxuskino wie dem
Astor in Berlin oder dem Residenz in Köln. In Hamburg wählte er einen
Mittelweg, denn der Steindamm ist nun mal nicht die Mönckebergstraße. Das
umgebaute Savoy ist mit 284 Ledersesseln, viel Beinfreiheit und perfekter
Sicht auf die Leinwand von allen Plätzen aus sehr stilvoll und komfortabel
eingerichtet. In der ersten Reihe können die Sessel zu Liegen aufgeklappt
werden, auch ein bequemer Kinoschlaf ist also garantiert. Ton- und
Bildtechnik sind auf dem besten Stand und aufgeführt werden nur
Originalfassungen. Damit hat Flebbe eine Marktlücke gefüllt, denn das
einzige andere Kino der Stadt, das sich auf dieses Angebot spezialisiert
hatte, war das Streits, das Anfang 2013 schloss. Der Kinoleiter des
Streits, Gary Rohweder, hat jetzt die gleiche Position im Savoy.
Flebbes Investition von 1,2 Millionen Euro wird sich noch nicht amortisiert
haben, aber seit der Eröffnung am 20. Juni 2013 ist das Savoy mit
durchschnittlich 100 Besuchern pro Vorstellung kontinuierlich erfolgreich.
Und Flebbe knöpft auch ein wenig an die Breitwand-Herrlichkeit des Savoy in
den 50er-Jahren an, denn den bisher letzten Tarantino-Film „The Hateful
Eight“ gab es in Hamburg nur bei ihm im Savoy in der analogen 70mm-Fassung
zu sehen.
9 Mar 2017
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Kino
Kinokultur
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