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# taz.de -- Die Wahrheit: Platz da!
> Der Scooterman rollt wieder durch Berlin und lässt sich auch von
> ignoranten Rollstuhlfahrern nicht seinen Kabarettbesuch vermiesen.
Vor einigen Tagen gelang es mir, eine Dame aus Moskau namens Nadja zu einem
gemeinsamen Theaterbesuch zu überreden. Durchaus nervös befragte ich den
Computer, der unter dem Namen bei mir zur Untermiete wohnt, nach den besten
Ideen für einen gelungenen Nachmittag.
Er empfahl den „Theatersport“, also Improvisationstheater. Im BKA
Kreuzberg. Natürlich war mit einer Voranmeldungsfrist von nur vier Tagen in
Berlin kein Sonderfahrdienst für mich und meinen Scooter mehr zu bekommen.
Immerhin habe ich dort mittlerweile so oft vergeblich angefragt, dass man
meinen Namen und meine Adresse kennt. Um ein Haar hätte die Kollegin am
anderen Ende der Leitung sogar bedauernd gelacht. Also vielleicht beim
nächsten Mal. Im Sommer 2018. Da ist bestimmt noch etwas frei.
Dass das BKA, also die „Berliner Kabarett Anstalt“, sich am Mehringdamm im
fünften Stock befindet, verdrängte ich zunächst. Mein Freund Klaus war
bereit, mir Begleitschutz in der U-Bahn zu gewähren. Natürlich hatte ich
eine Viertelstunde Wartezeit vor der Tür einkalkuliert. Wo es am
Sonntagnachmittag langsam voll wird. Denn direkt neben dem Eingang lauern
zwei Imbissbuden auf Kundschaft. Aber ich hatte mich telefonisch
vorangekündigt. Damit zur Sicherheit eine Rampe für die Stufe am Eingang
bereitstünde. Und mein Ausflug nicht abrupt an einer zu schmalen
Fahrstuhltür endete.
Der Fahrstuhl war nicht zu schmal. Aber nicht tief genug. Alles wäre kein
Problem gewesen bei einem Rollstuhl von 90 Zentimeter Länge. Aber mein
stolzes Elektroross misst 147 Zentimeter. Keine Chance also.
Die Mitarbeiterin des BKA räusperte sich entschlossen. Lehnte die Rampe in
die Ecke und führte mich zum Lastenaufzug am Nebeneingang. Dort gesellte
sich Nadja zu uns, die bereits im fünften Stock einen Tisch reserviert
hatte.
Drei Stunden später standen wir wieder an der Tür. Hinter uns lagen eine
amüsante Aufführung und einige Getränke. Beim Servieren der letzten Runde
hatte der Kellner so streng geschaut, dass ich um ein Haar meinen
Schwerbehindertenausweis vorgezeigt hätte. Die Frau vom BKA wollte mit der
Rampe auch die letzte Stufe entschärfen. Doch direkt vor ihr stand ein
Rollstuhl. Der Mann darin dachte scheinbar nicht im Traum daran, sich einen
oder zwei Meter zur Seite zu bewegen.
Mein freundliches „Hallo!“ ignorierte er. Als ich meine beiden
Begleiterinnen bat, ihn etwas deutlicher zu bitten, hob er die rechte Hand
und wackelte mit den Fingern. „Sagt mal ‚Stopp!‘ “, forderte er. Den Wi…
kannte ich schon von einer Exfreundin. Egal, wann man „Stopp“ sagte – der
Mittelfinger würde stehen bleiben. Der Mann vor mir drehte sich nicht
einmal um. Und mir fiel auf, dass mein Scooter deutlich schwerer war als
sein Stuhl. Größer war ich auch.
Also gab ich Strom. Schob ihn einfach einen Meter nach vorn. Dass der
Aufprall ziemlich schmerzhaft war, ignorierte ich. Zu Hause rollte ich mich
nur noch ins Bett.
28 Feb 2017
## AUTOREN
Knut Kohr
## TAGS
Scooterman
Behinderung
Leben mit Behinderung
Multiple Sklerose
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Psychiatrie
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