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# taz.de -- „Hacksaw Ridge“ im Kino: Mit Gott im Gemetzel
> Die wahre Geschichte des US-Kriegsdienstverweigerers und Soldaten Desmond
> Doss: Davon erzählt Mel Gibson in „Hacksaw Ridge“.
Bild: Andrew Garfield als Desmond Doss im Einsatz
Es hört sich zunächst wie ein Widerspruch an: „Hacksaw Ridge“ ist sicher
einer der „härtesten“ Kriegsfilme der letzten Jahre. Aber er handelt von
einem Kriegsdienstverweigerer, einem Mann, der Gewalt ablehnte und keine
Waffe tragen wollte, weil ihm das Gebot „Du sollst nicht töten“ heilig war.
Doch wenn etwas klar wird am Ende von „Hacksaw Ridge“, dann das: Für Mel
Gibson ist das kein Widerspruch, im Gegenteil, bei ihm verstärkt das
Blutige, Dreckige, Grausame der Schlacht erst noch die Nobilität seiner
Hauptperson. Und tatsächlich ist man als Zuschauer am Ende des Films so
mitgenommen vom Gemetzel, dass man sich wie willenlos der Glorifizierung
des Helden als jesus-ähnlicher Märtyrer fügt.
Den Kriegsverweigerer auf dem Schlachtfeld gab es wirklich: Desmond Doss,
im Film von Andrew Garfield verkörpert, war ein amerikanischer Soldat im
Zweiten Weltkrieg, der als Mitglied der Freikirche der
Siebenten-Tags-Adventisten den Dienst mit der Waffe verweigerte. Er wollte
aber trotzdem seinem Land dienen und meldete sich nach Pearl Harbour
freiwillig zur US-Armee. Dort konnte man verständlicherweise zunächst wenig
mit ihm anfangen.
Doss setzte schließlich durch, dass er als Sanitäter ohne Waffe seine
Einheit in den Kampf begleiten durfte. In der legendären Schlacht um
Okinawa, einer der blutigsten der Geschichte, trug Doss dann in einer Nacht
ganz allein mehr als 75 Verletzte vom Feld.
Mel Gibson erzählt Doss’ Lebensgeschichte mit simplizistischer
Geradlinigkeit. Im ersten Teil geht es um die ärmliche Kindheit des Helden
im ländlichen Virginia zur Zeit der Großen Depression. In der von einem
alkoholsüchtigen Vater geprägten Umgebung erschlägt der kleine Desmond
einmal fast seinen jüngeren Bruder mit einem Ziegelstein. Das Erlebnis
lässt ihn zum Pazifisten werden.
## Die Schlacht um Okinawa
Im zweiten Teil inszeniert Gibson Doss’ Ausbildung in der Armee als erste
schwere Prüfung: Sein Ansinnen, Soldat zu sein ohne Waffe, stößt auf Hohn,
Verachtung und gewaltsame Ablehnung sowohl bei seinen Kameraden als auch
bei seinen Vorgesetzten. Der da bereits schwer malträtierte Held kann sich
dann ausgerechnet mithilfe seines Vaters doch noch durchsetzen – und wird
prompt in den Pazifik geschickt.
Diese sehr bieder erzählte Vorgeschichte vergisst man als Zuschauer
augenblicklich, sobald die erwähnte Schlacht um Okinawa beginnt. Im
Kriegsgetümmel findet Gibson zu seinem Element: der Schrecken, der Schlamm,
die Explosionen, die Toten, die Orientierungslosigkeit und die Brutalität –
das alles setzt Gibson mit einer unheimlichen Souveränität in Szene. Den
Soldaten mögen auf dem Feld die Sinne vergehen im Chaos des Gemetzels,
Gibsons Regie verliert den Überblick nicht.
Das führt dazu, dass sich der Zuschauer wie hineingezwungen fühlt in das
Geschehen. Und Desmond Doss erscheint als Erlöser, wenn er in seiner
nächtlichen Rettungsaktion mit wahrlich übermenschlicher Kraft, dabei
seinen Gott um „noch einen, noch einen“ bittend, Mann für Mann aus dem
Dreck zieht. Dass Gibson ihn in einigen Einstellungen in Jesus-Posen
fotografiert, ist da fast ein Tick zu viel. Aber wie gesagt, so richtig
wehren kann man sich an dieser Stelle des Films sowieso nicht mehr.
„Hacksaw Ridge“ ist Gibsons erste Regiearbeit seit zehn Jahren. Seinem
„Apocalypto“ von 2006 waren mehrere Image-Debakel wegen antisemitischer und
anderer Ausfälle gefolgt, die nur zu gut zu seinem Ruf als Mann mit
Vorliebe fürs Gewalttätige passten. Mehrere Golden Globe- und
Oscar-Nominierungen deuten nun darauf hin, dass Gibson mit „Hacksaw Ridge“
die Überwindung eines Widerspruchs gelingt: ein blutiger Kriegsfilm
verhilft ihm zur Image-Reparatur.
26 Jan 2017
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Neu im Kino
Spielfilm
Spielfilm
Gewalt
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