| # taz.de -- Türkeis Parlament billigt Präsidialsystem: Erdogan ist einen Schr… | |
| > Türkeis Präsident Erdogan will mehr Macht – und hat dafür Rückendeckung | |
| > vom Parlament bekommen. Bald soll das Volk über die Verfassungsreform | |
| > abstimmen. | |
| Bild: Abgeordnete, die das Präsidialsystem ablehnten, lachen während der Parl… | |
| Ankara ap | Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat im Streben | |
| nach einem Präsidialsystem eine wichtige Hürde genommen: Am frühen | |
| Samstagmorgen billigte das Parlament nach langer Debatte eine dazu nötige | |
| Verfassungsreform, die seinem bislang weitgehend repräsentativem Amt | |
| deutlich mehr Vollmachten geben würde. Die Regierung feierte das Votum, das | |
| im Frühjahr in einem Referendum münden soll. Die Opposition zeigte sich | |
| indes empört und kündigte einen harten Kampf gegen die Reform an. | |
| 339 Abgeordnete votierten für das Gesetzespaket, 142 dagegen. Fünf gaben | |
| leere Stimmzettel ab, zwei davon wurden für ungültig erklärt. Für eine | |
| Bestätigung der Verfassungsreform war eine Mehrheit von mindestens 330 | |
| Stimmen im 550 Sitze zählenden Parlament erforderlich. 488 Abgeordnete | |
| waren anwesend. | |
| Damit kommt es zum Referendum über das Vorhaben. Der Volksentscheid werde | |
| voraussichtlich frühestens ab 26. März und nicht später als Mitte April | |
| stattfinden, sagten Vertreter der Regierungspartei AKP, die die Vorlage | |
| eingebracht hat. | |
| Neben einer Änderung am Regierungssystem würde das Reformgesetz dem | |
| Präsidenten erlauben, seine Verbindungen zur Partei weiterzupflegen und das | |
| höchste Gericht des Landes umzubauen. Die Zahl der Sitze im Parlament | |
| könnte auf 600 angehoben, das Mindestalter von Abgeordneten indes auf 18 | |
| Jahre gesenkt werden. Alle fünf Jahre würde es außerdem zeitgleich | |
| Parlaments- und Präsidentenwahlen geben. | |
| Dem jüngsten Votum gingen fast zweiwöchige, hitzige Debatten unter den | |
| Parlamentariern voraus, die sogar mitunter in Handgreiflichkeiten | |
| ausarteten. In einer dramatischen Szene kettete sich eine Abgeordnete mit | |
| Handschellen am Podium fest, um weitere Beratungen zu stoppen. | |
| AKP-Vertreter werben mit dem Argument für die Gesetzesreform, dass ein | |
| starkes Präsidentenamt angesichts vielfacher Bedrohungen durch den | |
| Terrorismus nötig sei. So wurde die Türkei im vergangenen Jahr von | |
| Dutzenden Anschlägen heimgesucht, für die der Terrormiliz Islamischer Staat | |
| oder kurdische Extremisten verantwortlich gemacht wurden. | |
| ## „Kampf um die Demokratie“ | |
| Kritiker werfen Erdogan indes autoritäre Tendenzen vor und fürchten eine | |
| Schwächung der Kontrolle seiner Macht durch das Parlament. Sie treibt auch | |
| die Sorge um, dass der Präsident islamisch-konservative | |
| Gesellschaftsvorstellungen durchsetzen will. | |
| Kemal Kiliçdaroglu, Chef der oppositionellen Partei CHP, beklagte die | |
| Entscheidung des Parlaments. Es habe damit „dessen eigene Autorität“ | |
| preisgegeben und dessen Geschichte „verraten.“ Zugleich kündigte er an, | |
| einen „Kampf für die Demokratie“ anzuführen, auf dass die Reform beim | |
| Referendum scheitern werde. | |
| Ministerpräsident Binali Yildirim freute sich hingegen über das Votum. Nun | |
| sei es an den Bürgern, die richtige Entscheidung zu treffen, sagte er. | |
| „Unser Volk wird zu den Urnen gehen, mit seinem Herzen und Kopf abstimmen | |
| und die beste Wahl für die Türkei treffen.“ | |
| Das jüngste Votum kam gut ein halbes Jahr nach einem gewaltsamen | |
| Militärputschversuch gegen Erdogan. Diesen überstand er nicht zuletzt | |
| mithilfe Tausender Unterstützer, die sich auf den Straßen den Panzern | |
| entgegenstellten und Putschisten umzingelten. In der Folge ging die | |
| Regierung indes hart gegen mutmaßliche Gegner im Staatsapparat vor. Mehr | |
| als 100 000 Beamte wurden wegen angeblicher Verbindungen zum Geistlichen | |
| Fethullah Gülen entlassen. Ihn verdächtigt Ankara, hinter der Revolte zu | |
| stecken. | |
| 21 Jan 2017 | |
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