# taz.de -- Bezahlkarten in der Bundesliga: Stadionwurst mit Schlummergroschen | |
> Die Bezahlkarte sollte Fußballfans den Konsum in den Arenen erleichtern. | |
> Nach 15 Jahren gilt das Experiment als gescheitert. | |
Bild: Zu viele Bratwürste? Zu viele Schlummergroschen? | |
Es gibt ein Problem in der Bundesliga – mit sogenannten Bezahlkarten für | |
den bargeldlosen Einkauf im Stadion. Bei den Fans des FC Bayern München | |
sind 2,4 Millionen Euro als sogenannte Schlummergroschen auf ungenutzten | |
Bezahlkarten aufgelaufen. Beim FC Schalke 04 wurden verbraucherfeindliche | |
AGBs gerügt. Das System der Bezahlkarten in deutschen Stadien weist aber | |
nicht nur in München und Gelsenkirchen erhebliche Mängel auf. | |
Verbraucherschützer schlagen Alarm und sprechen Mahnungen aus. | |
Die FC Schalke 04 Arena Management GmbH präsentiere 2001 mit der Einweihung | |
der neuen „Arena auf Schalke“ erstmals ein bargeldloses Zahlungsmittel in | |
einem Bundesligastadion. Nach über 15 Jahren erhielt das einstige | |
Vorzeigeprojekt, die sogenannte Knappenkarte, jetzt gleich mehrere Rügen | |
der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Am 17. Januar änderte der | |
Betreiber der Bezahlkarten nach öffentlichem Druck die AGBs und nahm die | |
verbraucherfeindlichen Passagen heraus: Die Wartezeiten bei der Erstattung | |
von Restbeträgen lagen bei bis zu eineinhalb Jahren, und für die Aufladung | |
konnte eine Gebühr von bis zu 3 Euro erhoben werden. | |
In der Ersten und Zweiten Bundesliga gibt es bei 18 Vereinen Bezahlkarten, | |
wobei der Trend bis hinunter zur dritten Liga reicht. Sie sollen lange | |
Schlangen an den Imbissständen verhindern – und den Umsatz beim Catering | |
steigern. Nicht selten muss ein Pfand für die Bezahlkarte hinterlegt | |
werden. Dass die Vereine der Bundesliga dabei kein einheitliches | |
Bezahlsystem haben, macht den Umgang mit dem E-Geld nicht einfacher. | |
Viele Fans kritisieren die Bezahlkarten. Zu kompliziert sei die Aufladung | |
und Erstattung der Geldbeträge. Die Wartezeiten beim Einkauf würden sich | |
von den Imbissständen hin zu den Aufladestationen verlagern. Für die | |
konsumkritischen Fans aus den aktiven Stimmungsblöcken bedeutet die | |
Einführung von Bezahlkartensystemen oftmals den Komplettverzicht auf Bier | |
und Fressalien im Stadion. Aus Prinzip, wie sie sagen. | |
## Daten werden weitergegeben | |
Die Rückerstattungen der Restbeträge auf den Karten waren seither | |
insbesondere bei denjenigen Fans Thema, die generell selten oder gern in | |
verschiedenen Stadien Fußballspiele sahen. Undurchsichtige Bedingungen für | |
die Rückerstattung waren ein Grund dafür, dass 2010 zwei Frankfurter das | |
Internetportal „Stadionfreu“ entwickelten. Hier sollten sich | |
Stadionbesucher finden, die ihre gesammelten Bezahlkarten untereinander | |
tauschen und so ihre Schlummergroschen auslösen konnten. Dass das Portal | |
scheiterte, lag daran, dass die einzelnen Tauschpartner oft zu träge waren, | |
die Karten per Post zu versenden oder Fehlbeträge auf Karten auszugleichen. | |
Das Problem der Schlummergroschen ist also noch nicht ausgeräumt. Den | |
jüngst veröffentlichten Rechercheergebnissen folgten viele | |
Richtigstellungen der Bundesligavereine. Sie betonten den angeblichen | |
Erfolg der Bezahlkarten. Natürlich sei dieses System erfolgreich, wenn es | |
hierzu keinerlei Alternativen gibt, entgegneten Fans. Doch was viele | |
Vereine und Stadionbetreiber nicht verkündet haben, ist, dass der Siegeszug | |
der Bezahlkarten – sofern er jemals einer war – beendet ist. | |
In vielen Stadien gibt es wieder die Möglichkeit, mit Bargeld zu bezahlen, | |
wie etwa bei der TSG Hoffenheim oder bei Hertha BSC. Noch 2009 betonte | |
Frank Briel, damaliger kaufmännischer Leiter der TSG im Zuge der Eröffnung | |
der Rhein-Neckar-Arena, dass „die Karte unseren Fans und Besuchern viele | |
Vorteile bietet“. Vorteile, die bei den Fans nicht wirklich ankamen. Nach | |
sieben Jahren erklärte der gleiche Frank Briel vor Beginn der aktuellen | |
Saison die Bezahlkarte als abgeschafft: „Wir orientieren uns an den | |
Bedürfnissen unserer Zuschauer. Dazu zählt der einfache Einkauf an den | |
Kiosken.“ | |
René Lau, Rechtsanwalt und Mitglied der AG Fananwälte, sieht den Trend der | |
Rückkehr zum Bargeld positiv: „In den AGBs der Bezahlkarten ist oftmals die | |
Datenweitergabe zu Zwecken des Marketings enthalten. Die Wahrung der | |
eigenen Persönlichkeitsrechte sollte stets Vorrang haben, auch wenn es nur | |
um den Kauf einer Stadionwurst geht.“ | |
31 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Oliver Wiebe | |
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