# taz.de -- ARD-Afrika-Schmonzette: Schund unterm Weihnachtsbaum | |
> Chauvinismus, Rassismus, Stereotypisierung: Jürgen Vogel leistet als | |
> deutscher Bankräuber arg parabelhaft Entwicklungshilfe in Äthiopien. | |
Bild: Frank Michalka (Jürgen Vogel) wird von der Witwe Ayantu (Sayat Demissie)… | |
Da wollen sie einen nur ein kleines bisschen böse auf eine falsche Fährte | |
locken, möchte man denken. Denn wenn sie bei der ARD noch alle Tassen im | |
Schrank haben, kann es ja nicht sein, dass auf „Die weiße Massai“ als | |
sequel jetzt noch ein männliches Gegenstück „Der weiße Äthiopier“ (Regi… | |
Tim Trageser, Buch: Heinrich Hadding) folgen soll. | |
Es fängt ja auch ganz anders an: Thomas Thieme gibt diese | |
gönnerhaft-kotzbrockigen Misanthropen in all ihren Varianten (zuletzt in | |
der ZDFneo-Miniserie „Tempel“) so herrlich fies. Den berufszynischen Chef | |
einer Großkanzlei hatte er sich schon mal für „Ein Fall für zwei“ | |
draufgeschafft: „Frau Kleinschmidt, der Fall ist aussichtslos. Also können | |
wir unsere Kapazitäten auch sinnvoller verwenden.“ | |
Leider dauert es nur ein paar Filmminuten und schon hat Frau Kleinschmidt | |
(Paula Kalenberg), die Rechtsreferendarin mit der kümmerigen Attitüde einer | |
angehenden Kindergärtnerin, ihren Chef weichgeklopft. Er wird jetzt alle | |
seine Kapazitäten auf das eben noch ungeliebte Pflichtmandat verwenden – | |
der alte Scrooge! | |
## Höflicher als die meisten | |
Vor Gericht steht ein verurteilter Bankräuber, der gleich bei seinem ersten | |
Freigang schon wieder eine Bank überfallen hat. O-Ton der Kassiererin: | |
„Trotzdem war er höflicher als die meisten anderen Kunden.“ | |
Die Lebensgeschichte dieses Angeklagten dürfte den Vätern der Großen | |
Strafrechtsreform mit ihren Zweifeln an der Willensfreiheit die Tränen in | |
die Augen treiben. Nicht nur diesen – gegen Ende des Films glänzen die | |
Augen aller Anwesenden im Gerichtssaal. | |
Die juristische Einkleidung der afrikanischen Binnenerzählung geht schon | |
auf den Autor der zugrunde liegenden Kurzgeschichte zurück: Bereits den | |
nach dem gleichen dramaturgischen Strickmuster gefertigten „Verbrechen“- | |
und „Schuld“-Miniserien „nach Ferdinand von Schirach“, mit Josef | |
Bierbichler und Moritz Bleibtreu als Rechtsanwälten in einer | |
Rahmenhandlung, eignete doch etwas arg Parabelhaftes. | |
Und die Parabel vom weißen Äthiopier geht so: Frank Michalka wird als Kind | |
von seiner Mutter ausgesetzt, vom Adoptivvater geschlagen bis er stottert. | |
„Auf die zunehmenden Hänseleien hat er dann natürlich so reagiert, wie er | |
es von zuhause gewohnt war – mit Gewalt“, doziert Frau Kleinschmidt als | |
küchenpsychologische Gutachterin vor Gericht. | |
## Einfältig und grundgut, der Afrikaner | |
Michalka wird fälschlich des Diebstahls bezichtigt, verliert seine | |
Lehrstelle, macht Schulden im Rotlichtmilieu, also raubt der inzwischen | |
Erwachsene (Jürgen Vogel – vorübergehend mit Haaren auf dem Kopf!) seine | |
erste Bank aus, nimmt den erstbesten Flug – nach Addis Abeba, findet sich | |
bewusstlos in der Savanne wieder, wird von den hilfsbereiten, | |
gastfreundlichen, guten Afrikanern aufgepäppelt und aufgenommen. Niemand | |
hier denkt sich etwas bei den Geldbündeln in seiner Tasche. | |
Michalka revanchiert sich und baut den guten, aber allzu einfältigen | |
Afrikanern eine kleine Seilbahn, die ihnen die Kaffeebohnenernte | |
erleichtert. Er zeigt ihnen auch gleich, wie sie viel besseren Kaffee | |
machen, als sie das seit Menschengedenken so machen. Er verliebt sich in | |
eine wunderschöne, gute Afrikanerin und baut der ersten guten Familie in | |
seinem Leben eine einfache, gute Hütte. – „Einem Mann, der in Deutschland | |
nie die Chance auf ein erfülltes Leben hatte, wird in Afrika mit Wärme, | |
Freundlichkeit und Respekt begegnet. Bis dahin hat er nur Ablehnung | |
erfahren, nun kann er Teil einer Gemeinschaft sein und Liebe zurückgeben“ | |
(ARD-Redaktionsteam). – Aber nur bis er nach Deutschland ausgeliefert und | |
wegen des ersten Bankraubs verknackt wird … | |
Exotismus, Chauvinismus, Rassismus, Infantilisierung, Stereotypisierung, | |
Ethnokitsch – wurden schon der „weißen Massai“ vorgehalten. „Ich bin d… | |
so gespannt, welche Bestseller und Filmschnulzen Sie noch verwenden, um die | |
Geschichte ein bisschen rührseliger zu gestalten“, sagt einmal der gequälte | |
Staatsanwalt (Robert Gwisdek). | |
Heißt: Die ARD handelt in vollem Bewusstsein, wenn sie ihren Zuschauern so | |
einen Schund unter den Weihnachtsbaum legt. | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
Afrika | |
Familie | |
Heckler und Koch | |
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