# taz.de -- Ausflaggung und Sozialdumping auf der Elbe: Elbfähre unter der Fla… | |
> Die neue Reederei Elb-Link möchte ihre Fährschiffe zwischen Brunsbüttel | |
> und Cuxhaven unter einer Billigflagge betreiben. | |
Bild: Wo ist die Perspektive? Die Fähre „Anne-Marie“ überquert die Elbe. | |
HAMBURG taz | Eigentlich ist die neue Reederei Elb-Link mit ihrer | |
Fährverbindung zwischen Cuxhaven und Brunsbüttel in eine große Marktlücke | |
gestoßen. Doch das tolle Angebot kommt noch nicht so gut an wie erhofft. | |
Nach gut einem Jahr befindet sich die Reederei in der Bredouille und hat | |
Liquiditätsprobleme. Der Staatsanwaltschaft Stade liegt eine Anzeige wegen | |
Insolvenzverschleppung vor. „Die Ermittlungen dauern an“, sagt Sprecher Kai | |
Thomas Breas der taz. | |
Die Verbindlichkeiten würden getilgt, beteuert die Reederei. Und nun | |
bekommt Elb-Link noch zusätzlichen Ärger. Aktivisten der Initiative „Für | |
eine faire Fähre“ protestieren gegen den Plan der Reederei, die Schiffe auf | |
der Inlandsroute unter Billigflagge fahren zu lassen, um Heuern und | |
Sozialstandards der Besatzungen zu senken. | |
Seit dem 20. August 2015 pendeln die beiden modernen Doppelendfähren | |
„Grete“ und „Anne-Marie“ vom Typ MM 90 FC im Zweistundentakt die 19 | |
Seemeilen auf der Unterelbe hin und her. Damit schaffen sie eine Verbindung | |
zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein, worüber sich viele Menschen | |
und Logistiker der beiden Regionen freuen. | |
Die Flussfähren gehören der Elb-Link-Reederei mit Sitz im niedersächsischen | |
Tostedt, die wiederum der estnischen Reederei Saaremaa Shipping Company | |
gehört. Sie schippern zwar ausschließlich auf deutschem Territorium, aber | |
nicht unter deutscher Flagge – als einzige Fähren auf deutschen Flüssen. | |
Jetzt noch mit dem Wimpel Estlands, doch bald unter der Billigflagge | |
Madeiras. | |
„Jetzt ist es noch eine estnische Besatzung, dann werden es wohl | |
Philippinos zu Dumpingheuern sein“, befürchtet der Hamburger | |
Arbeitsrechtler Rolf Geffken. Denn das Fahren der Schiffe unter | |
Billigflagge ermöglicht es der Reederei, ausländische Seeleute zu | |
Niedriglöhnen und den Sozialstandards ihrer jeweiligen Heimatländer zu | |
beschäftigten und nicht zu deutschen Tarifstandards und nach deutschem | |
Arbeitsrecht. | |
Die Elb-Link Reederei schiebt den schwarzen Peter der Mutterreederei zu. | |
„Die Elb-Link-Reederei ist lediglich Charterer und hat somit keinen | |
Einfluss auf die Flagge“, sagt Betriebsleiter Bernd Bässmann der taz. „Für | |
uns hat das jedoch keinen Einfluss auf die bestehenden Arbeitsverträge, da | |
unsere Mitarbeiter alle deutsche Arbeitsverträge haben und der | |
Sozialversicherung unterliegen, da wir im nationalen Verkehr fahren“, | |
beteuert Bässmann. | |
Ganz gleich, ob die Ausflaggungspläne auf die Mutter- oder die | |
Tochtergesellschaft zurückgehen: Das Motiv dafür dürfte darin liegen, dass | |
Elb-Link bis zum 31. Juli des abgelaufenen Jahres 1,4 Millionen Euro | |
Verlust eingefahren hat. Neben den normalen Anlaufschwierigkeiten haben | |
laut Betriebsleiter Bässmann unvorhergesehene Kosten zu dem negativen | |
Ergebnis beigetragen. | |
Zum einen seien 400.000 Euro zusätzliche Lotsenkosten angefallen, weil die | |
Fähren länger als geplant nur mit einem Lotsen an Bord fahren durften. Zum | |
anderen habe die Einstufung der beiden Fähren als „Seeschiffe“ nicht | |
einkalkulierte Abgaben in Höhe von 130.000 Euro verursacht. Mit dieser | |
Einstufung wollte Elb-Link die Beschränkungen für Gefahrguttransporte auf | |
Binnenschiffen umschiffen. | |
Bässmann gibt sich zuversichtlich: „Die Strecke muss sich etablieren und | |
dies wird noch einige Zeit dauern“, sagt er. Verluste seien einkalkuliert. | |
Das bestätigt auch der Chef des Deutschen Fährverbands, Michael Maul. Der | |
Verband rechne mit einer Anlaufphase von zwei bis drei Jahren, bis sich | |
Fähren in einer Region fest verwurzeln. Die wirtschaftlichen | |
Rahmenbedingungen der Branche seien sehr gut.Gerade deshalb stoßen die | |
Ausflaggungspläne auf Widerstand. | |
„Sich billig zu machen, in dem man die Mannschaft billig macht, das ist | |
kein tragfähiges Konzept“, sagt der niedersächsische Bundestagsabgeordnete | |
der Linken, Herbert Behrens. Er verweist auf das unausgeschöpfte Potenzial | |
der Fähre: „Sie könnte mehr für den Güterverkehr als Alternative zum | |
Elbtunnel genutzt werden.“ | |
Für Geffken, den Anwalt der Seeleute, geht es aber auch um das | |
Grundsätzliche. Aufgrund des Falls bekomme die Forderung der Initiative | |
„Rettet die Seeschifffahrt“, Ausflaggungen zu verbieten, neuen Schub. | |
„Die Kreistage von Cuxhaven und Dithmarschen werden sich ebenso mit dem | |
Thema befassen wie die Regionalkonferenz Nord der Gewerkschaft Ver.di“, | |
sagt der Anwalt Geffken. Auch die Spitzenkandidatin der Linkspartei bei den | |
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Marianne Kolter, habe zugesagt, das | |
Ausflaggungsverbot zum Thema zu machen. | |
3 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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Kreuzfahrt | |
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