# taz.de -- FC Bayern vs. RB Leipzig: Triumph der Oldies | |
> Der FC Bayern entzaubert den Herausforderer RB Leipzig. Dabei profitieren | |
> die Münchner von den fatalen Fehlern der Gäste. | |
Bild: Der RB Leipzig am Boden. Xabi Alonso narrt die Leipziger bei seinem Treff… | |
MÜNCHEN taz | Als auch noch Rudolf, das Rentier, mit dem Geschenkeschlitten | |
am Mittelkreis vorfuhr, ein Knabenchor im Dämmerlicht „Stille Nacht“ sang, | |
der Text dazu auf den Werbebanden an den Seitenlinien eingeblendet und alle | |
75.000 zum Mitsingen aufgefordert wurden („Und jetzt alle!“), spätestens da | |
war die frohe Botschaft aus dem Bayernland klar und deutlich vernehmbar: | |
„Hey Red Bull, Show können wir auch!“ | |
Ob Didi Mateschitz, der zuvor mal eben Champions oder Europa League als | |
neues Saisonziel ausgerufen hatte, sich den Laserzauber nach dem | |
ernüchternden 0:3 seiner Rasenballer noch angetan hat oder lieber erst mal | |
ein wenig Taurin nachgelegt hat, ist nicht überliefert. Die gesamte | |
Spielfläche hatte der „Weihnachtsmeister“ nach getaner Tat als | |
Projektionsfläche genutzt, um dem Emporkömmling aus dem Osten auch in | |
Sachen Entertainment zu zeigen, wo der dreidimensionale Hammer hängt. Der | |
Knabenchor war allerdings echt. | |
Das Imperium schlägt zurück, Machtdemonstration, Wiederherstellung der | |
alten Herrschaftsordnung, Herr im Haus, Demonstration der Klasse: So oder | |
ähnlich klangen die Sprüche nach der schon frühzeitig feststehenden Abwehr | |
des Umsturzversuchs aus dem Hause Red Bull. Sinnbildlich für den Biss der | |
Gastgeber steht eine Szene zu Beginn der zweiten Hälfte. Leipzigs | |
Reservespieler wollten sich vor der Südkurve warmlaufen, doch dort schlug | |
ihnen dermaßen verbaler Gegenwind aus dem Fanblock entgegen, dass sie flugs | |
wieder das Feld räumten und beim vierten Offiziellen nachfragten, ob sie | |
sich auch vor der deutlich ruhigeren Nordkurve aufwärmen dürfen. Sie | |
durften. | |
## Dem RB ging die Luft aus | |
Dass das Gipfeltreffen auch ganz anders hätte ausgehen können, wäre Youssuf | |
Poulsen in Minute vier nicht an der scharfen Hereingabe des blitzschnellen | |
Timo Werner vorbeigerutscht, war bald nicht mehr von Belang. Zu deutlich | |
war die Überlegenheit der Bayern, zu dilettantisch die Defensive der | |
Leipziger. „Mit drei solchen Aussetzern kannst du nichts holen“, meinte | |
Sportdirektor Ralf Rangnick zu den individuellen „Böcken“ von Keita vor dem | |
0:2, von Emil Forsberg bei dessen Roter Karte und von Torwart Peter Gulacsi | |
beim Foulelfmeter, der zum 0:3 führte. | |
Erschwerend kam hinzu, dass dem Herausforderer nach 16 Vorrunden-Partien im | |
Fast-Forward-Modus ausgerechnet zum Liga-Gipfel die Luft ausging, wie | |
Trainer Ralph Hasenhüttl zugeben musste: Körperlich und mental seien einige | |
Spieler „ein bisschen auf der letzten Rille“ unterwegs. Eine Mitschuld am | |
Untergang (Hasenhüttl: Das war eine Lehrstunde für uns“) räumte er | |
ehrlicherweise ein, weil er einen nicht fitten Akteur wie Naby Keita | |
aufgestellt hatte: „Den Schuh ziehe ich mir auch ein bisschen selber an. | |
Der eine oder andere Spieler war sicherlich nicht in der Lage, Topleistung | |
zu bringen“, so Hasenhüttl. | |
Aber es lag ja nicht nur am Aufsteiger, dass die Partie so einseitig | |
verlief. 24:5 Schüsse Richtung Tor, 11:2 Schüsse aufs Tor, 76 Prozent | |
Ballbesitz für die Bayern: Werte, die eine deutliche Sprache sprechen – und | |
die Aufstellung von Bayern-Coach Carlo Ancelotti (ohne Franck Ribéry, ohne | |
Thomas Müller) rechtfertigten. Die Oldies waren diesmal die Goldies: Xabi | |
Alonso, Philipp Lahm und Arjen Robben, allesamt zur Ü30-Fraktion gehörend, | |
gehörten mit dem endlich mal wieder bestens aufgelegten Thiago zu den | |
bestimmenden Akteuren. Dreimal wechselte Ancelotti, doch Müller blieb | |
sitzen, musste mitansehen, wie sein Alter Ego Thiago auch noch ein | |
typisches Müller-Abstauber-Tor zum 1:0 ins Netz bugsierte. Alles richtig | |
gemacht, Mister Ancelotti! Der brummelte hinterher nur knapp „Wir mussten | |
uns verbessern, wir haben uns verbessert“, sprach immerhin noch von „fast | |
perfekten ersten 30 Minuten“ und meinte: „Dieses Spiel gibt uns | |
Selbstvertrauen.“ | |
## Gutes Timing der „Schickeria“ | |
Es dürfte auch ihm selbst Selbstvertrauen geben, da es doch so einige | |
Mäkeleien an seiner Taktik gegeben hatte, auch aus dem Mannschaftskreis. | |
Nun schlug der Weitgereiste schlau zurück und entzauberte so die | |
hochgelobten Vollgas-Leipziger. „Die Bayern haben mit unseren Waffen | |
geglänzt“, befand Rangnick treffend. Das extreme Pressing der Bullen ließen | |
die Bayern mit extrem guter Technik und Passfolge ins Leere laufen. | |
Zusammengefasst: ein Abend, wie ihn sich etwa ein Bayern-Fan wie Uli Hoeneß | |
kaum schöner hätte malen können. Wären da bloß nicht diese Plakate in der | |
Südkurve gewesen. Gutes Timing zeigten die Fan-Clubs „Schickeria“ und „C… | |
12“: Sie entrollten ihre Spruchbänder Anfang der zweiten Halbzeit, als es | |
auf dem Feld eher besinnlich zuging und mal Zeit zum Lesen war. Zu Bildern | |
von Hoeneß und Beckenbauern stand da Rot auf Weiß: „Steigbügelhalter RBs. | |
Unsere Gründungsväter drehen sich im Grab um.“ Oder: „Ohne mein Mitwirken | |
hätte Mateschitz das Projekt wohl fallen gelassen – der Tote liegt nicht | |
mehr im Sarg.“ Die gesamten 90 Minuten prangte direkt hinter dem Tor in | |
riesigen Lettern der Schriftzug: „Gegen den modernen Fußball“. Zustimmung | |
für Hoeneß sieht anders aus. Sagen wollte er den Reportern dazu lieber | |
nichts, flötete vielmehr „Schöne Weihnachten“ und entschwand in die gar | |
nicht mal so stille Nacht. | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Thomas Becker | |
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