# taz.de -- Getraud Gauer-Süß und Randy Haubner über Konsum: „Es ist ein b… | |
> Kaufen, Weihnachten, umtauschen, mehr kaufen – das Projekt „Konsum mit | |
> Köpfchen“ will nicht mitmachen und bietet Alternativen an: nachhaltigen | |
> Konsum | |
Bild: Jetzt aber schnell: Nach Weihnachten ist vor dem Winterschlussverkauf | |
taz: Frau Gauer-Süß, Frau Haubner, wie verschenkt man konsumkritisch? | |
Gertraud Gauer-Süß: Ich schenke gerne, und bekomme auch gerne Geschenke. | |
Aber ich überlege mir vorher genau, was ich wem schenken möchte und gehe | |
dann gezielt in Geschäfte, die nachhaltig produzierte Waren anbieten. Da | |
gibt es mittlerweile ein großes Angebot und ich finde eigentlich immer | |
etwas. | |
Randy Haubner: Die größte Freude bereitet man anderen, wenn man sich | |
Gedanken macht. Wenn man wirklich etwas aussucht, was zu der Person passt, | |
vielleicht etwas Selbstgemachtes oder gemeinsame Zeit schenkt. | |
Sie setzen sich für nachhaltigen Konsum ein. Der Einzelhandel hat 2016 in | |
Deutschland über 90 Milliarden Euro umgesetzt. Ein Großteil davon wird in | |
der Weihnachtszeit verdient. Haben Sie eine konsumkritische | |
Weihnachts-Utopie? | |
Gauer-Süß: Ich fände es gut, wenn wieder ein angemessenes Maß erreicht | |
werden könnte und Schenken wieder bewusster abläuft. Wenn ich mir gut | |
überlege, was ich verschenke, reduziere ich auch das Umtauschen. Dann | |
hätten wir wahrscheinlich auch nicht so viele überlastete Menschen im | |
Einzelhandel und abgearbeitete Paketboten. Es ist mittlerweile völlig | |
normal, dass man sich zehn Sachen bestellt und vorher weiß, dass man acht | |
wieder zurückschicken wird. Das alles ist ein bisschen wahnsinnig. Es geht | |
ja niemandem besser dadurch. | |
Wie kann man diesem Wahnsinn entgegentreten? | |
Gauer-Süß: Natürlich können wir nicht alle wieder selbst unsere Kartoffeln | |
anbauen. Wir sollten allerdings eine Debatte darüber führen, welche Werte | |
wir mit unserem Konsum unterstützen. In was für einer Gesellschaft möchten | |
wir leben? Was ist wirklich wichtig: Ist es das neueste Handy oder sind es | |
vielleicht doch andere Werte? | |
Man sollte also das Richtige konsumieren und nicht komplett aufhören zu | |
konsumieren? | |
Haubner: Es kommt auf die Definition an: Konsum ist der Gebrauch und | |
Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen. Nachhaltiger Konsum bedeutet, | |
die Bedürfnisse der jetzigen wie auch künftigen Konsument*innen zu | |
erfüllen. Er sollte bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung Umwelt und | |
Ressourcen schonen, sozial gerechte und faire Arbeitsbedingungen einhalten | |
sowie ökonomisch tragfähig sein. Natürlich konsumieren wir und müssen das | |
auch. Wir hinterfragen den Überfluss an Konsumgütern und sind nicht für | |
einen reinen Verzicht, sondern dafür, dass man nachdenkt, ob man wirklich | |
das zehnte günstige Shirt braucht oder ob es nicht auch ein fair | |
produziertes tut. | |
Wie kann man Konsum anders gestalten? | |
Haubner: Bewusster und persönlicher: Neben dem Verschenken von nachhaltigen | |
Produkten kann man tauschen, teilen und kokonsumieren. Für uns ist Kleidung | |
ein großes Thema – Ökofaire-Mode und Altkleidersammlungen zum Beispiel. Bei | |
uns bekommt man Anregungen und Ideen, wie und wo man nachhaltiger | |
konsumieren kann. | |
Was gibt es in Bremen? | |
Haubner: Es gibt Tauschringe, bei denen man Dinge oder Dienstleistungen | |
anbietet und durch ein Punktesystem „entlohnt“ wird. Mit diesen Punkten | |
kann man dann weiter tauschen. Oder auch Initiativen, die sich für Kokonsum | |
einsetzen, also Dinge teilt und nicht nur alleine besitzt. Auch gibt es | |
zahlreiche Kleidertauschbörsen. Die haben wir anfänglich noch stark | |
unterstützt, aber mittlerweile sind sie Selbstläufer. | |
Aber wie viel bringt das? Kann man so Großkonzerne bekämpfen? | |
Gauer-Süß: Für mich ist die Frage, was ich will und was ich nicht will. | |
Wenn ich eine Strecke mit dem Fahrrad und nicht mit dem Auto fahre, weiß | |
ich, dass es ökologischer ist. Und vielleicht tut mir das sogar selbst noch | |
gut. Und auch wenn vielleicht unter den verschiedenen fair produzierten | |
Kaffeesorten ein paar wenige dabei sind, die den angestrebten Standards | |
nicht voll entsprechen, ist der immer noch besser produziert als der | |
konventionelle Kaffee aus dem Discounter. Für mich ist nachhaltiger Konsum | |
eine politische Handlung. Ich weiß, dass ich mit bestimmten Produkten ein | |
System unterstütze, das ich nicht unterstützen möchte. Wenn es eine | |
Alternative dazu gibt, entscheide ich mich immer für diese. Ich kann nicht | |
einerseits ein System kritisieren und es andererseits durch Konsum | |
unterstützen. | |
Ist Konsumkritik auch immer Gesellschaftskritik? | |
Gauer-Süß: Im Prinzip schon. Wir sind eine Konsumgesellschaft. Das hat sich | |
einfach verselbstständigt. | |
Haubner: Es geht darum, welche Werte einem wichtig sind. Und das nicht nur | |
im ökonomischen Kontext, sondern vor allem im ökologischen und sozialen. Es | |
ist wichtig, nicht nur alles schnell und günstig anzubieten und zu | |
verbrauchen, sondern eine gute Balance zwischen dem Konsum und der | |
Gesellschaft zu finden. | |
Welche Werte meinen Sie konkret? | |
Gauer-Süß: Den Respekt vor den Bedürfnissen meiner Mitmenschen auf dieser | |
Welt. Ebenso die zukünftigen Generationen. Ich versuche so zu leben, dass | |
ich anderen ein ähnliches Leben wie meines ermögliche. | |
Haubner: Für mich ist es vor allem die Fairness für Mensch und Natur. Jedem | |
Menschen steht etwas zu. Mit dem eigenen Konsum kann man ein Stück weit | |
mitbestimmen. | |
Liegt nachhaltiger Konsum im Trend? | |
Haubner: Ich glaube, es gibt zwei große Trends. Zum einen wollen viele | |
höher, schneller, weiter und genießen unsere Konsumwelt. Zum anderen gibt | |
es immer mehr – gerade jüngere – Leute, die sich bewusst damit | |
auseinandersetzten, wie sie leben und was sie unterstützen wollen. | |
Gauer-Süß: Dazu kommt, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter | |
auseinandergeht. Und wenn man bei Höher-schneller-Weiter nicht mithalten | |
kann, gibt es zwei Kompensationsmöglichkeiten: Entweder man kauft sehr | |
günstige Produkte oder man setzt diesem Wettbewerb etwas entgegen und | |
entscheidet sich bewusst, dabei nicht mehr mitzumachen. | |
Wie erreichen Sie diejenigen, die weiterhin übermäßigen Konsum genießen? | |
Gauer-Süß: Man kann diese Gruppen gar nicht klar trennen. Das Wissen von | |
Nachhaltigkeit ist eigentlich bei allen da. Jeder weiß, dass das eigene | |
Verhalten Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft hat. | |
Haubner: Aber wir versuchen natürlich, auch Leute anzusprechen, die wir | |
sonst nicht erreichen würden. Zum Beispiel mit unserer Modenschau auf der | |
Breminale, wo wir vielen Leuten zeigen, dass Ökofair-Mode durchaus tragbar | |
und schick sein kann. | |
Es heißt, dass Konsum nicht glücklich macht. Sie sagen, dass kein Konsum | |
auch nicht glücklich macht. Macht dann nachhaltiger Konsum glücklich? | |
Gauer-Süß: Also, ich persönlich freue mich, wenn ich ein Produkt gefunden | |
habe, das mir gefällt und ich mit dem Kauf eine faire Firma unterstütze. | |
Diese Mode trage ich viel lieber und mit einem besseren Gefühl. | |
Haubner: Wenn ich weiß, dass mein Konsumverhalten das unterstützt, was ich | |
möchte und was ich mir wünsche für diese Welt, dann macht mich das | |
glücklicher. Weihnachtsgeschenke sind ein gutes Beispiel: Der Beschenkte | |
ist glücklich, alle, die am Produkt mitgewirkt haben, können ein gutes | |
Leben führen und die Umwelt wurde so wenig belastet wie möglich. Das macht | |
mich glücklich.w | |
29 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Pia Siber | |
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