# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Dschibuti: Klein, aber strategisch wichtig | |
> Das Land am Horn von Afrika ist traditionell ein Korridor zwischen Afrika | |
> und Asien. Heute ist es der wichtigste Militärstützpunkt des Kontinents – | |
> auch für Europa. | |
Bild: In Dschibuti stationierte Bundeswehrsoldaten bekämpfen von hier aus Pira… | |
Dschibuti ist eines der kleinsten Länder Afrikas. Am äußersten Zipfel des | |
Horns von Afrika gelegen ist seine strategische Bedeutung umso größer. Mit | |
seinem gewaltigen Hafen, gelegen am Golf von Aden, gilt es als Transitland | |
par excellence. Hier migrieren schon seit Jahrtausenden Menschen zwischen | |
dem afrikanischen Kontinent über die Meeresenge auf die arabische Halbinsel | |
und weiter nach Asien. | |
Seit 2008 schifften sich mehr als 360.000 Afrikaner nach Jemen ein, rund 80 | |
Prozent davon Äthiopier, die übrigen Eritreer und Somali. Sie suchen meist | |
Arbeit in den reichen Ölstaaten Arabiens. Es wird geschätzt, dass ein | |
Großteil der Arbeitsmigranten Opfer von Menschenhändlern sind, die gezielt | |
billige Arbeitskräfte für die Golfstaaten anheuern. Berichte von brutalen | |
Misshandlungen der afrikanischen Arbeitsmigranten auf Baustellen in Saudi | |
Arabien oder von afrikanischen Kindermädchen sind durch internationale | |
Menschenrechtsorganisationen bekannt geworden. | |
Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Migrationsstrom im Zuge des | |
Bürgerkriegs in Jemen, der 2015 offen ausgebrochen ist, versiegte. Doch | |
nach Angaben des regionalen Think Tanks RMMS, der gezielt für das Horn von | |
Afrika Migrationsdaten erhebt und Quellen analysiert, war 2016 ein | |
Rekordjahr für die Migration über den Golf von Aden: Mehr als 120.000 | |
Menschen erreichten die jemenitische Küste. 85 Prozent der Ankommenden sind | |
Äthiopier. 98 Prozent von ihnen gehören der Ethnie der Oromo am, erklärt | |
RMMS-Migrationsspezialist Bram Frouws im taz-Interview. | |
Ein Grund für die ungebremste Migrationsbewegung sei laut Frouws die im | |
Krieg meist ungesicherte Küste. „Es ist nicht einfach zu erklären, warum | |
die Zahlen steigen. Wir haben bislang definitiv keinen Rückgang im Zuge des | |
Krieges beobachtet“, so Frouws. Lediglich im November 2016 rettete im Zuge | |
einer freiwilligen Rückkehrinitiative die Internationale Organisation für | |
Migration (IOM) über 600 Migranten aus den Kriegswirren und brachte sie | |
zurück nach Dschibuti. | |
## Sicheres Herkunftsland | |
Seitdem Jemen im Bürgerkrieg versinkt, fliehen aber umgekehrt auch Menschen | |
aus Jemen über das Meer vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Dschibuti. Die | |
mehr als 35.000 Jemeniten in Dschibuti stellen mittlerweile die größte | |
ankommende Gruppe dar. Im Vergleich: Die Einwohnerzahl des Landes beträgt | |
gerade einmal 900.000, nach Weltbankdaten von 2013 leben nur rund 15.000 | |
Menschen aus Dschibuti außerhalb ihres Landes, die meisten in Frankreich, | |
der ehemaligen Kolonialmacht, andere befinden sich in Äthiopien und ein | |
kleiner Teil in Algerien und Kanada. In den Migrationsstatistiken übers | |
Mittelmeer gen Europa tauchen Migranten aus Dschibuti in den vergangenen | |
Jahren kaum auf: Gerade einmal 305 Asylbewerber aus Dschibuti wurden 2015 | |
EU-weit registriert. Die Hälfte wurde abgelehnt und abgeschoben, Dschibuti | |
gilt als sicheres Herkunftsland. | |
Derzeit bietet der Mini-Staat rund 23.000 Flüchtlingen offiziellen Schutz, | |
so die Angaben der für Flüchtlinge zuständigen nationalen Behörde ONARS, | |
die davon sind meisten Somali. Nahe der somalischen Grenze im Süden des | |
Landes leben im Lager bei Ali-Adeh rund 11.000, in einem weiteren Lager, | |
Holl Holl, sind rund 2.000 Menschen untergebracht. Somali und Jemeniten | |
bekommen derzeit in Dschibuti automatisch Asyl. Anträge von Äthiopiern, | |
Eritreern und anderen werden individuell geprüft. Die meisten | |
Arbeitsmigranten auf Durchreise kommen meist in den Ballungszentren entlang | |
der Küste unter, in den Hafenstädten Obok oder Dschibuti-Stadt. Auch viele | |
Jemeniten leben dort. Sie wollen sich nicht in den Lagern als Flüchtlinge | |
registrieren, sondern lassen sich in den Städten auf eigene Kosten nieder. | |
Dschibutis Küstenwache rettete in der Vergangenheit zunehmend mehr Menschen | |
aus Seenot. Erst im Juni sicherten sie ein Schiff mit über 140 Äthiopiern, | |
Somali und Eritreern an Board und übergab sie der IOM, die sich in | |
Dschibuti stark engagiert und die Küstenwache ausgebildet hat – vor allem | |
im Umgang mit Migranten. Im Oktober 2016 wurde feierlich die erste | |
Zugverbindung für Personen- und Güterverkehr zwischen Äthiopien und | |
Dschibuti eröffnet, die das Binnenland Äthiopien mit dem Küstenhafen in | |
Dschibuti verbindet, wo sämtliche Im- und Exporte umgeschlagen werden. Auch | |
für Migration wird diese Zugverbindung in Zukunft eine Rolle spielen. | |
## Militär und Handel | |
So klein Dschibuti auch ist – es ist eine wichtige Militärbasis für | |
Streitkräfte aus aller Welt auf dem afrikanischen Kontinent: Das | |
US-Kommando für Afrika (AFRIKOM) hat dort die einzige Militärbasis auf dem | |
Kontinent. Die Franzosen sind mit 1.500 Mann vor Ort, Japaner, Chinesen, | |
Italiener und Deutsche – Start- und Landevorgänge sind auf dem geschäftigen | |
Militärflughafen am Horn strikt getaktet. Die Amerikaner fliegen von dort | |
aus einen Großteil ihrer Drohneneinsätze und unterhalten dort | |
Verhörzentralen im Kampf gegen den Terror. | |
Durch den Golf von Aden verläuft die Haupthandelsroute zwischen Europa, der | |
Arabischen Halbinsel und Asien – gleichzeitig gehört sie zu den weltweit am | |
stärksten von Piraterie gefährdeten Seewegen. Mehr als 20.000 Frachttanker | |
passieren jährlich den Golf. Sie befördern etwa 95 Prozent des | |
Handelsvolumens zwischen Afrika, Asien und Europa. Nachdem Piraten aus | |
Somalia diese Schiffe als Kapitalausbeute entdeckten, kam es immer wieder | |
zu Entführungen, um Lösegeld zu erpressen. | |
Dagegen wurde 2008 die Operation EU-Mission Atalanta als erster maritimer | |
Einsatzverband der Europäischen Union gestartet. Die europäischen Schiffe | |
und Flugzeuge schützen seitdem die Transporte des Welternährungsprogramms | |
(WFP), die Lebensmittellieferungen für Flüchtlinge und Vertriebene nach | |
Somalia lieferten. Auch die Waffentransporte der Friedensmission der | |
Afrikanischen Union (AU) in Somalia (AMISOM) mussten vor Piraterie | |
gesichert werden. Seit 2015 gab es keinen Piratenüberfall mehr im Golf. | |
„Die EU-Mitgliedsstaaten haben 2015 auch auf Anregung der Bundesregierung | |
eine umfassende strategische Überprüfung der EU-Missionen unternommen“, | |
erklärt die Bundeswehr gegenüber der taz auf Anfrage, wie es mit Atalanta | |
weitergehe. Der Europäische Auswärtige Dienst habe den Mitgliedsstaaten | |
seinen Bericht vorgelegt. In den anschließenden Beratungen einigte man sich | |
darauf, die Kräfte am Horn von Afrika an die saisonal witterungsbedingten | |
Schwankungen (Sommer- und Wintermonsun) der Piraterie-Bedrohung | |
„anzupassen“. Für die Deutsche Marine bedeute dies, dass im Anschluss an | |
die Fregatte „Bayern“ und den Betriebsstofftransporter „Spessart“ kein | |
weiteres Schiff am Horn von Afrika eingesetzt wird. „Damit tragen wir auch | |
dem gestiegenen Bedarf an maritimen Fähigkeiten für andere Einsätze | |
(EUNAVFOR MED) oder einsatzgleiche Verpflichtungen (NATO-Unterstützung in | |
der Ägäis) Rechnung“, erklärt die Bundeswehr. | |
## Koordination der Migrationspolitik | |
Aufgrund der internationalen Militärpräsenz gilt Dschibuti in Afrika als | |
wichtiger Treffpunkt von Geheimdienstlern. Dort wurde 2015 eine Institution | |
aus der Taufe gehoben: die Jährlicher Konferenz der Chefs aller | |
Geheimdienste Afrikas, HISS. Im Zuge der Partnerschaft zwischen der | |
EU-Agentur Frontex und afrikanischen Geheimdiensten ist derzeit von der | |
Etablierung eines afrikanischen Hauptquartiers die Rede, auch hier ist | |
Dschibuti als Standort im Gespräch. | |
Dschibuti ist auch als Hauptquartier afrikanischer Organisationen wichtig: | |
Es ist Hauptsitz der IGAD (Intergovernmental Authority on Development), in | |
welchem die Staaten im Horn von Afrika wie Somalia und Äthiopien aber auch | |
Kenia und Uganda vertreten sind. Der Verbund wurde in den 1980er Jahren | |
gegründet, um den Konflikten und Migrationsbewegungen im Zuge der Dürre im | |
Horn von Afrika zu entgegnen. Bis heute ist IGAD engagiert in den | |
Friedensverhandlungen in Südsudan und Somalia. | |
In Dschibuti wurde 2011 auch das regionale Sekretariat für „Mixed | |
Migration“ (Regional Mixed Migration Secretariat RMMS) das als | |
Recherche-und Koordinierungsstelle für die starken regionalen | |
Migrationsbewegungen etabliert wurde und bis heute von deutschen und | |
europäischen Gebern finanziert wird. Im November 2016 hielt IGAD in Ugandas | |
Hauptstadt Kampala einen „Dialog für Migrationspolitik“ ab, bei welchem | |
sich die Mitgliedsstaaten auf einer raschere Implementierung des | |
sogenannten „Migration-Aktionsplans“ geeinigt hatten. Auch das | |
„Regionalkomitee für Mixed Migration“ trifft sich regelmäßig in Dschibut… | |
um die Zusammenarbeit der Länderregierungen in Sachen Migration zu | |
koordinieren: Beim Jahrestreffen 2015 standen die Bekämpfung von | |
Menschenhandel und die Internierung von Migranten im Fokus. Die Staaten | |
bemühen sich um grenzübergreifende Maßnahmen zur Schleuserbekämpfung. Die | |
Gipfel werden von der EU finanziert. | |
Für die EU ist IGAD die entscheidende Partnerorganisation im Horn von | |
Afrika, besonders in ihren vom EU-Afrika-Nothilfe-Treuhandfond finanzierten | |
Projekten im Bereich Wasser- und Ernährungssicherheit. Aus dem | |
EU-Entwicklungsfond EDF investiert die EU 105 Millionen Euro in in das | |
Land, um die Regierung zu unterstützen, ihren nationalen Plan „Vision 2035“ | |
voranzutreiben, der Dschibuti zu einem Mittelstandsland voranbringen soll. | |
12 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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