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# taz.de -- Die Wahrheit: Lunge mit Lametta
> Neues von der Tabakwerbung: Wo bleiben die wahrhaft ehrlichen
> Schockbilder? Man muss ja nicht immer nur ein Arschloch im Hals zeigen.
Bild: Selten wird das Rauchen so selbstbewusst gefeiert wie auf dem Schockbild …
Seit einiger Zeit gibt es nun Schockbilder auf Zigarettenschachteln. Doch
was eigentlich abschrecken sollte, entwickelt sich immer mehr zum
heimlichen Renner. Vor den Tabakläden stehen endlose Schlangen wie 1918
(Erster Weltkrieg), 1945 (Zweiter Weltkrieg) und 2006 (Sommermärchen) vor
den Lebensmittelgeschäften.
Da ist zum Beispiel der Säugling, dem eine Zigarette mitten aus dem
Schnuller ragt. Sobald eine neue Charge mit diesem Motiv zur Warnung,
„Kinder von Rauchern werden oft selbst zu Rauchern“, eingetroffen ist,
setzt ein Run auf die Händler ein. Der Redaktion sind zahlreiche Personen
bekannt, die erklärtermaßen „nur wegen des niedlichen Bilds“ überhaupt e…
mit dem Rauchen anfingen.
Andere Bilder sind deutlich unbeliebter. So tauscht der Sammler für die
herzerwärmende Szene mit dem jungen Papi, der seinem Söhnchen den Rauch
direkt ins Gesicht bläst („Wenn Sie rauchen schaden Sie Ihren Kindern,
Ihrer Familie, Ihren Freunden“), sage und schreibe zehn Lungenkarzinome.
Letzteres Motiv ist in der Tat scheußlich – da möchte man ja kaum hingucken
und stellt sich schon die Frage, wer hier bloß die Firma beraten hat? Das
ist doch keine gute Werbung. Fast könnte man denken, die wollten ihre
Zigaretten gar nicht verkaufen, sondern alle selber rauchen.
## Harfe statt Vorschlaghammer
Kaum schöner ist das berühmt-berüchtigte „Arschloch im Hals“, wie es der
Volksmund liebevoll nennt: „Rauchen verursacht Mund-, Rachen- und
Kehlkopfkrebs“, steht darunter. Das mag wohl stimmen, aber ein Englein, das
mit seiner Harfe fröhlich auf einer Wolke musiziert, hätte es ebenfalls
getan. Warum muss es immer der pädagogische Vorschlaghammer sein? Raucher
sind doch keine Verbrecher!
Auch andere Warnungen könnte man positiver gestalten. Beziehungsweise die
andere Seite der Medaille zeigen, schließlich ist nicht immer alles nur
schwarz oder weiß. Wir hätten hier durchaus einige Verbesserungsvorschläge.
Einer betrifft das Foto des Mannes, der nackt und zusammengekrümmt auf
seinem Bett liegt. Darunter heißt es: „Rauchen bedroht Ihre Potenz.“ Wir
sagen: Na und? Denn kurze Stunden der Erfüllung bezahlt man doch in der
Regel mit so viel längeren Episoden der nervlichen, seelischen und
moralischen Zerrüttung! Ein echtes Minussummenspiel.
Gerade der alternde Mann, dem eigentlich nur noch die Wahl zwischen Freud-
und Würdelosigkeit verbleibt, findet in der Impotenz endlich die völlige
Freiheit, die sich aus der Unabhängigkeit vom knechtenden Sexualtrieb
schält. Und kann es eine sanftere Methode geben, um diese Erlösung zu
erreichen, als die quasi chemische Kastration durch die sukzessive
Minderung der Durchblutungsfunktionen – gerade im Vergleich mit Axt, Messer
oder Heckenschere?
Weitaus passender wäre folglich ein Motiv, das einen jubelnden Mann zeigt,
auf dem Haupt ein buntes Hütchen, Luftschlangen um den Hals, in der einen
Hand eine übersprudelnde Champagnerflasche und in der anderen den
Glimmstengel. Gern darf ihm dabei sein schlaffes Würmchen aus der offenen
Hosentür hängen – das macht die Message klarer.
Und, um ein verwandtes Thema anzusprechen: Warum schreibt man „Rauchen
mindert Ihre Fruchtbarkeit“ anstatt „Rauchen ist ein kostenloses und
rezeptfreies Verhütungsmittel“? Wieso immer so negativ? Als müsste die
Tabakindustrie die segensreiche Wirkung des Nikotingenusses künstlich
verbergen? Da fehlt doch das Selbstbewusstsein.
## Luxuslimousine statt Stänkersarg
Wie auch bei dem Bild, das Angehörige vor dem Krankenbett, dem Sarg oder
dem Grab des Rauchers zeigen. Warum so ein trauriges Gesicht? Der Typ hat
sie doch eh bloß scheiße behandelt – man weiß ja, wie bösartig Raucher
sind, vor allem unter Entzug. Nun hat es die Familie überstanden. Schluss
mit dem Geschrei und den Schlägen, dem Rauch und dem Gestank. Da könnten
sie sich ruhig ein wenig freuen. Warum zeigt man hier kein realistischeres
Bild?
Stattdessen werden echte Gefahren verschwiegen. So fehlt zum Beispiel das
Motiv vom lachenden Mann, der mit mehreren Kippen in der Hand in eine
Luxuslimousine steigt, während im Hintergrund ein Zerlumpter auf dem
Randstein sitzend zurückbleibt, neben sich eine leere, zerknüllte
Zigarettenpackung: „Kippenschnorrer können Armut und Verelendung auslösen.�…
16 Dec 2016
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Rauchen
Schockbilder
Schwerpunkt Afghanistan
Valentinstag
Darknet
Schule
Schwerpunkt Pegida
Fahrrad
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