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# taz.de -- Reform der Pflege: Wenn der Alltag schwierig wird
> Ab 2017 gibt es neue „Pflegegrade“. Für manche Altersverwirrte lohnt es
> sich, noch in diesem Jahr einen Antrag auf Einstufung zu stellen.
Bild: Tagespflegestätte in Hamburg
Berlin taz | Christoph Girlich, Pflegedienstleiter der
Caritas-Sozialstation in Berlin-Pankow, ist voll des Lobes: „Wir können den
demenzkranken Patienten bald mehr Unterstützung, mehr Anleitung anbieten im
Alltag, beim Essen, beim Waschen. Das war früher so nicht möglich.“
Girlich, seine Sozialstation und die PatientInnen werden von den neuen
Pflegeeinstufungen profitieren, die ab Januar 2017 gelten und insbesondere
für Demenzkranke höhere Leistungen vorsehen.
Wer beispielsweise heute leicht gebrechlich ist, dementielle
Ausfallerscheinungen hat und sich in der Pflegestufe I befindet, bekommt
nur 690 Euro im Monat für die Leistungen der Sozialstation. Er oder sie
rutscht 2017 automatisch in den Pflegegrad 3. Dort gibt es fast 1.300 Euro
für die Leistungen von Pflege- und Hilfskräften der Sozialstation, ein
sattes Plus.
„Für die meisten Pflegebedürftigen gibt es mit dieser Pflegereform
finanzielle Verbesserungen“, sagte Peter Pick, Geschäftsführer des
Medizinischen Dienstes des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS) am
Donnerstag in Berlin. Statt bisher in drei Pflegestufen werden die
Patienten künftig in fünf „Pflegegrade“ eingeteilt.
Die Gutachter berücksichtigen dabei die „Alltagskompetenz“ – also die
Fähigkeit, selbstständig zu leben – viel ausführlicher und differenzierter
als bisher. Über die Einteilung entscheidet der Grad der Selbständigkeit,
wobei die Orientierung, das Gedächtnis, die Entscheidungsfähigkeit, aber
auch das soziale Verhalten und die Fähigkeit zur Alltagsorganisation eine
große Rolle spielen.
## 5 Milliarden Euro mehr veranschlagt
Um eine aufwendige Nachbegutachtung der rund 2,8 Millionen
Pflegebedürftigen zu verhindern, hat sich die Bundesregierung für einen
großzügigen Bestandsschutz entschieden: Wer jetzt schon Pflegeleistungen
bezieht, rutscht automatisch von seiner Pflegestufe in den nächsthöheren
Pflegegrad. Liegen dementielle Einschränkungen vor, rückt die Person sogar
gleich zwei Stufen weiter. Daher kommt es ab Januar 2017 für manche
Gebrechlichen zu Sprüngen von der ersten Pflegestufe in den dritten
Pflegegrad, mit entsprechend höheren Leistungen für Pflege und Betreuung
durch die Sozialstation.
Die automatische Höherstufung für „Altfälle“ kann aber paradoxerweise da…
führen, dass es sich für manche Pflegebedürftige und ihre Angehörigen
lohnt, noch in diesem Jahr schnell einen Antrag auf Pflegeleistungen zu
stellen. Denn dann werden sie erst nach dem alten System begutachtet und
rutschen dann bei der Leistungsgewährung ab Januar automatisch ein oder
zwei Grade höher in das neue System. Noch 2016 „sollten diejenigen einen
Antrag auf Pflegeleistungen stellen, die aktuell pflegebedürftig geworden
sind oder deren Pflegezustand sich aktuell deutlich verschlechtert hat“,
sagte Pick.
Patientenschützer sehen den Wandel zu den neuen Pflegegraden positiv, aber
auch differenziert. „Es ist längst überfällig, dass Demenzkranke endlich
mehr Leistungen bekommen“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung
Patientenschutz. „Aber es wird auch Verlierer bei der Reform geben. Dies
gilt insbesondere für zukünftige Heimbewohner mit niedrigem Pflegegrad.
Auch viele Menschen mit rein körperlichen Einschränkungen werden weniger
Leistungen erhalten.“ Dies gilt für Neuantragssteller ab 2017.
Für die Pflegereform sind 5 Milliarden Euro mehr an zusätzlichen Kosten pro
Jahr veranschlagt. Der Beitrag zur Pflegeversicherung stieg im Jahr 2015 um
0,3 Prozent und wird ab 2017 noch einmal um 0,2 Prozent zulegen.
18 Dec 2016
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Pflege
Pflege
Teilhabegesetz
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