# taz.de -- In vier Jahren um die Welt gesegelt: „Machos suchen den Kapitän�… | |
> Die Hamburgerin Mareike Guhr über eine maritime Herausforderung, der sich | |
> vor ihr nur wenige Frauen gestellt haben. | |
Bild: Geborgt und dafür Gäste mitgenommen: Für ihre Weltumseglung hat sich M… | |
taz: Frau Guhr, warum sind Sie um die Welt gesegelt? | |
Mareike Guhr: Ganz klar: Ich wollte den Pazifik sehen. Gleichzeitig wollte | |
ich anderen Leuten die Chance geben, ein Stück des Weges mit dabei zu sein | |
oder die Reise wenigstens in Träumen zu begleiten – auf [1][meinem Blog]. | |
Ich habe sozusagen nicht nur für mich, sondern auch für Menschen, die hier | |
bleiben mussten, fremde Welten erkundet. | |
Für Ihre Tour haben Sie gerade die höchste Auszeichnung der Hochsee-Segler | |
bekommen. Nun werden Sie in einem Atemzug mit den ganz großen Seglern | |
genannt. War das Ihr Ziel? | |
Nein, ganz und gar nicht. In diversen Meldungen hat sich jetzt das Wort | |
„stolz“ verirrt. Ich habe aber nie etwas getan, um darauf stolz zu sein und | |
funktioniere nicht nach dem Motto: Jetzt habe ich es denen aber gezeigt. | |
Das Schiff, mit dem Sie in den letzten viereinhalb Jahren 80.000 Kilometer | |
gesegelt sind, ist nicht Ihr eigenes. Wo findet man jemandem, der einem | |
über so lange Zeit sein Boot leiht? | |
Dort, wo jemand einen Skipper für sein Schiff sucht. Der Katamaran „La | |
Medianoche“, mit dem ich unterwegs war, gehört einer Firma. Ich habe mir | |
das Schiff ausgeliehen und dafür Gäste mitgenommen, die dann für die Törns | |
an die Firma bezahlt haben. Ich hatte keine Ausgaben und keine Einnahmen, | |
denn ich wollte nicht weisungsgebunden sein, sondern meine ganz eigene | |
Reise machen. | |
Hatten Sie dafür also viereinhalb Jahre lang Urlaub? | |
Nein – im Gegenteil! Es ist ein harter Job, ein so großes Schiff im | |
bestmöglichen Zustand zu halten, und dazu Gäste wie in einem Hotel zu | |
betreuen und einen festen Fahrplan einzuhalten. Das hat nicht so viel mit | |
In-der-Sonne-Liegen zu tun. Es war tatsächlich ein großes Projekt, in dem | |
es natürlich auch viele tolle Momente gab. | |
Es heißt immer wieder, Sie seien eine der wenigen Frauen, die auf eigene | |
Faust die Welt umsegelten. Ist es heute wirklich noch so bemerkenswert, | |
dass eine Frau eine solche Reise unternimmt? | |
Es scheint so. Leider. Ich kenne nur wenige eigenverantwortliche | |
Skipperinnen, die etwas Ähnliches machen. Ich glaube, es liegt daran, dass | |
Frauen weniger gerne Verantwortung übernehmen. Für einen Mann ist das die | |
Gelegenheit, sich als großer Kapitän am Steuer zu profilieren und die | |
Partnerin wie seine Assistentin zu behandeln. Frauen suchen diese | |
Herausforderung seltener. Außerdem liegt ein Großteil des Weltvermögens in | |
Männerhand. Das betrifft auch die Boote. Die meisten Frauen bekommen also | |
automatisch seltener die Chance, sich in solchen Projekten zu üben. | |
Glauben Sie, dass man Ihnen anders begegnet als Männern? | |
Im Mittelmeer etwa trifft man schon auf die Machos dieser Welt. Die kommen | |
an Bord und suchen erstmal den Kapitän, obwohl ich eindeutig am Ruder | |
stehe. Und erst, wenn kein Mann in Sicht ist, beachten die mich überhaupt. | |
In anderen Gegenden der Welt ist das zwar meist harmloser, oft aber ist die | |
Anerkennung größer. In der Dominikanischen Republik hieß ich irgendwann nur | |
„La Capitana“. Für mich ist das noch immer befremdlich, denn warum bekomme | |
ich mehr Aufmerksamkeit für den gleichen Job als ein Mann? | |
Wird das Segeln mit zahlenden Gästen nicht auch irgendwann ermüdend? | |
Nein. Jeder Törnabschnitt ist neu und die Anforderungen sind sehr | |
verschieden. Es gab ganz viele bereichernde Begegnungen, aber klar, auch | |
mal sehr anstrengende Gäste. Viele sehen sich auch gar nicht als Teil einer | |
Weltumsegelung, sondern wollen einfach Urlaub machen. Manche Leute haben | |
mittlerweile mehr Geld und sind verwöhnt. | |
Das Weltumsegeln ist sehr klischeebehaftet. Ist das auch Ihr Eindruck? | |
Viele Journalisten haben nach der Reise immer dasselbe gefragt: Sie wollten | |
nur Geschichten von Delfinen, Kokosnüssen und Stürmen hören. Die fragen | |
dann: „Ist auch mal was kaputtgegangen?“ Da musste ich dann doch lachen. | |
Ich habe mich schon gefragt: Wollt ihr nicht mal darüber hinaus? Mein | |
„Beauty Case“ war ein großer Werkzeugkoffer aus blankem Aluminium, der auch | |
immer in Reichweite stand. Den sollten sie jetzt mal sehen. Der ist | |
mittlerweile total verkratzt und verbeult. Es gab immer was zu schrauben – | |
soviel zur Frage, ob ich vier Jahre lang im Urlaub war. Nur auf dem | |
Atlantikabschnitt – zwischen Südafrika und Brasilien – dachte ich öfter: | |
„Oh, schon wieder ein Buch gelesen“. Es waren ja zahlende Gäste an Bord, da | |
konnte ich nicht den ganzen Tag mit meiner Werkzeugkiste umherrasen und am | |
Boot herumbasteln. | |
Halten Sie es nach einer solchen langen Reise überhaupt noch an Land aus? | |
Ich versuche gerade, wieder hier in Deutschland anzukommen. Vieles kommt | |
mir in der Tat sehr befremdlich vor. Die Leute hier kommunizieren so wenig. | |
Ich fahre jetzt ja viel Bus und Bahn und alle haben nur immer ihr | |
Smartphone vor der Nase und kapseln sich ab. Ich sehe eine komplett | |
isolierte Gesellschaft. Hier in der Stadt zu leben ist weitaus gefährlicher | |
als da draußen auf dem Meer. Hier wegen Krankheit, Unfall oder Kriminalität | |
zu sterben, ist wahrscheinlicher als vom Hai gefressen zu werden oder im | |
Sturm unterzugehen. | |
Hatten Sie es während Ihres Törns mal mit der Angst zu tun? | |
Ich bin ein vorsichtiger Mensch, keine Draufgängerin. Aber Angst hilft mir | |
nicht, die hilft niemandem. Also muss ich manchmal unbekannten | |
Herausforderungen ins Auge schauen und sie annehmen, mich nicht von Angst | |
lähmen lassen, die allen schadet. | |
Sie haben Literaturwissenschaften studiert und arbeiten als | |
Segeljournalistin. Gibt es Bücher, die Sie inspiriert haben? | |
Mein Vater ist ebenfalls Segler und ich habe damals auch alle seine | |
Segelbücher gelesen. Beeindruckt haben mich früher natürlich die Bücher der | |
Weltumseglerinnen Naomi James oder Beate Kammler, später dann die Erzählung | |
von Tania Aebi und Wilfried Erdmann als mein großes Vorbild. | |
War Ihre Weltreise ein Kindheitstraum? | |
Da muss ich Sie leider enttäuschen. Früher war mein Traum, irgendwann mal | |
bei der Zeit im Feuilleton zu arbeiten, aber ich habe schnell begriffen, | |
dass ich dafür nicht gut genug bin. Die Weltumsegelung war kein uralter | |
Plan, aber ich bin schon in meiner Jugend gerne und viel gesegelt. Die | |
konkrete Idee war eher, auf dem Pazifik zu segeln. Den wollte ich mir | |
genauer ansehen, seitdem ich 1999 einmal kurz in Tahiti war. Aber wenn ein | |
Boot in Europa liegt und auch dahin zurück soll, muss man halt zwangsläufig | |
um die Welt. | |
Wenn es kein lange gehegter Traum war, was hat Sie dann dazu bewegt? | |
Entscheidend war wohl der Gedanke, dass ich nie mehr aufbrechen würde – | |
wenn nicht jetzt. Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt im Leben. | |
Und was machen Sie jetzt, wo Sie zurück sind? | |
Ich halte Vorträge, bin auf Messen unterwegs, biete Beratung an für alle, | |
die auch los wollen. Und ich schreibe ein Buch. Ich bin echt froh, wenn | |
dieser Winter wieder vorbei ist. Vielleicht gehe ich auch noch mal als | |
bezahlte Skipperin an Bord, irgendwo, wo es warm ist. | |
28 Nov 2016 | |
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## AUTOREN | |
Matthias Beilken | |
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