Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Rudelfeeling gegen Trumpismus
> US-Wahl hin oder her: Wer einen Hund hat, der findet in diesen Tagen
> Trost. Auch der Blick ins Römische Reich oder ein Schweinchenkalender
> hilft.
Bild: Schau mir in die Augen …
Oft schaue ich dem Hund in die Augen und frage mich, warum wir uns nicht
essen. Der Hund ist wuschig, schwarz und süß. Hätte das mit der
Zivilisation nicht so hingehauen, dann wäre er vielleicht ein großes,
wolfsähnliches Vieh geworden.
Dann würde er mir im Wald mit seinen Artgenossen auflauern, mich einkreisen
und futtern, statt Seit an Seit mit mir durchs Unterholz zu rennen.
Andersherum würde ich vielleicht gerade in einen saftigen Hundebraten
beißen, wäre das Hunde essen in unserem Kulturkreis nicht so verpönt.
Als Donald Trump die Wahl gewonnen hatte, bekam der Hund vor Aufregung
Durchfall. Er scheint über das Weltgeschehen generell gut informiert zu
sein. Ich vermute deshalb, dass der Hund, wenn er allein ist, die taz
liest. Internet kann er nicht, mit Pfoten lässt sich das Tablet nicht
wischen. Falls du, Hund, gerade diese Zeilen liest: Ich werde dich nicht
essen, niemals. Wir sind ein Rudel.
Der Mensch ist ein absurdes Wesen. An der Friedrichstraße, unten, wo S1, S2
und S25 abfahren, da kaufte ich kürzlich am Bahnsteig ein Schinkenbrötchen.
Ich schlurfte kauend weiter, um wie jeden Abend, zur Beruhigung nach einem
harten Tag voller Weltgeschehen, im angrenzenden Kiosk das Angebot an
Kalendern für das nächste Jahr zu studieren. Als großer Fan des
Heye-Verlags, der seine Werke am Bahnsteig zur Schau stellt, finde ich
schön: „Pferde 2017“, „Esel 2017“, „Mein Bambi 2017“, „Süße Ka…
2017“, „Erdmännchen 2017“, „Hundekinder 2017“ (ich schwöre, das Tie…
dem Cover ist eigentlich ein Eisbär) und, mein absoluter Favorit:
„Schweinchen 2017“.
Und das mit einem Schweineschinkenbrötchen in der Hand.
## Frohe Botschaft in dunklen Tagen
In zwei Interviews mit dem amerikanischen Ökonomen Jeremy Rifkin hab ich
gelernt, mich und meine vermaledeite Spezies nicht aufzugeben. Der Mann ist
ein großer Optimist mit teleologischem Geschichtsbild und diagnostiziert
mittels Warpsprüngen durch die Jahrhunderte, dass der Mensch immer
empathischer seiner Umwelt und seinen Mitmenschen gegenüber wird.
Das ist eine frohe Botschaft in diesen dunklen Tagen, da der Hund Durchfall
von den Nachrichten bekommt. Zu Zeiten des Römischen Reichs hatte der
gemeine Bürger vermutlich kein schlechtes Gewissen, wenn er mit einem
Schinkenbrötchen vor einem Schweinchenkalender stand. Die guckten nicht
Fußball, sondern Gladiatoren. Wir haben uns entwickelt.
Lasst uns nun gemeinsam eine rosarote Brille aufsetzen und zur Abwechslung
mal eine positive Zukunft imaginieren: Die derzeitige Episode erstarkter
Rechtspopulisten und autokratischer Herrscher ist das letzte Aufbäumen der
dunklen Seite der Macht. Der Mensch, beseelt von planetarem Bewusstsein,
schaut sich tief in die Augen und verkündet: Wir essen uns nicht. Wir sind
ein Rudel.
Es passieren völlig unglaubliche Dinge. Der Welthandel wird fair. Kinder in
Entwicklungsländern gehen zur Schule statt in die Fabrik. Banken
finanzieren keine Waffen mehr. Konzerne zahlen Steuern. Erneuerbare
Energien bringen Licht ins letzte Bergdorf. Im Namen Gottes zu töten kommt
überraschend aus der Mode. Die arme, abgehängte weiße Mittelschicht denkt,
völlig überraschend, vorm Wählen. Und die Industrie baut wieder diese
orangefarbenen, extrem robusten DDR-Toaster, die noch die Kindeskinder
benutzen können.
Zu meinem hundertsten Geburtstag fragen mich dann meine Enkel, wie das
damals war: als noch Gladiatoren kämpften und man Tiere gegessen hat. „Der
Hund hatte Durchfall“, sag ich. Im Hintergrund hängt der Kalender
„Berggorillababys 2078“. In freier Wildbahn, versteht sich.
19 Nov 2016
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Wir retten die Welt
Hunde
Donald Trump
Lügenleser
Mike Pence
Schwerpunkt Klimawandel
Kaiser's Tengelmann
Schwerpunkt Klimawandel
Wir retten die Welt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Lügenleser: Deutschland, du Kaninchen!
Genervt von Angela Merkels erneuter Kandidatur? Keine Sorge, es bleibt
spannend. Bald übernehmen die Maschinen das Diskutieren.
Streit mit US-Schauspieler: Trump lässt das Twittern nicht
Ein Schauspieler spricht Trumps vorgesehenen Vize-Präsidenten kritisch an.
Das schmeckt ihm gar nicht. Der Milliardär greift zu seiner Lieblingswaffe.
Kolumne Wir retten die Welt: Trump will den Planeten toasten
Der kommende US-Präsident hat es nicht so mit der Klimapolitik. Das könnte
einen im November ganz schön runterziehen. Wird es aber nicht.
Kolumne Wir retten die Welt: Kaiser’s, ich übernehme
Die Supermärkte werden verkauft. Kann man da einfach so mitbieten? Über den
Spaßfaktor (hoch), Bibelsprüche (alt) und Geschäftsmodelle (ungerecht).
Kolumne Wir retten die Welt: Rasierschaum als Vernichtungswaffe
Alle fürchten jetzt brennende Handys. Aber was ist mit den echten
Gefahrgütern im Alltag? Über Rasierschaum, Jeans und Kettensägen.
Kolumne Wir retten die Welt: Weg ist das Ziel
Spurlos verschwinden Dinge. Wer Kinder hat, fragt nicht mehr, wo Socken
sind. Genau besehen ist es mit Superreichen und Millionen ähnlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.