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# taz.de -- Mediendienst DWDL: „Wir weisen auch auf Missstände hin“
> Das TV-Portal DWDL wird 15 Jahre alt. Trotz der Medienkrise ist es recht
> erfolgreich. Warum? Das erklärt der DWDL-Chef Thomas Lückerath.
Bild: „Die Qualitätsdebatte ist, wenn es um das TV geht, ein Dauerthema“: …
taz: Herr Lückerath, Journalismus und Medienberichterstattung haben
existenziell zu kämpfen. Sie aber scheinen davon nicht viel zu spüren?
Thomas Lückerath: Der Journalismus hat eine wunderbare Zukunft – wenn er
sich spezialisiert. Mehr von ein und demselben zu verbreiten, macht aber
keinen Sinn. Früher gab es vier bis fünf wichtige überregionale
Tageszeitungen. Mit dem Netz explodierte die Zahl allgemeiner
Nachrichtenportale, auch durch Wochentitel wie Stern oder Spiegel. Der
Bedarf aber war und ist nicht da …
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Wir haben einen speziellen Fokus, aber sind kostenlos und damit breit
zugänglich. Das ist ein anderer Ansatz als ein Spezialmagazin, das mit
hohem Abopreis für eine kleine Zielgruppe aus der Branche berichtet. Wenn
wir unbequem sind, wird das von unseren Lesern und Fernsehzuschauern
mitgetragen.
Manager aus den Sendern oder Produzenten wenden sich gerne an Sie, um eine
Botschaft loszuwerden. Wird man da nicht zum Verlautbarungsorgan der
Medienindustrie?
Wenn man auch den Kicker als Verlautbarungsmedium des deutschen Fußballs
sieht, dann wären wir das für das TV. Natürlich sprechen wir mit der
Branche und geben wieder, wenn es etwas zu sagen gibt. Aber es geht auch um
eigene Urteile. Manchmal vielleicht zu sehr.
Kann es ein „zu sehr“ geben?
Na ja, Produzenten bitten uns ab und zu, mit Bewertungen von Sendungen
vorsichtig zu sein, weil sie das Verhalten der Sender beeinflussen würden.
Aber da wünschen wir uns, dass die Programmverantwortlichen sich nicht so
sehr von Schlagzeilen leiten lassen.
Und das hat mit den Einschaltquoten zu tun, die auch bei Ihnen das Maß der
Dinge sind …
Nicht mehr. Wir haben uns aus der Quotenbetrachtung schon etwas
herausgezogen und die Top-20-Listen Ende 2015 eingestellt. Man darf
bezweifeln, dass die derzeitigen Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK
die Fernsehnutzung realistisch abbilden. Wenn „Deutschland 83“ startet,
hauen wir RTL am nächsten Tag die Quoten um die Ohren. Streaming-Dienste
wie Netflix und Amazon aber geben keine Zahlen heraus und haben das Problem
deshalb nicht. Da entsteht ein Ungleichgewicht.
Gibt es für Sie auch über die Brancheninformation hinaus einen Grund, über
Medien zu berichten?
Natürlich. Das, was in den Medien verbreitet wird, hat eine
gesellschaftliche Bedeutung. Insofern betrachten wir uns als eine Art
Kontrollinstanz. Wir weisen auch auf Missstände hin.
Zum Beispiel?
Wir haben auf die Praktiken des dubiosen Call-in-Senders 9Live aufmerksam
gemacht oder im Sommer 2015 die Debatte um Hass auf Facebook und die
Verantwortung des sozialen Netzwerks mit angestoßen. Die Qualitätsdebatte
ist, wenn es um das TV geht, ein Dauerthema.
Das wird sicher nicht jedem gefallen.
Einmal pro Jahr meldet sich ein Anwalt, etwa wenn sich eine Schauspielerin
über die Darstellung beschwert, sie sei aus einer Serie rausgeschmissen
worden. Damit können wir leben. Glücklicherweise kann man kaum
wirtschaftlichen Druck auf uns ausüben. Zu über der Hälfte finanzieren wir
uns über unsere Jobbörse, die von rund 160 Firmen genutzt wird. Den Rest
unseres Umsatzes machen wir mit Bannerwerbung. Das bedeutet auch
Unabhängigkeit.
Die wird im Journalismus heute ja mehr denn je angezweifelt …
Das Berufsbild des Journalisten befindet sich im Wandel. Es gibt leider
viele schwarze Schafe, die berufsethische Standards nicht einhalten. Ich
sehe zum Beispiel Verlage wie die Funke Mediengruppe, die sich von der
Politik bessere Rahmenbedingungen für Qualitätsjournalismus wünschen,
selber aber Schundblätter en masse herausbringen, in denen die Wahrheit
verfälscht wird.
Die Zukunft für den Berufsstand ist jedenfalls nicht rosig. Wie sehen Sie
die des Fernsehens?
Es gibt mehr Plattformen und Inhalte denn je. Für Konsumenten und
Produzenten sind das goldene Zeiten. Kniffliger wird es bei der Frage, wer
sie künftig transportiert. Ich bin jedenfalls froh, dass die Prophezeiungen
über den Tod des Fernsehens etwa dank einer neuer Serienkultur ein Ende
haben. TV wird es noch lange geben.
17 Nov 2016
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Fernsehen
TV
Die Couchreporter
Online-Journalismus
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Million Visits. Lückeraths Nähe zur Branche ist sein Kapital – birgt aber
Risiken.
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