# taz.de -- Studie zu Raucherkrebs: Molekulare Fingerabdrücke entdeckt | |
> Forscher haben spezielle Veränderungen des Erbguts in Krebstumoren | |
> gefunden. Drei Mutationsmuster kamen besonders häufig vor. | |
Bild: Vorsicht, Symbolbild: Röntgenaufnahme einer mit Krebs befallenen Lunge | |
Los Alamos/Hinxton dpa | Das Rauchen einer Schachtel Zigaretten täglich | |
verursacht pro Jahr im Schnitt rund 150 Mutationen in jeder Lungenzelle. | |
Das geht aus einer am Donnerstag im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten | |
Untersuchung hervor. Demnach haben Forscher des National Laboratory in Los | |
Alamos (New Mexico, USA) und des Wellcome Trust Sanger Institute (Hinxton, | |
England) spezielle Veränderungen des Erbguts in Krebstumoren von Rauchern | |
entdeckt. Fünf Mutationsmuster kommen besonders häufig vor. | |
Die Zahl der Mutationen in der DNA hängt der Studie zufolge von der Zahl | |
der gerauchten Zigaretten und dem Organ ab. Mit rund 150 Mutationen pro | |
Zelle ist die Lunge am stärksten betroffen. „Bislang hatten wir eine | |
Vielzahl epidemologischer Hinweise auf die Verbindung zwischen Rauchen und | |
Krebs. Jetzt können wir die von Zigaretten verursachten molekularen | |
Veränderungen in der DNA endlich überprüfen und quantifizieren“, sagte | |
Erstautor Ludmil Alexandrow vom National Laboratory. | |
Neben der Lunge gibt es auch in anderen Organen Veränderungen. Im Kehlkopf | |
etwa treten bei einer Schachtel Zigaretten täglich im Jahr im Schnitt | |
zusätzlich 97 Mutationen pro Zelle auf, in der Rachenhöhle 39, im Mund 23. | |
Auch Organe wie die Harnblase (18 Mutationen) und die Leber (6 Mutationen), | |
die nicht direkt mit dem Tabakrauch in Berührung kommen, sind betroffen. | |
Die Heidelberger Krebsexpertin Martina Pötschke-Langer hält die Studie vor | |
allem in ihrem Umfang für bedeutsam. „Diese Studie wird sicherlich für | |
große Aufmerksamkeit sorgen“, sagte die ehemalige Leiterin der Stabsstelle | |
Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) der Deutschen | |
Presse-Agentur. | |
Pötschke-Langer betonte die feine Unterscheidung der Forscher zwischen | |
Organen, die unmittelbar und mittelbar von dem Tabakrauch berührt werden. | |
„Selbst in der Harnblase und der Leber, also fernen Organen, gibt es | |
Mutationen durch Tabakrauch.“ Die Studie bestärke vorhandenes Wissen. „Aber | |
die Anwendung des Wissens muss in der Politik und im Parlament folgen.“ Sie | |
fordert Präventivmaßnahmen wie eine Erhöhung der Tabaksteuer, ein | |
Werbeverbot für Tabakprodukte und mehr Nichtraucherschutz. | |
Die Forscher untersuchten mehr als 5000 Krebstumore und verglichen solche | |
von Rauchern mit solchen von Menschen, die noch nie geraucht hatten. Dabei | |
fanden sie im Erbgut von Rauchertumoren bestimmte molekulare | |
Fingerabdrücke. Konkret identifizierten sie bei den 17 Krebsarten, deren | |
Risiko durch Rauchen steigt, mehr als 20 Mutationsmuster. 5 davon brachten | |
die Forscher mit Krebs von Rauchern in Zusammenhang. | |
Eine Variante, „Signatur 4“, tauchte hauptsächlich in jenen Organen auf, | |
die direkt mit dem Tabakrauch in Verbindung kommen – etwa der Lunge oder | |
dem Kehlkopf. Andere führten die Forscher auf die Aktivität eines | |
bestimmten Enzyms zurück, von dem man weiß, dass es Mutationen auslöst. | |
„Signatur 5“, deren Ursprung unklar ist, wurde bei allen durch Rauchen | |
verursachten Krebstypen entdeckt. | |
Tabakrauch enthält der Studie zufolge mehr als 7000 Chemikalien, von denen | |
über 70 krebserregend sind. Mindestens sechs Millionen Menschen sterben | |
demnach jedes Jahr an den Folgen des Rauchens. Falls der aktuelle Trend | |
sich fortsetze, würden der Weltgesundheitsorganisation zufolge bis Ende des | |
Jahrhunderts mehr als eine Milliarde Menschen an den Folgen des | |
Tabakkonsums sterben. | |
In Deutschland rauchen dem Bundesgesundheitsministerium zufolge 28 Prozent | |
der Erwachsenen ab 18 Jahren. An den Folgen des Tabakkonsums sterben | |
demnach rund 120.000 Menschen im Jahr. Die Quote der Raucher sei seit den | |
80er Jahren leicht rückläufig. Bei Jugendlichen ist die Rückgang | |
deutlicher. Der Anteil der Raucher unter den 12- bis 17-Jährigen ist den | |
Angaben zufolge seit 2001 von 27,5 Prozent auf 7,8 Prozent zurückgegangen. | |
Vollständig ist die Ursache des Krebsrisikos bei Rauchern noch immer nicht | |
entschlüsselt. Vor allem bei jenen Organen, die nicht mit dem Rauch in | |
Berührung kommen, bestehen Unklarheiten. „Unsere Forschung macht deutlich, | |
dass der Weg, wie Rauchen Krebs verursacht, noch komplexer ist als | |
gedacht“, sagte Mike Stratton vom Wellcome Trust Sanger Institute. | |
Bekannt ist, dass das Risiko für die meisten Krebsarten schon nach einigen | |
Jahren Rauchverzichts deutlich sinkt. Nach einer Dekade hat der Ex-Raucher | |
laut DKFZ nur noch ein halb so hohes Risiko für Lungenkrebs, wie wenn er | |
weitergeraucht hätte. Bis das Niveau eines Nichtrauchers erreicht ist, | |
dauere es aber 20 bis 30 Jahre. | |
4 Nov 2016 | |
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