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# taz.de -- Europameisterschaft in Korfball: Gemischte Schlachteplatte
> Weitgehend unbemerkt von den europäischen Nachbarn hat sich Korfball in
> den Niederlanden zu einer populären Hallensportart entwickelt.
Bild: Ein gemischtes Korfballteam besteht aus je vier Spielern und Spielerinnen
Dordrecht taz | Ist dies der Tag des Machtwechsels? Sayer Jobe grinst und
bringt ein vollmundiges Ja hervor. Seine Begleiter, Rebekka Van
Kaekenberghe und ihr Freund Robbie Van Herck, schauen amüsiert, aber vor
allem zweifelnd in Richtung des riesigen ovalen „Sportboulevard“. In ein
paar Stunden wird dort, im niederländischen Dordrecht, das Finale der
Korfball-EM stattfinden. Und wie immer stehen sich dabei die Auswahl der
Niederlande und die Belgiens gegenüber.
Das Dreiergrüppchen ist gehüllt in Fanartikel des belgischen Fußballteams.
Sie sind an diesem Sonntagmorgen über die nahe Grenze ins Land des
Korfball-Giganten gekommen, wo der Sport 1902 erfunden wurde. Alle sind
selbst aktiv, Sayer Jobe gar in der ersten Liga beim Antwerpse Korfbal
Club. Die Dominanz der niederländischen Gastgeber ist schnell erklärt: „In
den Niederlanden gibt es fast 100.000 Spieler, bei uns keine 7.000. Dort
ist Korfball professionell, bei uns arbeiten alle.“
Am Ort des ungleichen Nachbarschafts-Showdowns ist es kühl. Was daran
liegt, dass er in der Halle stattfindet, die normalerweise den Dordrecht
Lions als Kulisse ihrer Eishockey-Heimspiele dient. Auf dem Feld mit den
beiden freistehenden Körben in dreieinhalb Metern Höhe machen sich die
Teams aus Katalonien und Portugal für das Spiel um Platz drei warm.
Zwischen diesen beiden Teams und den Belgiern liegen ebenfalls Welten:
1.000 Korfballer gibt es in Katalonien, die 500, die es in Portugal gibt,
konzentrieren sich um die Hauptstadt Lissabon.
Die Kulisse ist demnach ungewohnt für die meisten Spieler bei dieser EM.
Nur in den Niederlanden füllt Korfball solche Hallen. Die eine
Tribünenhälfte ist bereits vor dem kleinen Finale durchgehend in Orange
getaucht, gegenüber trudeln immer mehr Belgier ein. Die Grüppchen aus
Portugal und Katalonien zählen kaum mehr als ein Dutzend Fans, die aber
umso lauter sind.
Sie sehen ein attraktives Spiel. Es ist schnell, auch weil es verboten ist,
zu dribbeln oder mit dem Ball zu laufen. Das ist eines der Kennzeichen von
Korfball. Die weiteren: 25 Sekunden für einen Angriff, ein Punkt pro Korb.
Und: Die Teams sind gemischt. Jedes besteht aus je vier Frauen und Männern,
und je zwei von ihnen sind für eine der beiden Spielfeld-Hälften zuständig.
Nach jedem Korb wechseln die Akteure also zwischen Angriff und
Verteidigung. Im kleinen Finale liegt Katalonien am Ende mit 16:12 vorn.
Bronze.
## Stampfende Fans
Das Finale kommt dann recht laut daher. Zunächst macht es sich mit
tiefergelegten Beats bemerkbar. Je näher der Anpfiff rückt, desto
martialischer werden sie. Man kennt dieses Stampfen aus der Fußballkultur
beider Länder oder von Straßenfesten am niederländischen Koningsdag. In
Dordrecht erinnert es an die Ankündigung des Trainers der Gastgeber, Wim
Scholtmeijer, man wolle die Belgier „schlachten“.
Akustisches Messerwetzen muss wohl so klingen. Es wird tatsächlich eine
Schlachteplatte, die die orange gewandeten Niederländer wenig später für
ihre Gegner anrichten, während das öffentlich-rechtliche Fernsehen live
überträgt. Den Belgiern unterlaufen im Spielaufbau zu viele Ballverluste,
sodass die Niederländer keine Probleme damit haben, eine druckvolle
Highspeed-Lawine von der Leine zu lassen und einige höchst sehenswerte
Spielzüge zu zeigen. Das erste zehnminütige Viertel ist noch nicht vorbei,
da steht es 10:1.
Gegen Ende des zweiten Viertels läuft ein Radioreporter auf der
Pressetribüne auf und ab und berichtet live, dass „unsere belgischen Frauen
und Männer“ chancenlos seien und die Niederlande eben immer noch „eine
Nummer zu groß“. Am Ende steht es 27:14 für die Gastgeber.
Die Halle tobt nun tatsächlich, und Marjolijn Kroon, eine der
niederländischen Stars, sorgt kurz nach dem Ende für Erheiterung bei ihren
Teamkollegen: Samt Pokal nimmt sie Anlauf in Richtung Fans, rutscht aber
auf dem Goldlametta, das auf dem Boden liegt, aus und findet sich samt
Trophäe auf selbigem liegend wieder.
## Glückliche Katalanen
Doch was passiert dort auf dem Feld, während sich die orangen Akteure mit
einer Riesensektflasche in Richtung Presseraum bewegen? Als Letztes tanzen
hier nicht die Europameister, sondern die überglücklichen Katalanen mit
ihren Bronzemedaillen.
Es dauert, bis sich Berta Alomà Sesé aus dem Knäuel löst. „Dies ist das
erste Mal, dass ich etwas gewinne“, strahlt die 23-Jährige, die selbst zwei
Jahre lang für OVVO De Kroon in der ersten niederländischen Liga gespielt
hat. Zum Korfball kam sie mit zwölf Jahren im Schulsport. Und der Korfball
nach Katalonien? Auch dabei waren niederländische Entwicklungshelfer
beteiligt. „Sie wollten in Spanien etwas aufbauen, und in Katalonien gab es
Interesse. In den letzten zehn Jahren, sagt sie, habe sich taktisches und
spielerisches Vermögen stark verbessert. Leben aber könne man in Katalonien
vom Korfball noch immer nicht.
Während die Europameister im Foyer Autogramme schreiben, steht Joyer Sabe,
der Korfballer aus Antwerpen, noch auf der Tribüne. Wieder einmal wurde es
also nichts mit dem erhofften Machtwechsel. „Sie erneuern den Korfball, und
wir laufen hinterher“, analysiert er, einen Becher Bier in der Hand. „Aber
wir versuchen es weiter, und beim nächsten Mal stehe ich auf dem Feld!“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war
irrtümlicherweise von „Korbball“ die Rede.
2 Nov 2016
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Fußball-EM 2024
Fußball
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