# taz.de -- Nobelpreis für Chemie: Unsichtbare Autos und Fahrstühle | |
> Winzige Nanomaschinen sind fürs Auge nicht sichtbar. Mini-Autos und | |
> künstliche Muskeln demonstrieren die Möglichkeiten der Technik. | |
Bild: Das Nano-Auto auf der Kupferplatte ist nur 0,000.000.001 Meter lang | |
BERLIN taz/dpa/ap | Der Nobelpreis für Chemie geht dieses Jahr an drei | |
Molekülforscher, die Maschinen im Nanoformat entwickelt haben: Den Preis | |
teilen sich der [1][Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James | |
Fraser Stoddart und Bernard Feringa] von der Universität Groningen in den | |
Niederlanden. Die drei Forscher haben aus nur wenigen Molekülen unter | |
anderem eine Art Fahrstuhl, künstliche Muskeln und ein Miniauto | |
hergestellt. | |
Noch gehören diese Forschungsarbeiten zur Grundlagenforschung, doch künftig | |
könnten die molekularen Maschinen für neue Materialien, Sensoren oder | |
Energiespeicher verwendet werden, teilte die Königlich Schwedische Akademie | |
der Wissenschaften in Stockholm mit. Die Preisträger seien in eine ganz | |
neue Dimension der Chemie vorgedrungen, hieß es von den Juroren. | |
„Sie haben Moleküle entwickelt, deren Bewegungen man kontrollieren kann und | |
die eine Aufgabe erfüllen, wenn sie die dafür nötige Energie bekommen.“ | |
Durch diese Arbeiten seien andere Forscher inspiriert worden, darauf | |
aufbauend weiterentwickelte Molekular-Maschinen zu bauen, darunter 2013 ein | |
Roboter, der Aminosäuren ergreifen und verbinden kann. Für das menschliche | |
Auge sind die künstlichen Maschinen unsichtbar. Sie sind über tausendmal | |
kleiner als der Durchmesser eines Haares. | |
Den ersten Schritt machte der Franzose Jean-Pierre Sauvage, 71, an der | |
Universität Straßburg im Jahr 1983: Er baute damals aus Molekülen zwei | |
Ringe, die wie Kettenglieder zusammenhängen und sich wie diese locker | |
bewegen können. | |
Auf diese Forschungsarbeiten aufbauend, entwickelte in den 1990er Jahren | |
James Fraser Stoddart, 74, an der Northwestern University in Evanston, USA, | |
molekulare Achsen und zugehörige Ringe, die darauf auf- und absteigen | |
können – sogenannte Rotaxane. | |
## Ein Mini-Computer | |
Auf dieser Grundlage schufen er und sein Team winzige Aufzüge und | |
künstliche Muskeln. Die Rotaxane nutzte Stoddart zudem, um Computerchips zu | |
bauen, die zwar nur 20 Kilobyte speichern können, dafür aber viel kleiner | |
sind als herkömmliche Chips. Einige Forscher glauben, dass diese Chips die | |
Computerwelt einmal so revolutionieren könnten wie es einst die | |
Transistoren taten. | |
Der Niederländer Bernard Feringa, 65, von der Universität Groningen baute | |
schließlich als Erster einen molekularen Motor, der sich kontinuierlich in | |
eine Richtung drehte. 2011 folgte sein „Nano-Auto“. Dazu montierten er und | |
sein Team die Motoren als Antriebsräder an einen zentralen Träger. Das | |
Fahrzeug sei nur rund einen Milliardstel Meter (Nanometer) lang, schrieben | |
die Forscher im Wissenschaftsmagazin Nature. Es werde über die Spitze eines | |
Rastertunnelmikroskops mit Strom versorgt und mit kurzen Spannungsimpulsen | |
in Bewegung versetzt. Mit zehn Impulsen sei das Auto etwa sechs Nanometer | |
weit über eine Kupferoberfläche gefahren. | |
„Die drei Nobelpreisträger haben dieses ganze Feld von molekularen | |
Maschinen eröffnet“, sagte Nobel-Juror Olof Ramström. Damit habe eine | |
„Revolution“ begonnen. „Die Entwicklungsstufe hier ist ähnlich der zu | |
Beginn des 19. Jahrhunderts, als viele Forscher zeigten, dass elektrische | |
Maschinen möglich sein könnten. Die Zukunft wird zeigen, wie wir das hier | |
anwenden können.“ | |
Sauvage war völlig überrascht, als er von der Verleihung des Nobelpreises | |
erfuhr. Dem französischen Sender iTele sagte er: „Es ist der | |
prestigeträchtigste Preis, der Preis, von dem die meisten Wissenschaftler | |
noch nicht einmal in ihren wildesten Träumen zu träumen wagen.“ | |
6 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2016/ | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
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