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# taz.de -- Kurdischer TV-Kanal in Schweden: Handlanger des Despoten
> Auf Druck aus der Türkei: Satellitenbetreiber Eutelsat stoppt die
> Ausstrahlung des in Stockholm ansässigen kurdischen TV-Kanals Newroz.
Bild: Um gute Beziehungen bemüht: Schwedens Außenministerin Margot Wallström…
Stockholm taz | „Sie haben uns erst zwei Tage vorher informiert“, berichtet
Newroz-Direktor Faruk Nozhatzadeh. Ohne konkrete Begründung habe der
französische Provider Eutelsat mitgeteilt, man habe beschlossen, den Kanal
nicht mehr auszustrahlen.
Newroz sendet seit Dezember 2007 Unterhaltungs-, Nachrichten-, Kinder- und
Musikprogramme in kurdischer und persischer Sprache, hat ein Studio in
Stockholms Vorort Nacka und wird von der in Schweden registrierten Stiftung
„Kurdische Medien“ betrieben. Die Ausstrahlung erfolgt weltweit mit
Schwerpunkt auf Europa und Asien. Vom jetzigen Ausstrahlungsstopp ist vor
allem das europäische Publikum des Kanals betroffen.
Sowohl der Europäische Journalistenverband EFJ als auch die Reporter ohne
Grenzen haben reagiert. Nachdem die türkischen Behörden in den vergangenen
Wochen rund 20 Rundfunk- und Fernsehsender geschlossen hatten, gehe man nun
offenbar dazu über, auch die Ausstrahlung von Kanälen außerhalb der Türkei
zu erschweren oder zu verhindern, kritisiert Jonathan Lundqvist, Präsident
der schwedischen Sektion von Reporter ohne Grenzen: „Wir haben da ein
Regime, das in seiner Jagd auf Journalisten anscheinend keine Grenzen kennt
und den freien Meinungsaustausch zu ersticken versucht.“
Und er kritisiert Eutelsat, „das diesem Regime gehorcht und einen TV-Kanal
abschaltet, der sich nicht einmal an ein Publikum in der Türkei richtet“.
Eine, so Lundqvist, „unerhört problematische Vorgehensweise“.
## Falscher Adressat
Eutelsat rechtfertigt den Ausstrahlungsstopp für Newroz mit einer ähnlichen
Begründung, mit der das Unternehmen in der vergangenen Woche bereits den in
Belgien beheimateten kurdischen Sender Med Nuce TV abgeschaltet hatte. Die
Aussetzung der Ausstrahlung sei aufgrund einer Mitteilung der türkischen
Medienaufsicht RTÜK erfolgt, der Sender habe sich nicht an die
vertraglichen Vereinbarungen mit Eutelsat und nicht an den Rahmen des
Europäischen Übereinkommens über grenzüberschreitendes Fernsehen gehalten.
In diesem Übereinkommen heißt es: „Der Rundfunkveranstalter sorgt dafür,
dass Nachrichtensendungen die Tatsachen und Ereignisse sachgerecht
darstellen und die freie Meinungsbildung fördern.“ Außerdem dürfen
Sendungen „nicht unsittlich“ sein, „Gewalt nicht unangemessen herausstell…
und nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln“.
Eine nähere Begründung, gegen welche Bestimmungen dieses Übereinkommens der
Sender verstoßen haben soll, wird nicht gegeben. „Wir haben uns an alle
Gesetze und Regeln gehalten, die für TV-Sendungen in Europa gelten“, betont
Nozhatzadeh. Newroz habe bereits Kontakt mit französischen Anwälten
aufgenommen und werde sich gerichtlich gegen den Ausstrahlungsstopp wehren.
Medienjuristen weisen darauf hin, dass der Eutelsat-Verweis auf das
europäische Fernsehübereinkommen schwer nachvollziehbar sei, weil diese
Europarats-Regelung von 1989, der die Türkei 1994 beigetreten war,
gegenseitige Rechtsansprüche nur für die Mitgliedstaaten des Europarats
begründe. Ein Satellitenbetreiber wäre nicht der richtige Adressat für die
Türkei, wolle sie mögliche Verletzungen des Übereinkommens durch einen
Sender behaupten. Offenbar habe Eutelsat seinen Beschluss auf türkischen
Druck hin freiwillig getroffen.
„Beschämend und inakzeptabel“ findet der schwedisch-kurdische Journalist
Kurdo Baksi das Verhalten von Eutelsat: Das französische Unternehmen mache
sich „zum Handlanger des Despoten Recip Tayyip Erdoğan, Kritik und
oppositionelle Medien außerhalb der Türkei zum Schweigen zu bringen“. Auch
der EFJ appellierte an Eutelsat, den Ausstrahlungsstopp der kurdischen
Sender aufzuheben, „um den Medienpluralismus zu schützen und das Recht des
kurdischen Volks auf Zugang zu Informationen zu respektieren“. Das
Unternehmen solle nicht „türkischen Behörden bei ihrem Vorgehen gegen
Medien helfen“.
13 Oct 2016
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Newroz
TV-Sender
Newroz
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Iran
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