| # taz.de -- Auszeichnung für Hai-Fotografen: Selfies sind tödlicher | |
| > Im Südpazifik hat der Bremer Tom Vierus erforscht und per Kamera | |
| > dokumentiert, wie aus kleinen Haien große werden. Seine Fotos wurden nun | |
| > prämiert. | |
| Bild: Noch ganz kleine Zähnchen: gefangener Jung-Hai | |
| Bremen taz | Mit einer Fotoserie über seine Forschung an jungen Haien in | |
| Fidschi gewann der Bremer Student Tom Vierus den diesjährigen Deutschen | |
| Preis für Wissenschaftsfotografie in der Kategorie Reportage. Es ist, nach | |
| seiner eigenen Auskunft, der erste Preis, den Vierus für Fotos je gewonnen | |
| hat – und worüber freut er sich? „Am meisten freut mich“, sagt Vierus der | |
| taz, „dass es positive Schlagzeilen für Haie gibt.“ Denn noch immer hätten | |
| die „ein negatives Image“. | |
| Der Hai im Kopf, der ist böse. Dagegen gelten Delfine „als süß und | |
| intelligent“, sagt Vierus. Ungerecht. „Haie sind keine kopflosen Bestien, | |
| die einfach zubeißen. Dieses Bild wurde durch schlechte Filme verbreitet.“ | |
| Tatsächlich registrierte die „International Shark Attack File“, eine | |
| internationale Datenbank für Haiangriffe, 2015 insgesamt 98 von Menschen | |
| nicht provozierte Attacken. Davon endeten sechs tödlich. „Es sterben | |
| jährlich zwischen sechs und zehn Menschen durch Haiattacken, bei Tausenden | |
| Interaktionen“, erzählt Vierus. „Voriges Jahr starben mehr Menschen durch | |
| herabfallende Kokosnüsse oder beim Schießen von Selfies.“ | |
| Umgekehrt sieht es deutlich schlechter aus: Laut Greenpeace werden jährlich | |
| 100 Millionen Haie getötet. Gefährlich seien vor allem die | |
| Industriefischerei und der Haifischflossenmarkt in Asien, erklärt Vierus. | |
| Doch auch die Habitatzerstörung sei ein Problem. Die meisten Haie sind auf | |
| intakte Küstengewässer angewiesen. Nur dort können die Jungtiere | |
| aufwachsen. „Von den knapp 500 Arten gilt ein Viertel als bedroht“, sagt | |
| Vierus. Das bedeutet aber keine Entwarnung für die meisten anderen Arten. | |
| Im Gegenteil: Von ihnen fehlen die Daten, um Aussagen treffen zu können. | |
| Die Gesamtpopulation vieler Haiarten ist laut Vierus noch immer unbekannt. | |
| ## „Elegant und unterschätzt“ | |
| Die Unterschiede zwischen den Arten sind gewaltig – am kleinsten ist der | |
| Zwerglaternenhai mit 20 cm, während der Walhai 14 Meter lang wird. | |
| Letzterer ernährt sich zudem wie einige andere Arten von Plankton und nicht | |
| von Beutetieren. „Haie existieren seit 400 Millionen Jahren“, berichtet er. | |
| „Ich finde sie wunderschön, elegant – und unterschätzt.“ Denn einige Ar… | |
| seien hochintelligent. | |
| Für seine Forschung, über deren Fortschritte er laufend auf seiner Homepage | |
| [1][berichtet], lebte Vierus von Ende September bis Ende April auf Viti | |
| Levu. Das ist Hauptinsel Fidschis. Dort, in diesen Gewässern mit ihrem | |
| legendären, wenn auch schwindenden Fischreichtum, herrschen genau die | |
| Bedingungen, die unterschiedliche Haiarten im juvenilen Stadium benötigen. | |
| Im Rahmen seines Masterstudiums in „International Studies in Aquatic | |
| Tropical Ecology“, welches vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie | |
| (ZMT) und der Universität Bremen angeboten wird, stellte der 27-Jährige das | |
| Forschungsprojekt selbst auf die Beine. | |
| Unterstützung erhielt er durch einen Haiforscher der Universität des | |
| Südpazifik (USP). Für die Finanzierung seiner Feldarbeit erhielt Vierus von | |
| der USP 6.000 Euro. Hinzu kam ein Stipendium des ZMT in Höhe von 1.000 Euro | |
| – und Crowdfunding. „Die Feldarbeit ist kostenintensiv, zum Beispiel wegen | |
| der Transportlogistik“, erklärt Vierus. | |
| Der Student untersuchte das mangrovengesäumte Delta des Ba-Flusses. „Hier | |
| vermuten wir eine Kinderstube für Haie. Im flachen Wasser sind die kleinen | |
| Tiere vor ihren großen Artgenossen geschützt“, so Vierus. Drei Arten | |
| konnten er und sein Team untersuchen „Neben dem gefährdeten | |
| Schwarzspitzenhai fanden wir auch zwei vom Aussterben bedrohte | |
| Hammerhaiarten.“ Bei seiner Feldarbeit wurde der Meeresbiologe durch den | |
| Vorsteher des nahegelegenen Dorfes unterstützt. | |
| „Der Dorfvorsteher hatte ein gutes ökologisches Verständnis und wusste, | |
| dass Haie für das Ökosystem wichtig sind“, sagt Vierus. „Die Menschen war… | |
| extrem gastfreundlich und ich bin sehr dankbar für ihre Hilfe.“ | |
| ## Mit Netz und Langleine | |
| Da Haie nachtaktiv sind, fuhr Vierus gemeinsam mit drei Fischern aus dem | |
| Ort während der Dämmerung aufs Meer hinaus und untersuchte das | |
| Mündungsgebiet. „Je nach Ebbe und Flut sind wir zwischen 17 und 20 Uhr | |
| rausgefahren und haben dann zwischen sechs und neun Stunden gefischt“, | |
| berichtet Vierus. Mit Netz und Langleine fingen sie die jungen Haie. | |
| Dann erfasste Vierus die Tiere; Geschlecht und Größe, er schätze das Alter | |
| und entnahm eine Gewebeprobe, um die Art zweifelsfrei bestimmen zu können. | |
| Außerdem wurden zwei Sender gesetzt. Der eine erlaubt das Wiedererkennen | |
| eines Hais, ähnlich dem Chip, mit dem Haustiere gekennzeichnet werden. Der | |
| zweite Sender, ein sogenannter Spaghetti-Tag, ist außen sichtbar. Er | |
| enthält Kontaktinformationen, sodass etwa Fischer, die einen so | |
| gekennzeichneten Hai fangen, sich bei den Forschern melden können. „Die | |
| Messungen, die Entnahme der Gewebeprobe und das Setzen der Sender hat pro | |
| Hai zwischen zwei und drei Minuten gedauert.“ Anschließend wurden die Tiere | |
| wieder ins Wasser entlassen. | |
| Tagsüber fuhr Vierus in die Stadt, um für die nächste Nacht frische Köder | |
| und Benzin für das Boot zu kaufen. Anschließend trug er die Daten der | |
| vergangenen Nacht ein. Zusätzlich interviewte er die Fischer zu den Haien. | |
| Erschwert wurde seine Arbeit, nachdem im Februar der Zyklon „Winston“, der | |
| stärkste Wirbelsturm, der je in der südlichen Hemisphäre wütete, die | |
| Stromversorgung des Dorfes kappte. „Ab und zu hatte ich die Gelegenheit, | |
| meinen Laptop an einem Generator zu laden“, erzählt Vierus. | |
| Seine Forschungsarbeit dokumentierte der Meeresbiologe außerdem mit seiner | |
| Kamera. So entstand auch die Fotoreihe, die er für den Deutschen Preis für | |
| Wissenschaftsfotografie einreichte. „Neben der Fotografie wurde die | |
| Forschung Hauptbestandteil meines Lebens“, sagt er. Ausgelobt wird der | |
| Preis seit 2005 jährlich von der Zeitschrift [2][Bild der Wissenschaft]. | |
| Die Preisverleihung findet im November in Bremen statt. | |
| Auch das ZMT zeigt sich erfreut: „Wir sind sehr stolz und freuen uns über | |
| die Auszeichnung. Dass jemand sowohl in der Forschung als auch in der | |
| Fotografie begabt ist, ermöglicht, die Forschung einem breiteren Publikum | |
| näherzubringen“, so ZMT-Sprecherin Susanne Eickhoff. Durch seine Arbeit | |
| will Vierus den Schutz der Haie fördern. | |
| 5 Oct 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.livingdreams.tv | |
| [2] http://www.wissenschaft.de | |
| ## AUTOREN | |
| Jördis Früchtenicht | |
| ## TAGS | |
| Haie | |
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| Schwerpunkt Klimawandel | |
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