# taz.de -- Legende Meat Loaf gestorben: „Ich bedaure absolut nichts“ | |
> Er nehme keine Drogen und trinke nur alkoholfreies Bier. Meat Loaf sagt, | |
> wenn er auf der Bühne umkippe, sei das nur Show. | |
Bild: Meat Loaf 1994. Schickes Auto. Frisur: geht so | |
Ein edles Hotel in der Mitte Berlins. Dort eine Suite namens „Hofgarten | |
II“, die ungute Erinnerungen weckt. Hier ging einmal ein Interview mit Nena | |
schief und endete nach zehn Minuten. Aber heute: Meat Loaf. Kein | |
Kindheitsheld. Aber immerhin war da diese Erinnerung an einen | |
kraftstrotzenden Mann, der zeigte, dass Schwitzen menschlich ist. Die Songs | |
waren auch ziemlich toll. „You took the words right out of my mouth, it | |
must have been while you were kissing me.“ Oder: „I want you, I need you, | |
but I’m never gonna love you, but don’t be sad, two out of three ain’t | |
bad.“ | |
Vor der Suite sitzen Mitarbeiterinnen der Plattenfirma und Promoter und | |
regeln mit Smartphones Geschäftliches. Witze über die absurden | |
Sandwichpreise der Hotelbar werden gemacht. Dann der freundlich | |
vorgetragene Hinweis, man möge keine Fragen zur Gesundheit oder zur Politik | |
stellen, insbesondere keine zu Donald Trump. | |
Ein Blick auf den Zettel mit den Fragen: Fast die Hälfte würde wegfallen. | |
Dabei hat Meat Loaf erst vor Kurzem den Jahrzehnten im Rock-’ n’ | |
-Roll-Geschäft mal wieder Tribut zollen müssen: In Edmonton ist der | |
68-Jährige auf der Bühne umgekippt und im Krankenhaus wieder aufgewacht. | |
Aber am gestrigen Interviewtag habe es, wird kolportiert, schon bei der | |
einfachen Frage: „Wie geht es Ihnen?“, einen Eklat gegeben. Und Trump? Dem | |
kam Meat Loaf vor fünf Jahren ziemlich nahe, als er in der Promi-Ausgabe | |
von dessen Casting-Show „The Apprentice“ – einer Art „Germany’ s Next… | |
Model“ für Unternehmer mit Trump als Heidi Klum – den respektablen dritten | |
Platz belegte. | |
Meat Loaf steht den Konservativen nahe, vor vier Jahren ist er für Mitt | |
Romney bei Wahlkampfveranstaltungen aufgetreten. Letzten Herbst noch hat er | |
über Trump gesagt: „Donald ist sehr, sehr schlau.“ Im aktuellen Wahlkampf | |
allerdings engagiert er sich nicht für ihn. Da hätte man schon gerne | |
gewusst: Warum nicht? Aber jetzt geht die Tür auf, die persönliche | |
Assistentin bittet zum Gespräch. | |
In einem roten Plüschsessel sitzt ein schwerer Mann und isst ein Sandwich. | |
Weißbrotkrümel an der Backe. Er blickt hoch, reißt die Augen auf. Meat Loaf | |
fühlt sich ertappt beim Essen. | |
Wie spricht man Meat Loaf eigentlich an? Mister Aday, wie es in seinem | |
Reisepass steht, Vornamen Michael und Lee? Mister Meat Loaf? Mister Loaf? | |
Oder lieber gar nicht? | |
taz.am wochenende: Guten Tag. | |
Der schwere Mann im roten Sessel wischt sich ein paar Krümel ab. Er sagt | |
nichts, lächelt freundlich und deutet auf den leeren Stuhl vor ihm. Dabei | |
ist der kleine Finger seiner rechten Hand seltsam angewinkelt und leblos. | |
Aber: „How are you?“ geht ja nicht als Frage. Also anderer Einstieg: | |
Wer sich Ihr neues Album „Braver Than We Are“ anhört, stellt fest, dass | |
einzelne Songs vom Älterwerden handeln. Ist es ein Rockalbum übers Alter? | |
Meat Loaf: Da liegen Sie leider vollkommen falsch. | |
Der Einstiegssong trägt immerhin den Titel „Who needs the Young?“ | |
Ja, aber den hat Jimmy geschrieben, als er 19 Jahre alt war. | |
Jimmy, das ist Jim Steinman. Pianist, Produzent und Autor nahezu aller | |
Songs von Meat Loaf. Kennengelernt haben sich die beiden 1973 am Broadway. | |
Der schwere Mann im Sessel wirkt zerbrechlich, sehr alt. Er spricht | |
schleppend. Jedes Wort scheint einzeln aus seinem Mund zu fallen. | |
Warum hat Jim Steinman mit 19 Jahren einen Song geschrieben, der die | |
Perspektive eines alten Mannes einnimmt? | |
Das habe ich ihn nie gefragt. Aber ich frage Jimmy nie irgendetwas, ich | |
stelle nicht infrage, was er macht. Und er stellt nicht infrage, was ich | |
mache. Er weiß, dass ich in Rollen schlüpfe, wenn ich einen Song singe – | |
und er akzeptiert das. | |
Trotzdem seltsam, oder? | |
Vielleicht. Aber ich habe nicht groß darüber nachgedacht. Ich wusste ja, | |
wie alt der Song ist. Ich kannte ihn schon seit „Bat Out Of Hell“, wir | |
hatten ihn damals schon aufgenommen, aber er passte nicht mehr aufs Album. | |
Es gab nur Vinyl und da passten nur 45 Minuten drauf. Aber seitdem liebe | |
ich diesen Song, und endlich konnten wir ihn mal neu aufnehmen und | |
herausbringen. | |
„Bat Out Of Hell“, die Offenbarung. 1977 mag in London der Punk | |
ausgebrochen sein, aber überall sonst hörte man diese überkandidelten | |
Songs, in denen so unverhohlen von Sex die Rede war, dass man es trotz | |
Schulenglisch verstand. Seitdem wurde das Album mehr als 30 Millionen Mal | |
verkauft. | |
Wenn Sie diese Songs nun, fast 40 Jahre später, singen, haben sie dann noch | |
dieselbe Bedeutung wie damals? | |
Nicht wirklich. Ich habe beim Singen versucht, in die Rolle eines | |
19-Jährigen zu schlüpfen. Denn darum geht es auf dem ganzen Album: um einen | |
19-Jährigen auf der Suche nach sich selbst. | |
Warum wollten Sie denn kein Album über das Älterwerden machen? | |
Warum sollten wir? | |
Weil Sie und Steinman selbst nicht mehr die Jüngsten sind. Sie könnten | |
Rockmusik aus der Perspektive eines alten Menschen machen. | |
Wer braucht denn so etwas? Die Perspektive eines 19-Jährigen sorgt dafür, | |
dass die Musik viel intensiver ist. Das ist psychologisch interessanter, | |
künstlerisch eine viel größere Herausforderung, als die Perspektive eines | |
68-Jährigen einzunehmen. | |
Sie sind 68. | |
Eben. Mich interessiert die Perspektive eines 68-Jährigen nicht. Lassen Sie | |
mich damit bloß in Ruhe. | |
Mich würde es interessieren. | |
Mich nicht. | |
Hat der Rock ’n’ Roll ein Problem mit dem Älterwerden? | |
Definitiv. Sobald du 40 Jahre alt bist, spielen die Radiosender deine Musik | |
nicht mehr. Selbst ein Paul McCartney wird nicht mehr gespielt. Es gibt | |
wirklich Altersdiskriminierung im Pop. Lächerlich, aber es ist so. Alter | |
sollte keine Rolle spielen. Wichtig ist doch nur, ob der Song was taugt. | |
Ein guter Song löst Gefühle aus, er macht dich glücklich oder wütend oder | |
traurig. Ein guter Song sorgt dafür, dass es dir besser geht. | |
Aber heutzutage läuft im Radio nur noch Mist. Und warum? Weil die | |
Zielgruppe nur noch aus 23-Jährigen besteht. Aber natürlich kann auch ein | |
Paul McCartney-Song zu einem 23-Jährigen sprechen. Ich würde am liebsten | |
ein Album rausbringen mit einem vollkommen weißen Cover, ohne Bilder, ohne | |
Namen, ohne Hinweise, vielleicht noch die Songtitel, mehr nicht. Es würde | |
mich interessieren, was dann passiert. | |
Stellen Sie sich vor, der Meat Loaf von 1977 würde mit „Bat Out Of Hell“ | |
heute auf der Bildfläche erscheinen. Hätte er denselben Erfolg wie damals? | |
Wir hatten damals zuerst keinen Erfolg. Keine Sau hat sich für uns | |
interessiert. | |
Das hat sich schnell geändert. | |
Schnell ging das gar nicht. Wir haben uns zehn Monate lang den Arsch | |
abgespielt. Aber es war schwer: Ein dreihundert Pfund schwerer Typ, | |
wahrlich keine Schönheit, der ellenlange, dramatische Songs singt. Diese | |
Songs waren damals einzigartig, so etwas gab es nicht – und das wäre heute | |
wieder genauso. Dieses Team mit diesem Enthusiasmus, den wir damals hatten, | |
und vor allem diese Songs, die würden sich immer, zu jeder Zeit | |
durchsetzen. | |
Die Kombination aus diesen Songs und mir, diesem riesigen Typen mit dieser | |
Stimme, die entwickelte auf der Bühne eine unheimliche Kraft und eine | |
wahnsinnige Energie. Wir haben die Carnegie Hall ausverkauft, bevor wir | |
überhaupt einen Plattenvertrag hatten. Irgendwann war es vollkommen egal, | |
ob ich dick war, es war egal, wie Jimmy aussah. Irgendwann | |
verselbstständigte sich die Musik und alles andere war egal. Und dann hob | |
es ab. Deswegen glaube ich, dass das auch heute genauso laufen würde. | |
Zuvor hatten Sie schon am Broadway gespielt, unter anderem in „Hair“, | |
später haben Sie regelmäßig als Schauspieler gearbeitet. | |
Ja, die Schauspielerei war meine erste Liebe. Ist sie eigentlich immer | |
noch. Aber auf der Bühne kann ich beide Leidenschaften ausleben. Wenn ich | |
ein Konzert gebe, dann ist das nicht so groß anders, als wenn ich in einem | |
Musical auftreten würde. Am Broadway schlüpfe ich in eine Rolle und bei | |
einem Konzert schlüpfe ich eben in die Rolle eines Rock ’n’ Rollers. Das | |
funktioniert ganz ähnlich: Man nimmt durch die Fingerspitzen, durch die | |
Zehen und die Haare die Energie des Publikums auf und gibt sie wieder | |
zurück. Beim Film allerdings geht das nicht, da kommt die Energie aus dem | |
Inneren, man muss sie in der Brust sammeln. Aber eigentlich ist Film – | |
verglichen zur Bühne – ein Klacks. | |
Sind Sie zufrieden mit Ihrer Karriere? | |
Ja, vollkommen zufrieden. | |
Nichts zu bedauern? | |
Nein, absolut nichts. Vielleicht den einen oder anderen Streit, an den ich | |
mich nicht mehr erinnern kann. | |
Was ist mit den Drogen? | |
Hab ich nie genommen. Alles Medienbullshit. Ich hasse Alkohol. | |
Da gibt es andere Geschichten: Kurz nach dem Riesenerfolg von „Bat Out Of | |
Hell“ sorgte eine Kombination aus Kokain, Alkohol und Erschöpfung dafür, | |
dass Meat Loaf seine Stimme verlor und auf dem Nachfolgealbum nicht mehr | |
singen konnte. „Bad For Good“ erschien dann als Jim-Steinman-Soloalbum. | |
Nicht mal Alkohol? | |
Ich habe auf der Bühne Light-Bier getrunken, weil ich von Natur aus eine | |
trockene Kehle habe. Das Bier hat meine Stimmbänder feucht gehalten. Aber | |
irgendwann konnte ich selbst das Light-Bier nicht mehr trinken und habe | |
stattdessen Lutschbonbons genommen. Irgendwann habe ich festgestellt, dass | |
ich das Menthol nicht vertrage, und wechselte zu mentholfreien Drops. Bis | |
ich gemerkt habe, dass in denen haufenweise Zucker war und Zucker ist | |
bekanntlich ungesund. Jetzt nehme ich irgendwas Chinesisches. | |
Angeblich haben Sie mal auf der Bühne Blut gespuckt. | |
Ja, bei einer Tour in Australien. | |
Nur dort? | |
Ja, nur bei dieser einen Tour. Aber das war auch schlimm genug. Nach jedem | |
Auftritt hat mich ein Arzt untersucht und mir gesagt, dass ich meine Stimme | |
ruiniere, wenn ich so weitermache. Eigentlich hätte ich die Tour sofort | |
abbrechen müssen, aber ich wusste nicht, wie ich aus der Nummer rauskomme. | |
Wir hätten ein Vermögen in den Sand gesetzt. | |
Sind Ihre Stimmbänder zu empfindlich oder die Songs von Steinman zu | |
anstrengend? | |
Es sind die Songs. Jeder andere Sänger, der versucht hat, diese Songs zu | |
singen, die Backgroundsänger und Duettpartnerinnen, alle haben sie | |
gestöhnt: Oh, mein Gott, das ist wirklich anstrengend. Ich habe dann | |
gesagt: Ach, ziert euch nicht so, Kinder! Wenn ich nur Rolling-Stones-Songs | |
singen würde, dann könnte ich sieben Tage die Woche auftreten. | |
Wenn ich Springsteen-Songs singen würde, könnte ich auch vier Stunden lange | |
Konzerte geben. Obwohl: Was Bruce Springsteen macht, das ist schon | |
übermenschlich. Springsteen ist ein Supermann. Der ist nur ein Jahr jünger | |
als ich. Aber keiner seiner Songs hat mehr als anderthalb Oktaven | |
Stimmumfang, „Streets of Philadelphia“ hat gerade eine Oktave. Für die | |
meisten Songs, die ich singe, brauche ich dreieinhalb Oktaven. Und ich | |
singe die Songs immer noch in derselben Tonlage wie früher. Ein Elton John | |
und ein Billy Joel sind dagegen mittlerweile zweieinhalb Töne | |
runtergerutscht. Ich bin immer noch da oben. | |
Was denken Sie, wie lang das noch geht? | |
Keine Ahnung. Aber zugegeben, ich würde gern mal eine Bluesplatte machen. | |
Mit Blues könnte ich noch zehn Jahre weitermachen. Dann setze ich mich wie | |
BB King auf der Bühne auf einen Stuhl und hänge mir eine Gitarre vor den | |
Bauch. | |
Haben Sie Ihre Stimme für die Songs von Steinman geopfert? | |
Ganz bestimmt. | |
Also gibt es doch etwas zu bedauern? | |
Haben Sie sie noch alle? Die Chance zu haben, einen Song wie „Bat Out Of | |
Hell“ singen zu dürfen? „For Crying Out Loud“ singen zu dürfen? Die Son… | |
von der neuen Platte singen zu dürfen? Niemals hätte ich diese Chance | |
verpassen wollen. Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen: Als ich | |
„Somebody Loves Me“ für das Tribute-Album „The Glory of Gershwin“ aufn… | |
zusammen mit dem großen George Martin… | |
Dem legendären Produzenten der Beatles, der im März starb? | |
Genau. Wir sind im Studio und bevor wir anfangen, fragt mich George: Wie | |
willst du „Somebody Loves Me“ singen? Ich: Was meinst du? Er: Na, in | |
welchem Stil sollen wir das Lied aufnehmen? Ich: Ich verstehe nicht, was du | |
meinst. Dann erklärt er mir, dass die anderen Interpreten, die für die | |
Compilation angefragt wurden, ihre Songs als Blues oder Jazz oder sonst was | |
aufnehmen wollten. Ich hab nur gesagt: George, das ist Gershwin. Also | |
nehmen wir es auf wie Gershwin. Warum sollte man Gerhswin verändern? Warum | |
sollte man Mozart oder Wagner verändern? Warum sollte man Jim Steinman | |
verändern? Warum sollte man einen HipHop-Song in die Mitte von „Carmen“ | |
platzieren? | |
Darauf ist bestimmt schon jemand gekommen. | |
Ist vielleicht auch eine gute Idee. Das könnte tatsächlich funktionieren. | |
Ich rufe Chuck D und Will Smith und ein paar andere Leute an, die ich | |
kenne, und dann stellen wir eine HipHop-Version von „Carmen“ auf die Bühne. | |
Obwohl: Besser wäre noch „Faust“. „Faust“ ist wie geschaffen für HipH… | |
Wo es gerade um deutsche Klassiker geht: Wussten Sie damals, als Sie „Bat | |
Out Of Hell“ aufnahmen, dass Steinman ein großer Fan von Richard Wagner | |
war? | |
Ich wusste nicht einmal, wer Richard Wagner war. Mittlerweile weiß ich, | |
dass Jimmy nicht nur ein Riesenfan von Wagner, sondern auch von Kiss war. | |
Das erklärt einiges, oder? 1845 hat Wagner ein Stück geschrieben, das in | |
einem zweifachen hohen C endet. „Bat Out Of Hell“ endet in einem vierfachen | |
hohen C. Jimmy wollte Wagner in den Schatten stellen. Er muss immer | |
übertreiben. | |
Die Steinman-Songs sind so anstrengend, dass Sie früher regelmäßig auf der | |
Bühne in Ohnmacht gefallen sind… | |
Aber das war Show. Ich kam schon, als ich noch jünger war, immer außer | |
Atem. Aber wenn ich umgefallen bin, dann habe ich das geschauspielert. Ich | |
habe meinen eigenen Tod auf der Bühne markiert. Ich war ziemlich gut darin. | |
Ich will das Publikum schockieren: Die sollen nach einem Konzert genauso | |
fertig sein wie ich. | |
Hatten Sie jemals Angst, Sie könnten auf der Bühne sterben? | |
Nein, nie. | |
Nicht einmal im Juni, als Sie auf der Bühne umgekippt und im Krankenhaus | |
wieder aufgewacht sind? | |
Sie meinen Edmonton? Quatsch, ich war dehydriert. Mehr war nicht. Die haben | |
mich an den Tropf gehängt und jeden Test aus ihrem Medizinbuch mit mir | |
gemacht. Dann haben sie mir noch zwei Beutel mit irgendeiner Lösung | |
eingeflößt. Ich hasse das: Man geht fünf Kilo schwerer raus, als man | |
reinging. | |
Einfach umzukippen, das hat Ihnen keine Angst gemacht? | |
Nein. Ich habe schon alles geplant, falls ich tatsächlich auf der Bühne | |
sterben sollte. Die Band wird dann zuerst „When The Saints Go Marching In“ | |
spielen und anschließend soll das Publikum „Take Me Out To The Ballgame“ | |
singen. | |
Ein Song, der bei Baseballspielen in den USA gesungen wird. | |
Sollte ich auf einer deutschen oder englischen Bühne sterben, muss ich, | |
fürchte ich, mir einen anderen Song überlegen. | |
Ist das eine schöne Vorstellung, auf der Bühne zu sterben? | |
Ja. Entweder so oder friedlich im Schlaf. Hauptsache kein Leiden. Ich habe | |
schon genug gelitten. Ich hatte beide Schultern ausgekugelt, ein Bein | |
gebrochen, ich hatte 19 Gehirnerschütterungen, die meisten von meiner Zeit | |
als Footballspieler in der Highschool. | |
Da beugt er sich überraschend nach vorne, streckt mir den Kopf entgegen und | |
deutet auf eine Stelle neben seinem Scheitel. | |
Hier, fühlen Sie mal. | |
Eine kleine, narbige Beule ist zu spüren. | |
Da hat mir ein Kugelstoßer aus zwanzig Meter Entfernung eine Kugel | |
draufgeworfen. Ich habe mein Gehirn untersuchen lassen. Auf dem CT-Bild | |
sind lauter kleine weiße Flecken zu sehen, dieselben wie bei ehemaligen | |
Footballprofis. | |
Und Sie haben keine Angst? Es gibt ehemalige Footballprofis, die | |
Depressionen haben, einige haben sich sogar umgebracht. | |
Ich werde mich nicht umbringen, ich werde auch nicht mit Drogen anfangen. | |
Ich hoffe einfach, es wird schnell gehen. Am besten wird man einfach von | |
einem Lkw überfahren. | |
Okay, wenn er doch über seinen Gesundheitszustand spricht, dann vielleicht | |
auch über Donald Trump. Aber vorsichtig, es lieber erst einmal indirekt | |
versuchen. Vor vier Jahren, als er Romney unterstützte, stellte sich | |
heraus, dass Meat Loaf vergessen hatte, sich als Wähler registrieren zu | |
lassen und dann gar nicht für seinen Kandidaten stimmen konnte. Die Häme | |
war groß. | |
Haben Sie sich denn diesmal rechtzeitig als Wähler registrieren lassen? | |
In der Ecke blickt die Assistentin von ihrem Smartphone auf. | |
Assistentin: Keine Politik! | |
Das ist doch interessant… | |
Assistentin: Keine Fragen zu Politik. Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. | |
Meat Loaf hat schweigend den Austausch verfolgt. | |
Leg dich nicht mir ihr an, die tritt dir in den Arsch. | |
Er lacht. | |
Aber sie hat recht: Ich werde nichts zur Politik sagen. | |
Egal, noch ein Versuch. | |
Es gibt zumindest zwei politische Songs auf dem Album. | |
Ich finde nicht, dass „Godz“ und „Skull Of Your Country“ allzu politisch | |
sind. | |
Aber Sie wissen sofort, welche Songs ich meine. | |
Ich habe sie nicht gesungen, als wären sie politisch. Außerdem, Sie | |
erinnern sich, sind diese beiden Songs wie alle anderen vor langer Zeit | |
geschrieben worden. Wie könnten sie da aktuell politisch sein? | |
Wie kommt es, dass Sie sehen, dass man diese Songs so verstehen kann, als | |
meinten sie die aktuelle politische Situation? | |
Diese Songs wurden im Jahr 1969 geschrieben, während des Vietnamkrieges. Es | |
ist halt so: Sosehr sich die Dinge auch ändern mögen, eigentlich bleibt | |
alles beim Alten. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. | |
2 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## TAGS | |
Pop | |
Rock | |
Musik | |
Lesestück Interview | |
Sänger | |
Pop-Kultur | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abschied von US-Rockstar: Meat Loaf mit 74 gestorben | |
Beim Namen Meat Loaf hat man sofort „I'd Do Anything for Love“ im Ohr. | |
Jetzt ist der US-Sänger gestorben. | |
Pop-Star stirbt überraschend: George Michael ist tot | |
Sein Song „Last Christmas“ ist unsterblich – er selbst leider nicht. Geor… | |
Michael ist im Alter von nur 53 Jahren gestorben. | |
Meat Loaf in Hamburg: Papst Benedikt und der Auto-Sex | |
Meat Loaf ist jetzt 65 und hat keine Lust mehr auf große Bühnen. Warum das | |
so ist, zeigte sich bei seinem trostlosen Abschiedskonzert in Hamburg. |