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# taz.de -- Die Wahrheit: Wiesn great again
> Das Oktoberfest wird derzeit von einer mit allen Wassern gewaschenen,
> hochkarätigen Task-Force beschützt.
Bild: Mit Sicherheit ist auf dem Oktoberfest nicht zu spaßen
München ist eine gebeutelte Stadt. Letztes Jahr von Flüchtlingen überrollt,
heuer unter Schock wegen eines von Killerspielen zum Amoklauf verleiteten
jungen Mannes. Auch politisch herrscht permanenter Alarmzustand, da überall
jenseits der CSU islamistischer Terror lauert. Vom feministischen Terror
ganz zu schweigen. Kein Mannsbild kann sich mehr sicher fühlen, wenn ihn
selbst unschuldige Liebesbekundungen vor den Kadi bringen.
Geht schon dem einzelnen Bajuwaren das Sicherheitsgefühl ab, ist es umso
schwerer der Masse zu vermitteln. Doch genau dieses Gefühl versucht die neu
gegründete Taskforce „Make Wiesn Great Again“ auf dem aktuellen Volksfest
zu verankern. Zwischen Zäunen und Kontrollposten ähnelt Letzteres einem
südamerikanischen Freiluftknast.
Geleitet wird die Beruhigungstruppe vom unerhört feschen Münchener
Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins, der mit seiner undurchdringlich
souveränen Aura nach dem Amoklauf von Moosach unter Beweis gestellt hatte,
dass man Bürgern auch in Krisensituationen Sicherheit vermitteln kann, ohne
ihnen allzu viel Details zu verraten.
„Der Kampf um eine sichere Wiesn muss an vielen Fronten geführt werden“,
schwafelt da Gloria Martins den anwesenden Reportern mit unverhohlener
Kompetenz in den Block, während er federnden Schrittes zum Schottenhamel
eilt, um im berühmten Festzelt routinemäßig zu Ruhe und Gelassenheit
aufzurufen.
## Getarnt mit Lebkuchenherzen
Gerade in Krisenzeiten lässt sich der Wiesn-Besucher leicht verunsichern“,
floskelt der alerte Öffentlichkeitsarbeiter weiter und löst eine
Massenschlägerei mit einen einzigen Blick seiner rehbraunen Augen auf. Dann
führt da Gloria Martins die Reporter zu einer mit Lebkuchenherzen getarnten
Observationsstation, die mitten im Hacker-Pschorr-Festzelt steht.
Heraus tritt eine junge Frau mit blonder Hochsteckfrisur und einem Lächeln,
das mit ihren Perlenohrringen um die Wette schimmert. Sie stellt sich uns
als Cecilia Oberndorfer vor. „Aber ihr müsst mich Oberndorfer Zenzi
nennen“, zwitschert sie. Die Oberndorfer Zenzi leitet die Einheit „Wie
entdecke ich den Killerspieler, den verreckerten“.
Seit dem Attentat durchforstet sie die Server bekannter Gewaltspiele wie
„Counter Strike“ oder „Pokémon Go“. Um die Szene besser infiltrieren zu
können, sprechen alle ihre MitarbeiterInnen den Szenecode „L337 5p34k“,
wenn auch mit stark bayerischer Färbung. „Je mehr Präsenz wir zeigen, desto
weniger echte Pokémontrainer stehen den Leuten beim Saufen im Weg. Wir
wollen unseren Gästen schließlich ungestörte Brauchtumspflege garantieren.“
Die Gefahr vor potenziellen Amokläufern ist jedoch nichts im Vergleich zu
der größten Bedrohung des Oktoberfestes „Die Debatte um Gina-Lisa Lohfink
hat uns auf ein schwerwiegendes Problem aufmerksam gemacht“, erklärt uns
wenig später in der Käfer Wiesn-Schänke Ferdinand Grappler,
Verantwortlicher für Frauenfragen der Task Force. „In den letzten Jahren
wurden immer mehr sexuelle Übergriffe auf dem Oktoberfest gemeldet. Aber
kann man den Weibern wirklich trauen?“, fragt er investigativ, während er
„Schweinsbraten Brüderle gutbürgerlich“ nachbestellt.
## Es is' fei scho so
Trotz intensiven Starrens auf potenzielle Opfer konnte der gewissenhafte
Grappler auf der diesjährigen Wiesn bislang keine sexuellen Übergriffe
feststellen: Keiner der beobachteten Männer habe jemals eine Frau gegen
ihren Willen berührt: „Die wollten des fei auch scho irgendwie.“ Außerdem
habe man kaum arabische Gefährder auf der Wiesn angetroffen, und der
deutsche Mann sei bekanntlich ein aufrechter Streiter für die Belange des
schwachen Geschlechts.
„Und wenn bei einem knappen Dirndl doch mal nachgefühlt werden muss, dann
ist das als Anerkennung der Frau als solcher zu verstehen. Quasi gelebter
Feminismus“, so Grappler verschmitzt. „Viele Frauen verkennen das in
betrunkenem Zustand und reagieren dann so hysterisch, wie es ihnen ihr
Geschlecht diktiert.“
Das traditionsreiche Trachtengeschäft „Angermaier“ hat jüngst die Idee
einer „Wiesn-Burka“ aufgebracht, bei der nur das Dekolleté der Trägerin
frei bleibt, doch scheint dies ein allzu riskantes Fashion-Statement. Auch
der Vorschlag, reine Frauenzelte einzuführen, würde das Problem nur
verschleiern: „Frauenzelte suggerieren, dass von Männern eine Gefahr
ausginge“, meint Ferdinand Grappler und warnt vor strafbaren
Falschaussagen.
Deswegen rät die Taskforce „Make Wiesn Great Again“ allen
Oktoberfestbesucherinnen, ein körperliches Kompliment als solches
anzunehmen. Ansonsten könnten sich männliche Gäste in ihrer Sicherheit beim
Hinterntätscheln bedroht fühlen.
Zum Schluss des Rundgangs steigt der Taskforce-Leiter, steigt Marcus da
Gloria Martins mit den Reportern auf den Wachturm, der einen Ausblick auf
das hoch umzäunte Gelände bietet. „Wenn wirklich was passiert, dann machen
wir einfach dicht. Da kommt niemand mehr raus“, sagt er mit seiner
samtweichen Stimme, und es klingt wie: Eiapopeia.
20 Sep 2016
## AUTOREN
Veronika Kracher
## TAGS
Oktoberfest
München
Polizei
Schwerpunkt Abtreibung
CSU
„Islamischer Staat“ (IS)
Jürgen Todenhöfer
Oktoberfest
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Dirndlrock soll nach Flüchtlingen gefahndet werden.
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