# taz.de -- Niedersachsen: Blinker rechs?: Sehnsucht nach dem Stahlhelm | |
> Hannovers CDU-Ratsfraktionschef will die Zusammenarbeit mit der AfD nicht | |
> ausschließen – und wird zurückgepfiffen. | |
Bild: Warum CDU wählen, wenn's doch realistische Originale gibt? Wahlkampf in … | |
HANNOVER taz | Jens Seidel macht sich ganz klein: „Um Entschuldigung“ | |
bittet der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion in Hannover – wegen seiner | |
„unklaren“ Positionierung gegenüber rechtspopulistischen Parteien wie der | |
„Alternative für Deutschland“ (AfD) oder den „Hannoveranern“, die in | |
Niedersachsens Landeshauptstadt zur Kommunalwahl antreten. „Zu keinem | |
Zeitpunkt wollte ich ausdrücken“, teilt der Christdemokrat mit, „dass für | |
die CDU Hannover eine Koalition mit AfD, Hannoveranern und den Linken in | |
Betracht kommen kann.“ | |
Seidels Problem: Bei einer Veranstaltung seiner Heimatzeitung Hannoversche | |
Allgemeine klang er Mitte vergangener Woche noch ganz anders: Gefragt, ob | |
er eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten nach der in zehn Tagen | |
anstehenden Kommunalwahl ausschließen könne, antwortete er: „Darüber | |
sprechen wir am 12. September“ – also am Montag nach dem Urnengang. Die | |
AfD-Anhänger im Publikum waren begeistert, umso entsetzter dagegen die | |
Vertreter von SPD, Grünen, Linken und FDP, die zuvor allesamt Bündnisse mit | |
AfD oder „Hannoveranern“ ausgeschlossen hatten. | |
Zumindest für einen taktischen Fehler halten die meisten seiner | |
Parteifreunde Seidels Offenheit nach rechts. „Absurd“ sei die Debatte, | |
befand Hannovers als liberal geltender CDU-Parteichef Dirk Toepffer, | |
zugleich stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion. Seidels | |
Stellvertreterin Kerstin Seitz versuchte unterdessen, Gerüchte zu stoppen, | |
nach denen der Ratsfraktionschef seinen Posten nun räumen werde: „Es wird | |
keinerlei personelle Veränderungen in der CDU-Ratsfraktion vor der Wahl | |
geben“, teilte sie mit. | |
Wie es mit Seidel nach den Wahlen am 11. September weitergeht, ist damit | |
völlig offen. Selbst in der eigenen Ratsfraktion scheint mancher zu hoffen, | |
dass der Vorsitzende den Wiedereinzug ins Stadtparlament verpasst – | |
schließlich war mit Niedersachsens CDU-Generalsekretär Ulf Thiele auch die | |
Landesebene auf Distanz gegangen. Die AfD gefalle sich „in der Rolle des | |
radikal-populistischen Nein-Sagers“, sagte Thiele dem NDR. „Mit solchen | |
Leuten kann man nichts gestalten.“ | |
Dabei vermitteln nicht wenige Christdemokraten den Eindruck, die AfD | |
durchaus rechts überholen zu wollen – zumindest in Wahlkampfzeiten: Im | |
Landtag torpediert CDU-Fraktionschef Björn Thümler seit Monaten einen von | |
SPD, Grünen und FDP unterstützten Vertrag, mit dem die rot-grüne | |
Landesregierung die Integrationsbemühungen von Muslimen anerkennen will. | |
Die CDU aber mauert und mauert, zuletzt mit dem Argument, der | |
Moscheeverband Ditib werde von der Regierung des nationalistischen | |
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ferngesteuert. | |
Auch in der Flüchtlingspolitik hält Thümler stramm Kurs. Immer wieder | |
drängt er auf schnelle Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, warnt vor | |
sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen. Noch radikaler gibt sich der | |
Abgeordnete Frank Oesterhelweg: Nach Übergriffen im Januar forderte der | |
Rechtsaußen der Landtagsfraktion, solche „Horden“ müssten gestoppt werden, | |
„notfalls mit Gewalt“ oder auch „Schusswaffen“. Damit lag er auf einer | |
Linie mit der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch – heute betont aber | |
auch dieser CDU-Mann, eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten komme | |
nicht in Frage. | |
SPD und Grüne halten das für heuchlerisch. „Die CDU will ihren rechten | |
Flügel zurück“, sagt etwa Hannovers Grünen-Chef Daniel Gardemin: „Zur Not | |
auch in Form der AfD.“ | |
31 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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