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# taz.de -- NachrichtensprecherInnen in Ägypten: Fat shaming vom Staatsfernseh…
> Das ägyptische Staatsfernsehen schickt seine NachrichtensprecherInnnen in
> Zwangsurlaub. Sie seien angeblich zu dick.
Bild: Low-Carb-Diät, verordnet vom ägyptischen Staatsfernsehen
Berlin taz | Kennen Sie diesen Moment, wenn Ihnen mal wieder jemand sagt,
Sie seien zu fett, um eine Nachrichtensendung zu moderieren? Nein? Dann
sind Sie wahrscheinlich nicht angestellt beim ägyptischen Staatsfernsehen.
Das hat nämlich gerade ModeratorInnen suspendiert – mit der Bitte, eine
Diät zu machen.
Zunächst waren nur Frauen im Fokus. Anfang der Woche hatte die staatliche
„Egyptian Radio and Television Union“ (ERTU) [1][verkündet], dass sie acht
weibliche Nachrichtensprecherinnen suspendiert habe. Die Frauen hätten
einen Monat Zeit, um mit einem „angemessenen Erscheinungsbild“
zurückzukehren.
Eine derer mit unangemessenem Erscheinungsbild ist die Moderatorin Khadija
Khattab vom staatlichen Sender Channel 2. Sie sagte einer lokalen Zeitung,
dass die Leute sich ihre letzten Sendungen anschauen und für sich
entscheiden sollten, ob sie zu „fett“ sei und nicht mehr moderieren sollte.
[2][In ihrer Einschätzung] sei die Entscheidung ein Weg, erfolgreiches
Personal loszuwerden und gleichzeitig Sendungen ohne starke Inhalte zu
schützen. Eine Kollegin Khattabs sagte zudem, dass die öffentliche
Mitteilung aus Rücksicht auf die Familien besser hätte intern bleiben
sollen.
Aus der Zivilgesellschaft kam Kritik am Verhalten der Sendeanstalten. Das
„Womens Centre for Guidance and Legal Awareness“ [3][kommentierte], das
Verhalten der Sendeanstalten sei nicht verfassungskonform und eine Form von
Gewalt gegen Frauen. Eman Beibers, Vorsitzende der „Association for the
Development and Enhancement of Women“ mit Sitz in Kairo, [4][sagte]: „Unser
Problem ist, dass wir Menschen eher anhand ihres Erscheinungsbildes
beurteilen als anhand von Leistung oder Inhalt“.
Aber auch über Zustimmung in Bezug auf die Maßnahme wird berichtet. So
hätten einige User die Moderatorinnen in sozialen Netzwerken als
„bakabouzas“ bezeichnet, ein Ausdruck der in Ägypten für übergewichtige
Frauen benutzt wird. Alaa el-Sadani von der ebenfalls staatlichen
Nachrichtenwebsite Al-Ahram [5][sagte], sie sei angeekelt von der
abstoßenden Erscheinung der Moderatorinnen. Ihre Kollegin Fatma el-Sharawi
pflichtete ihr bei und fragte: „Sind acht Suspedierungen genug?“.
## Eine alte Leier: Schlankheits-Normativ
„Nein“, antworteten die Offiziellen vom Staatsfernsehen laut dpa, und
suspendierten jetzt auch männliche Mitarbeiter. „Rund 90 Prozent der
männlichen und weiblichen Moderatoren sind übergewichtig“, erklärte der
Regional-Direktor des staatlichen ägyptischen Fernsehens und Radios, Hani
Dschaafar, am Donnerstag. Eine Kommission solle nach Ende der nun
dreimonatigen Frist unter anderem deren Gewicht und Kleidung bewerten.
„Jeder, der als ungeeignet angesehen wird, wird auf eine Stelle versetzt,
die nichts mit Präsentation zu tun hat“, sagte Dschaafar weiter.
Die Reaktionen und das weitere Vorgehen des Staatsfernsehens sind Zeugnisse
eines vielschichtigen Problems. Einerseits sind Übergewicht und
Fettleibigkeit für viele Menschen auf der Welt ein ernstes gesundheitliches
Risiko. Demgegenüber steht aber auch ein Schlankheits-Normativ, der vor
allem in westlichen Breitengraden en vogue ist.
## Sinkende Einschaltquoten sollen der Grund sein
Während es in Deutschland unwahrscheinlich wäre, dass ein Sender in diesem
Kontext so offen mit seinen Beweggründen umgeht wie es die ägyptischen
gerade vormachen, gibt es die Marginalisierung dicker Menschen auch
hierzulande – ein Blick auf die Fernsehlandschaft genügt. In diesem Sinne
kann die Vorbildfunktion, die Fernsehgestalten gern nachgesagt wird, auch
aus einer anderen Richtung gesehen werden.
Die Suspendierungswelle fand vor dem Hintergrund sinkender Einschaltquoten
statt, mit denen das ägyptische Staatsfernsehen seit dem Rücktritt von
Ex-Staatspräsident Husni Mubarak im Jahre 2011 zu kämpfen hat. Der Schein
einer dünnen und schönen ModeratorInnenflotte soll also das ägyptische
Fernsehen aus der Krise holen. Die neue, weibliche Direktorin der
staatlichen Senderunion ERTU, Safaa Hegazy, selbst
Ex-Nachrichtensprecherin, war im April diesen Jahre aus diesem Grund
angetreten: Wettbewerbsfähiger mit internationalen Satellitensendern,
welche meist jüngere NachrichtensprecherInnen beschäftigen, [6][sollte das
Staatsfernsehen sein].
Die ERTU sagte, dass ihre Entscheidung nicht rückgängig gemacht werde. Die
ägyptische Vereinigung ist Mitglied in der [7][Europäischen Rundfunkunion],
einem Dachverband von derzeit 73 Rundfunkanstalten, dem auch ARD und ZDF
angehören. Immerhin sollen den ModeratorInnen während der Zwangspause ihre
Gehälter nicht gekürzt werden. Richtig so: Die Low-Carb-Diät bezahlt sich
schließlich nicht von allein.
19 Aug 2016
## LINKS
[1] http://www.bbc.com/news/blogs-news-from-elsewhere-37100676
[2] http://gulfnews.com/news/mena/egypt/egyptian-women-tv-anchors-told-to-lose-…
[3] http://www.independent.co.uk/news/world/africa/egyptian-television-station-…
[4] http://gulfnews.com/news/mena/egypt/egyptian-women-tv-anchors-told-to-lose-…
[5] http://www.nytimes.com/2016/08/18/world/middleeast/egypt-suspends-8-female-…
[6] http://www.independent.co.uk/news/world/africa/egyptian-television-station-…
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Rundfunkunion
## AUTOREN
Yannick Ramsel
## TAGS
Ägypten
fat shaming
Kolumne Habibitus
Diät
Frauen
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